Eskalation in Taiwan: Dies wäre Ihre Pride gewesen!
Wie geht es weiter nach der World Pride in Sydney?
An diesem Wochenende geht die World Pride in Sydney zu Ende. Eigentlich hätte die nächste in Kaohsiung im Süden Taiwans stattfinden sollen. Doch das Event wurde abgesagt. Unser Autor war beim Kaohsiung Pride 2022 vor Ort und weiss, was die Welt nun verpasst.
An einem sonnigen Samstag im November macht der «Love River», der mitten durch die Hafenstadt Kaohsiung im Süden Taiwans fliesst, seinem Namen alle Ehre. Rund 20.000 Menschen feiern während des Kaohsiung Pride an seinen Ufern, schwenken Regenbogenfahnen und tanzen zu Musik, als der Demonstrationszug den Fluss passiert. Viele Besucher*innen tragen fantasievolle Kostüme, die an Manga- oder Science-Fiction-Filme erinnern. Andere haben ihre Puppy-Masken aufgesetzt oder zeigen stolz ihre muskulösen Oberkörper. Und bei der Abschlusskundgebung schmettern sie inbrünstig den Schlager Cai Hong, den die Sängerin A-Mei auf der Bühne singt. Auf deutsch heisst das «Regenbogen». Das Lied ist in Taiwan der queere Hit der Saison.
Beinahe hätte die Welt von diesem charmanten Pride Notiz genommen. Denn Kaohsiung hatte von der Organisation InterPride den Zuschlag für die World Pride 2025 erhalten. Zum ersten Mal sollte damit ein World Pride in Asien gefeiert werden (MANNSCHAFT berichtete).
Vielen erschien dies nur folgerichtig: Im Jahr 2019 öffnete Taiwan als erstes Land in Asien die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (MANNSCHAFT berichtete) und der Pride in der Hauptstadt Taipeh gilt mit bis zu 200’000 Teilnehmenden als der grösste des Kontinents. Im vergangenen Sommer dann aber der Schock: Die Veranstalter in Kaohsiung sagten das Event wieder ab (MANNSCHAFT berichtete). Zur Begründung verwiesen sie auf einen Streit mit InterPride.
Wie es zu dieser Eskalation kommen konnte, ist nicht ganz leicht zu verstehen. Die Veranstalter*innen in Kaohsiung planten das Event unter dem Titel «World Pride Taiwan 2025». Auch InterPride warb so dafür. Im vergangenen Jahr änderte InterPride jedoch plötzlich seine Meinung, sagt Guzifer, Standing Director der Kaohsiung Pride Association. InterPride verlangte demnach nun, den Titel auf «World Pride Kaohsiung 2025» zu ändern. Das Team vor Ort widersprach und sagte das Event ab. InterPride wiederum zeigte sich davon überrascht und verwies auf ein Kompromissangebot.
Hinter dem bizarren Namensstreit steckt die grosse Politik. Obwohl Taiwan eine selbstständig regierte Republik ist, erhebt die Volksrepublik China Anspruch auf die Insel. Um es sich mit der Regierung in Peking nicht zu verscherzen, erkennen nur wenige Länder Taiwan als eigenständigen Staat an. Und selbst bei den Olympischen Spielen dürfen taiwanische Sportler*innen nur unter dem Namen „Chinesisches Taipeh“ antreten.
Entsprechend allergisch reagierte das Orga-Team auf die Forderung von InterPride. «Wir haben uns als World Pride Taiwan beworben», sagt Guzifer. «Und gerade als LGBT sollten wir Namen und Identität respektieren.»
Nicht alle Demonstrierenden unterstützen diese harte Haltung. «Die World Pride hätte die Sichtbarkeit Taiwans erhöht», meint André aus Taipeh. Dafür hätte man sich beim Namen kompromissbereiter zeigen können. Andere hingegen kritisieren InterPride, chinesischem Druck nachgegeben zu haben. Grundsätzlich aber überwiegt Enttäuschung. «Es wäre toll gewesen, einen WorldPride Taiwan zu feiern», sagt Xavier, der gemeinsam mit Freunden aus Hsinchu, einer Stadt im Nordwesten Taiwans, nach Kaohsiung gereist ist.
Für 2025 sind die Würfel nun allerdings gefallen. Statt im Süden Taiwans wird die World Pride dann in der US-Hauptstadt Washington stattfinden. Damit bleibt die Pride am Love River allem Anschein nach ein Geheimtipp.
Unser Autor recherchierte Ende 2022 für zwei Monate mit einem Stipendium der Internationalen Journalisten Programme e.V. in Taiwan.
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