FIFA-Präsident: «Jeder in Katar willkommen, auch LGBTIQ»
Human Rights Watch: Infantino ist «aus der Zeit gefallen»
FIFA-Präsident Gianni Infantino hat vor der WM-Gruppenauslosung in Doha trotz der Missstände bei den Arbeitsbedingungen in Katar auf die Fortschritte verwiesen.
«Natürlich ist es kein Paradies. Natürlich ist es nicht perfekt. Natürlich gibt es noch viel zu tun, aber da müssen wir dranbleiben. (…) Wir müssen Veränderungen fördern», sagte Infantino und fügte hinzu: «Das Vermächtnis in Bezug auf Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte ist und wurde bereits vor der Weltmeisterschaft erreicht. Es ist wichtig, dass es hier bleibt und bleiben wird. Es wird bleiben, weil es gesetzlich verankert ist.»
Der ehemalige DFB-Chef Theo Zwanziger dagegen hat die Hoffnung aufgegeben. Veranstaltungen wie die WM dienten immer nur der Propaganda des jeweiligen Gastgeberlandes, «aber nicht der Einsicht, dass sich an den eigenen Verhältnissen etwas ändern muss» (MANNSCHAFT berichtete).
Das Emirat steht seit Jahren in der Kritik. Berichte über Tausende tote Arbeiter sorgen immer wieder für laute Kritik – insbesondere aus Europa. Die Regierung des Emirats verweist auf etliche Reformen zur Verbesserung der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter. So baute Katar das Kafala-System ab. Dieses auch in anderen Ländern der Region verbreitete System bindet ausländische Arbeiter fest an einen einheimischen Bürgen wie einen Arbeitgeber. Verstösse gegen die neuen Gesetze würden rigoros verfolgt.
Amnesty International sieht aber weiterhin gravierende Mängel im WM-Gastgeberland Katar. Trotz staatlicher Reformen seien Arbeitsmigranten im Jahr 2021 «weiterhin von Ausbeutung betroffen» gewesen und hätten «Schwierigkeiten, ihren Arbeitsplatz frei zu wechseln» gehabt, heisst es im Jahresbericht 2021/22 der Menschenrechtsorganisation.
Vor der Endrunde der Fussball-WM in diesem Jahr (21. November bis 18. Dezember) «schränkten die Behörden das Recht auf Meinungsfreiheit noch stärker ein». Frauen sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans und inter Menschen seien zudem «sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben weiterhin diskriminiert» worden (MANNSCHAFT berichtete).
Ich habe noch nie gesehen, dass ein IOC-Präsident sich so wahnsinnig angebiedert hat wie Thomas Bach.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch blickt denn auch mit grosser Sorge auf die zukünftigen Vergaben grosser Sportereignisse durch das IOC und die FIFA. «Es ist noch schlimmer geworden. Ich habe noch nie gesehen, dass ein IOC-Präsident sich so wahnsinnig angebiedert hat wie Thomas Bach», sagte der Direktor von HRW Deutschland, Wenzel Michalski, der Deutschen Presse-Agentur über das Internationale Olympische Komitee und die Winterspiele in China. «Er hat sich als Ersatzregierungssprecher angeboten und die Lügen der Chinesen mitverbreitet.»
Beim Präsidenten des Fussball-Weltverbands FIFA, Infantino, sehe er «das ähnlich: Dass er nach Katar zieht, was ist das denn für ein Signal?», fragte Michalski mit Blick auf die WM in Kata. Die FIFA hatte im vergangenen Jahr bekanntgegeben, dass der Schweizer Infantino vor der Endrunde einen Wohnsitz in Katar beziehen werde. Das WM-Gastgeberland steht wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter seit Jahren in der Kritik.
Infantino sei «aus der Zeit gefallen, wir brauchen ein Umdenken bei der Vergabe von Grossveranstaltungen», forderte Michalski. «Bei den grossen Verbandschefs von FIFA und IOC sehe ich das überhaupt nicht. Wenn Olympia oder grosse Turniere wieder in Ländern stattfinden, in denen Menschenrechtsrichtlinien keine Rolle spielen, dann ist Hopfen und Malz verloren, dann müssen Alternativen zu FIFA und IOC her. Dann haben diese Organisationen gezeigt, dass sie ihre Existenzberechtigung verloren haben.»
Für Geld kann man offensichtlich alles machen.
Die Weltmeisterschaft in Katar ist aus Sicht von Fanvertreter Dario Minden gar der «Tiefpunkt» einer längeren Negativentwicklung im Fussball. «Es geht um den Ausverkauf des Fußballs, dass es wirklich nichts mehr gibt, keine letzte Hürde von Anstand und Moral, die nicht mit Geld überwunden werden kann», sagte der 2. Vorsitzende des Fanbündnisses «Unsere Kurve» der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist der grosse Skandal. Für Geld kann man offensichtlich alles machen.»
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