«Howard» erzählt die Geschichte der schwulen Disney-Grösse

Howard Ashman ist für die Hits in «Arielle, die Meerjungfrau», «Aladdin» und «Die Schöne und das Biest» verantwortlich

Howard Ashman (Bild: Screenshot/DisneyPlus)
Howard Ashman (Bild: Screenshot/DisneyPlus)

Howard Ashman galt als «zweiter Walt Disney» und war für den Erfolg vieler Filme mitverantwortlich. Eine Doku erzählt nun seine Lebensgeschichte bis zu seinem frühen AIDS-Tod.

Für viele sind Disneyfilme wie «Arielle, die Meerjungfrau», «Aladdin» und «Die Schöne und das Biest» nicht aus ihrer Kindheit wegzudenken. Weniger bekannt ist hingegen Howard Ashman, der kreative Kopf und Komponist, der massgeblich für den Erfolg dieser Zeichentrickproduktionen mitverantwortlich ist. Auf DisneyPlus startet am 7. August der neue Dokumentarfilm «Howard» über sein Leben, Schaffen und den frühen Tod aufgrund von HIV/AIDS.

Ashman gilt als treibende Kraft der sogenannten Disney Renaissance zwischen 1989 und 1999 – eine Zeit, in der Disneyfilme weltweit grosse Erfolge feierten. Roy Disney, Neffe von Gründer Walt Disney, soll ihn gar als «zweiten Disney» bezeichnet haben.

Disney holte 1986 den damals 36-jährigen Ashman als Songwriter für den Zeichentrickfilm «Oliver & Co.» an Bord und engagierte ihn schliesslich auch für das neue Projekt, «Arielle, die Meerjungfrau». Dieses sollte Disneys erste Märchenverfilmung nach 30 Jahren werden.

Gemeinsam mit Alan Menken schrieb er sämtliche Songs für den Film, darunter auch «Unter dem Meer» und «Küss’ sie doch». Als erfahrener Musicalproduzent hatte Ashman auch bei der Entwicklung der Figuren seine Hände im Spiel und brachte etwas Vielfalt ins Casting. Es war unter anderem seine Entscheidung, der Krabbe Sebastian jamaikanische Wurzeln zu geben und die Dragqueen Divine als Vorlage für die Seehexe Ursula zu nehmen.

«Arielle, die Meerjungfrau» war ein Riesenerfolg und bescherte Ashman und Menken zwei Oscars für beste Filmmusik und besten Filmsong. Die Preisverleihung nahm jedoch ein trauriges Ende. Auf der gemeinsamen Heimfahrt eröffnete Ashman seinem Kreativpartner, dass er HIV hatte und an AIDS erkrankt war.

Ashman stürzte sich in die Arbeit – genauer gesagt in die nächste Disneyproduktion: «Die Schöne und das Biest». Ihm ist es zu verdanken, dass aus dem Film nicht bloss eine gewöhnliche Märchenverfilmung wurde, sondern, ähnlich wie «Arielle, die Meerjungfrau», mit vielen Songs zum Musicalfilm wurde. Es war auch Ashman, der sich für eine stärkere Einbindung des Biests einsetzte. Ursprünglich sollte sich die Geschichte fast ausschliesslich um Belle drehen.

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Das Biest hatte für Ashman eine persönliche Bedeutung – eine Versinnbildlichung von AIDS.  «Er war verflucht. Dieser Fluch brachte all den Menschen Kummer, die ihn liebten. Vielleicht geschieht noch ein Wunder, ein Weg, um den Fluch aufzuheben», sagte Bill Condon, Regisseur der Realverfilmung von «Die Schöne und das Biest» von 2017, gegenüber dem Observer.

Howard Ashman hatte einen starken Schaffensdrang und arbeitete bis zu seinem Tod. (Bild: Indiana University)
Howard Ashman hatte einen starken Schaffensdrang und arbeitete bis zu seinem Tod. (Bild: Indiana University)

Don Hahn, Produzent von «Die Schöne und das Biest» und «Der König der Löwen», sieht im Lied «Tod dem Biest» eine Metapher für den gesellschaftlichen Umgang mit HIV/AIDS in den späten Achtzigerjahren. In der betreffenden Szene führt Gaston einen Mob aufgebrachter Dorfbewohner*innen zum Schloss, um das Biest zu töten, und singt: «Wir versteh’n das zwar nicht, doch dies Monster ist so schrecklich, dass das Blut in unsern Adern kaum noch fliesst.» «Ashman hatte es wirklich mit einer lähmenden Krankheit zu tun, die in dieser Zeit stigmatisiert wurde», sagte Hahn. «Im Film gab es so viele Anspielungen darauf, die die Leute vielleicht nicht gesehen haben.»

Das ist übrigens nicht die einzige queere Botschaft in einem Disney-Klassiker. Die Zeichentrickfilme aus dem Hause Disney werben oft für mehr Akzeptanz für Andersartige (MANNSCHAFT berichtete). Trotz Metaphern und Anspielungen dauerte es lange, bis Disney LGBTIQ-Figuren sichtbar machte. In der Realverfilmung von «Die Schöne und das Biest» sind erstmals zwei tanzende Männer zu sehen (MANNSCHAFT berichtete), in «Onward: Keine halben Sachen» spricht eine Figur erstmals über ihre Regenbogenfamilie (MANNSCHAFT berichtete).

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Ashman erlebte die Fertigstellung von «Die Schöne und das Biest» nicht mehr, arbeitete jedoch bis kurz vor seinem Tod daran weiter. Er verstarb mit 40 Jahren im März 1991, ein halbes Jahr vor dem Kinostart. Der Song «Die Schöne und das Biest» erhielt den Oscar für besten Filmsong und wurde an der Preisverleihung von Ashmans Lebenspartner, Bill Lauch, entgegengenommen.

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Don Hahn übernahm für die Doku «Howard» die Regie und liess Ashmans Freund*innen, Familie und Mitarbeitenden zu Wort kommen, darunter auch Bill Lauch und Alan Menken. Mit Fotos und bisher unveröffentlichtem Archivmaterial erzählt der Film von Ashmans Lebensgeschichte von seinen Anfängen in Baltimore, seinem Schaffensdrang und schliesslich von seinen letzten Jahren geprägt von HIV/AIDS.

«Howard Ashmans Name ist vielen vermutlich kein Begriff, seine Musik aber sehr wohl», sagt Hahn in einer Medienmitteilung von DisneyPlus. «Er ist einer der grössten Geschichtenerzähler des 20. Jahrhunderts, der dem Musical in den USA und Disneys Zeichentrick neues Leben einhauchte. Er hinterlässt einen Liederkatalog, der heute noch in uns weiterlebt, doch seine persönliche Geschichte wurde bis heute nie erzählt.»

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