Hat Woelki Missbrauchsopfer nach «Drehbuch» ausgenutzt?
Jetzt kommt heraus, was Berater dem Kardinal empfohlen haben
Hat Kardinal Rainer Maria Woelki Betroffene von sexuellem Missbrauch nach einem «Drehbuch» von PR-Experten instrumentalisiert? Das ist die Frage, die derzeit das grösste deutsche Bistum Köln bewegt.
Christoph Driessen, dpa
Darum geht es: 2020 hatte Kardinal Woelki entschieden, ein seit langem angekündigtes Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Kindesmissbrauchs nicht zu veröffentlichen. Er führte rechtliche Gründe dafür an und gab stattdessen ein neues Gutachten in Auftrag. Die Entscheidung war hochgradig umstritten und zog massive Kritik nach sich. Woelki bot dem Papst seinen Rücktritt an (MANNSCHAFT berichtete).
Immerhin: Der Betroffenenbeirat des Erzbistums unterstützte Woelkis Vorgehen zunächst. Dann allerdings distanzierten sich die beiden Beiratssprecher Patrick Bauer und Karl Haucke davon, traten von ihren Ämtern zurück und warfen Woelki einen «erneuten Missbrauch von Missbrauchsopfern» vor. «Wir wurden völlig überrannt», sagte Bauer damals.
Im der vergangenen Woche enthüllte nun der Kölner Stadt-Anzeiger, dass Woelkis Vorgehen offenbar auf die Empfehlung einer Kommunikationsagentur zurückging. Die PR-Strategen hatten ihm demnach geraten, den Betroffenenbeirat auf seine Seite zu ziehen, weil das seine Position stärken würde. Bekannt war bereits, dass sich Woelki die PR-Beratung 820 000 Euro hatte kosten lassen – und das obwohl das Erzbistum selbst eine grosse Medienabteilung unterhält. Woelki lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht des Kölner Stadt-Anzeiger zunächst ab. Erst als die Kritik immer weiter anschwoll und auch drei Dechanten – Regionalchefs – eine Erklärung forderten, tat sich etwas. Nicht Woelki selbst, aber wenigstens sein Stellvertreter, Generalvikar Guido Assmann, meldete sich zu Wort. Seine Botschaft: Da wird von der Presse wieder mal was aufgebauscht.
Es stimme zwar, dass der Erzbischof damals die Dienste einer Kommunikationsagentur in Anspruch genommen habe, und die habe dann natürlich «für ihr Geld auch gearbeitet» und «Szenarien entwickelt». Das heisse aber nicht, dass das Erzbistum diese Vorschläge auch alle umgesetzt habe. Auf die Mitglieder des Betroffenenbeirats sei vor ihrem Votum keinerlei Druck ausgeübt worden. «Es gab nie das Ziel, diese zu einem bestimmten Stimmverhalten zu animieren», versicherte Assmann. Wenn das später teilweise anders gesehen worden sei, zeige dies nur, «dass wir im Umgang mit Betroffenen noch sensibler werden müssen». Das alles sei aber nun wirklich kein «Riesenskandal», auch wenn einige Medien es so darstellten.
Patrick Bauer, einer der damals zurückgetretenen Beiratssprecher, sieht das etwas anders. Er sei «erbost und sauer» über das Statement von Assmann, sagte Bauer am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Punkt sei der, dass das Vorgehen des Erzbistums damals ganz offenbar von vornherein festgestanden habe und sich Woelki bei den Betroffenen nur noch deren Segen habe abholen wollen. Dies mit dem Ziel, in der Öffentlichkeit besser dazustehen – so wie es ihm seine PR-Strategen empfohlen hätten.
Ich erwarte, dass man sich bei mir entschuldigt, und das ist bis heute nicht geschehen.
Besonders ärgert sich Bauer darüber, dass Assmann in seinem Statement anmahnt, man solle doch miteinander und nicht übereinander reden. «Seit November 2020 hat weder Kardinal Woelki noch der damalige Generalvikar noch irgendjemand von der Kommunikationsabteilung mit mir geredet», so Bauer. «Ich erwarte, dass man sich bei mir für all das entschuldigt, und das ist bis heute nicht geschehen.»
Der oberste Katholik von Bonn, Stadtdechant Wolfgang Picken, nimmt die Medien ausdrücklich in Schutz: «Es ist die Erfahrung der letzten Jahre, dass es ohne die Aufklärungsarbeit der Medien und eine kritische Debatte in der Öffentlichkeit keine hinreichende Transparenz über den Missbrauch in der Kirche und auch keine erfolgreiche Prävention gäbe.» Statt Medienkritik sei aufseiten des Erzbistums vielmehr Selbstkritik angebracht.
Vor eineinhalb Jahren machte der Vatikan klar: Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare sind verboten. Diskriminierend sei das nicht (MANNSCHAFT berichtete).
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