Gianna Nannini: «Mann und Frau sind eine Option»
Die Doku «Sei nell'anima» läuft jetzt bei Netflix
Neue Platte, Netflix-Biopic, grosse Tournee: Mit der pansexuellen Künstlerin Gianna Nannini, die am 14. Juni 70 wird, sprach MANNSCHAFT+ über ihr gefühltes Alter, Vibratoren und Politik.
In dem neuen Konzeptalbum «Sei nell’anima» (deutsch: Du bist in der Seele) widmen Sie sich in zwölf Songs Ihren Soul- und Blues-Wurzeln. In dem Stück «1983» singen Sie «Ich wurde ohne Geschlecht geboren». Wie sehr hat dieser Umstand Sie geprägt? Dies ist eine politische Frage. Ich möchte mit dieser Platte als die Person anerkannt werden, die ich 1983 war. Das Jahr war für mich ein Wendepunkt. Viele Menschen glauben an das Alter, sie denken, sie seien alt. Aber es ist wichtig zu erwähnen, dass niemand ein Alter hat. Das Alter ist nur eine Option. Auch Mann und Frau sind eine Option. «Geboren ohne Geschlecht» ist etwas, das ich den Menschen vermitteln möchte. Geschlecht ist ein dummes Wort, ein dummer Mechanismus des einen gegen den anderen. Schwarz und weiss. Männer und Frauen. Ihr könnt mich mal! Hahaha.
Sie haben immer wieder erklärt, Sie seien pansexuell. Pansexualität stehe für alle Formen der Liebe. Singen Sie auf diesem Album über alle Formen der Liebe?
In meinem Job geht es nicht um Sexualität, sondern um Soul. Der sehr bekannte deutsche Produzent Conny Plank sagte mir einmal, ich solle ein Album mit meiner schwarzen Soul-Stimme machen. Jetzt war ich bereit dafür. Ich habe mit Songs von Otis Redding und Janis Joplin angefangen, und in dieses Album habe ich all meine Erfahrungen gesteckt. Ich habe es in italienischem Worten und mit italienischen Melodien geschrieben. Für mich ist es ein Album mit Soulmusik. Ich wollte etwas Neues machen. Ich wollte, dass meine Stimme cooler und entspannter und gleichzeitig emotionaler klingt.
2022 hatten Sie angekündigt, dass Sie sich vorstellen könnten, das Amt der Präsidentin der Italienischen Republik zu übernehmen (MANNSCHAFT berichtete). Haben Sie heute noch politische Ambitionen? Jemand hat damals im Radio gesagt, dass wir dringend einen weiblichen Präsidenten brauchen. Und wer wäre die beste Stimme für Italien? Ich! Und jeder, der berühmt ist, hat ja eine echte Chance, Präsident zu werden. Leider hat jemand diesen Spruch ernst genommen und plötzlich wurde ich zur Kandidatin erkoren. Aber jetzt haben wir zwei starke Frauen in Italien, auf dem linken und auf dem rechten Flügel. Also kein Problem. Es ist gut, mal eine Abwechslung zu haben.
Vor 45 Jahren erschien Ihr Erfolgsalbum «California» und sorgte mit seinem Cover im erzkatholischen Italien auch gleich für einen handfesten Skandal. Wie sehen Sie dieses Cover heute? Das Cover mit der amerikanischen Freiheitsstatue mit einem Vibrator in der Hand – ich könnte mir vorstellen, dass nach dem verlorenen Krieg viele Deutsche Vibratoren als Spielzeuge benutzt haben. Es ist schwer zu verstehen, was passiert, wenn man ein transatlantisches Abkommen schliesst. Dein Leben und deine Kultur werden dann an den Gewinner verkauft. Damals war es mir sehr wichtig, ein solches Statement abzugeben. Ich liebe dieses Cover!
Rebellieren Sie heute noch gegen irgendjemanden oder irgendetwas? Ja, ich rebelliere gegen das Alter. Wie ich schon sagte, Alter ist eine Option. Meine neue Botschaft: Ich pfeife auf das Alter!
Im Herbst ist Gianna Nannini live zu sehen: 25.11. in Zürich, Hallenstadion 28.11. in München, Olympiahalle
Der Kleist-Preis geht an Sasha Marianna Salzmann. Salzmann, geboren in Wolgograd, identifiziert sich als nicht-binär (MANNSCHAFT berichtete).
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