In Italien registrieren wir die Anfänge einer antiqueeren Kultur
Seit bald einem Jahr ist Giorgia Meloni Italiens Ministerpräsidentin. Die Postfaschistin und ihre Regierung lassen keinen Zweifel daran, dass es unter ihr keine volle bürgerrechtliche Gleichstellung für LGBTIQ geben wird. Dazu der Kommentar*
Italiens rechte und rechtspopulistische Regierung ist ziemlich beliebt, alle kommunalen Wahlen hat diese Allianz gewinnen können. Sie unterscheidet sich von ähnlich rechten oder rechtsnationalistischen Regierung in einer allerdings entscheidenden Hinsicht: Sie arbeitet still, geräuschlos fast – und profitiert ausgesprochen stark vom intern zerzankten link(liberalen) Lager. Meloni ist kein Viktor Orbán, kein polnischer Regierungschef, der alles Liberale hasst, keine Alice Weidel wie in Deutschland von der AfD. Im Gegenteil scheint sie eine gute EU-Europäerin zu sein, keine Krawallschachtel, eher eine kühle Handwerkerin an den Schraubstellen der politischen Macht, sie weiss vermutlich, dass Chaos und religilöses Eiferertum sie ganz schnell wieder vom Chefinnensessel wegkatapultieren würde.
Und doch, aller von ihr ruhig exekutierten Politik zum Gegenteil, agiert sie wie eine moderne rechte Ministerpräsidentin, ganz ihr Programm abarbeitend. Die staatliche TV-Gesellschaft RAI wird gerade umgemodelt, das Kultursystem durchforstet, auch ob all der linken oder «woken» Bestandteile wegen, es soll wieder ein bisschen so werden wie früher: ein System, in dem minderheitliche oder bisher überhörte Stimmen kaum Luft zum Atmen haben können. Migrant*innen, Queers – unerwünscht.
Jetzt geht es aber konkret gegen unsere Interessen, und es sind solche, denn es betrifft ein Verbot für homosexuelle Paare bzw. die gemeinsame Elternschaft. Die Meloni-Regierung hat sogar jetzt dekretiert, dass schon staatlich besiegelte gemeinsame Elternschaften von lesbischen oder schwulen Paaren annulliert werden müssen (MANNSCHAFT berichtete). Bislang war es links regierten Städten – Rom, Mailand, Turin, Padua – immerhin möglich, dass zwei Elternmänner oder zwei Elternfrauen ihre gemeinsamen Kinder, auf welchem Weg auch immer zu ihnen gekommen oder zur Welt gebracht, sich als Eltern eintragen lassen konnten, eine kleine Gesetzeslücke liess dies zu.
Mein Punkt: Meloni & Co. operieren als geschickteste Rechtspopulisten in Europa überhaupt. Sie wissen, dass sie die Uhren nicht ganz auf Mittelalter-Zeitzone zurückdrehen können; sie lassen deshalb die Eingetragene Lebenspartnerschaft, auch erst vor kurzem eingeführt, rechtlich unangetastet, aber an der vollen Gleichberechtigung rütteln sie jetzt, verunmöglichen sie. Das ist so gewollt, denn die gesellschaftliche Atmosphäre gegen LGBTIQ-Menschen ist keineswegs – wie in Polen, Ungarn oder sowieso Russland – vergiftet. Aber auch Italiens rechte Regierung lässt keinen Zweifel, dass es volle bürgerrechtliche Gleichstellung nicht geben soll.
Italien ist das stärkste Aufmerksamkeitssignal, das es aktuell gibt.
Ich befürchte mithin keine Machtübernahme von Nazis irgendwo, auch die polnischen oder ungarischen Regierungen sind keine, die mit dem Nationalsozialismus vergleichbar wären (obwohl, vergleichen kann man immer!) Man sollte sie nur nicht gleichsetzen. Was mir jedoch auffällt: Dass es viele Fortschritte für unsereins gab und gibt, auch in katholischen Ländern wie Spanien oder Portugal, nicht jedoch in Italien in ähnlicher Forschheit. Doch der Rückschritt, der kein Backlash sein kann, wird leichthändig ins Werk gesetzt. Registrieren wir die Anfänge einer antiqueeren Kultur – sie schaden uns, wie und wo es geht. Italien ist das stärkste Aufmerksamkeitssignal, das es aktuell gibt.
P.S.: Zu denken muss mir, hoffentlich: uns allen, geben, dass die italienische Regierung keineswegs von irgendeinem Social-Media-Shitstorm linker oder linksliberaler Art aufgehalten werden kann, so die aktuelle Lage. Und zwar besonders bei jenen Wählenden, die ihre Parteipräferenzen nicht zuvörderst von Moralischem abhängig machen, sondern von Materiellem. Meloni & Co. streichen Sozialleistungen bei den Ärmeren – und das kommt gut an.
Jetzt machte noch ein anderer Skandal viel Wind: Ein italienischer Spitzenmilitär hat im Selbstverlag ein Buch veröffentlicht, Titel: «Il mondo al contrario», in dem er schreibt, die Welt werde von einer «internationalen Schwulen-Lobby» so beeinflusst, dass Homosexualität als «normal» gelte. Er fände schwule Männer ekelhaft und widerlich … Der Mann wurde strafversetzt (MANNSCHAFT berichtete). Doch sein Buch ist ein Bestseller.
So ist das Klima bei unseren südlichen Nachbar*innen – teils homophob, teils liberal, die Lage ist unübersichtlich. Und Meloni regiert!
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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