«Ich will nur ich selbst sein» – Maia Kobabes Autobiografie als Comic
«Genderqueer» ist frisch erschienen
Die Comicautobiografie «Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie» hat seit ihrer Erscheinung in den USA im Jahr 2019 für große Aufmerksamkeit gesorgt. Darin erzählt Maia Kobabe – selbst nicht-binär – von der Suche nach der eigenen geschlechtlichen und sexuellen Identität.
Als «Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie» 2019 in einer kleinen Auflage von 5.000 Exemplaren in den USA erschien, waren Hype und Kontroverse, die das Werk gleichermassen in den Folgejahren auslösen sollte, völlig unabsehbar. Einerseits wurde das Buch 2020 von der American Library Associtation mit einem Stonewall Honor Award und einem Alex Award ausgezeichnet. Andererseits ist es gerade in republikanisch regierten Staaten zum beliebten Angriffsziel von konservativen Hardlinern geworden – es sei pornografisch, eine Gefahr für Kinder und Jugendliche und propagiere eine von der Norm abweichende Geschlechtsidentität.
Nicht umsonst steht das Buch, das in den vergangenen Monaten am häufigsten aus amerikanischen Klassenzimmern und Schulbibliotheken verbannt wurde, ganz oben auf der Liste der Top Ten der Most Challenged Books des US-Bibliothekenverbandes. Hier sind alle Bücher aufgeführt, für die am häufigsten eine Zensur gefordert wird – u. a. mit «Genderqueer» im dritten Jahr in Folge auf Platz 1.
Nun ist das Buch auch in Deutschland im Reprodukt-Verlag erschienen. «Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie» gilt als eine der erfolgreichsten Comicautobiografien der letzten Jahre. Es stammt von Maia Kobabe und lässt sich dem Genre Young Adult zuordnen. Kobabe selbst ist nichtbinär – identifiziert sich also weder als Mann noch als Frau, sondern orientiert sich ausserhalb dieses Spektrums. Kobabe arbeitet als Autor*in und Zeichner*in und hat mit «Genderqueer» ihr*sein grosses Erstlingswerk vorgelegt. Darin erzählt Kobabe anhand der eigenen Biografie von der Suche nach der eigenen geschlechtlichen und sexuellen Identität junger Heranwachsender.
Kobabes Ziel war es, möglichst klar und präzise darzustellen, warum das Thema Nichtbinarität für sie*ihn so wichtig ist: «Ich habe das Buch vor allem für meine Eltern geschrieben». Kobabe wurde 1989 in der Bay Area in Kalifornien geboren und lebt noch heute dort. In den Texten und Zeichnungen spannt Kobabe einen Bogen von der jüngsten Kindheit bis heute – eine emotionale Lebensgeschichte, erzählt in Wort und Bild. Beschrieben wird die Suche nach dem eigenen Körpergefühl sowie den eigenen (nicht vorhandenen) romantischen oder sexuellen Gefühlen anderen gegenüber. Dabei zeigt Kobabe, wie Verzweiflung und Verwirrung entstehen können, wenn Worte für das eigene Empfinden fehlen: «Die Ahnung einer dritten Möglichkeit schlummerte wie ein Senfkorn unter der Erde. Aber mir fehlte die Sprache, um die Pflanze zu identifizieren».
Schliesslich gibt es auch nur wenig bekannte Beispiele für nichtbinäre Figuren. Damit leistet Kobabe einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung: «Nicht schweigen, sondern Sichtbarkeit zeigen, damit am besten alle schon mal eine*n nichtbinäre*n Erwachsene*n gesehen und Worte dafür haben». Im Zentrum steht dabei das Verstehen-wollen der eigenen Empfindungen. Damit adressiert Kobabe vor allem junge Menschen, die sich – wie Kobabe selbst einst – fragen: Bin ich lesbisch, bisexuell, asexuell oder vielleicht doch trans?
Nicht-binarität und Sex werden dabei zwar offen beschrieben, aber stets in abstrakte und nie explizite Bilder überführt. Die schönen Zeichnungen und wunderbaren Colorierungen changieren dabei voller Leichtigkeit zwischen realistischen und surrealistischen Szenerien. Dadurch wird den aufgeworfenen grossen Identitätsfragen immer wieder jegliche Schwere genommen und mit ebenso vielen positiven Momenten angereichert, wie z. B. dem starken Verbundenheitsgefühl, das Kobabe bei ihren ersten Begegnungen mit anderen queeren Menschen gespürt hat. Die Entdeckung der Begriffe für die eigene geschlechtliche und sexuelle Identität sowie deren Aneignung beschreibt Kobabe als Offenbarung, schliesslich war die Empfindung längst da, «lange bevor ich das Wort kannte, um es zu benennen». Mit 15 Jahren wollte Kobabe dann weder Mädchen noch Junge sein, sondern einfach er*sie selbst.
Durch die zugänglichen Comic-Zeichnungen und die verwendete leichte Sprache hat das Buch das Potential, nicht nur nichtbinären Menschen Ausdruck des eigenen Empfindens zu verleihen, sondern auch das engste Umfeld zu sensibilisieren und das Verständnis zu stärken, damit eines Tages hoffentlich niemand mehr, wie Kobabe noch selbst als Pubertierende*r, denken muss, dass die eigene Sexualität und das Geschlecht «einfach kaputt sind».
Maia Kobabe – «Genderqueer – Eine nichtbinäre Autobiografie» (hier bestellen beim Verlag Reprodukt) Verlag Reprodukt, Softcover, 240 Seiten, 20,00 €
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