«Doppelter Skandal»: Serien noch zu oft von Männern entwickelt

Drehbuchautorinnen Annette Hess («Ku'damm 56») und Kristin Derfler üben scharfe Kritik

Annette Hess (Mitte) neben Peter Plate bei der Musicalpremiere «Ku’damm 56» (Foto: Annette Riedl/dpa)
Annette Hess (Mitte) neben Peter Plate bei der Musicalpremiere «Ku’damm 56» (Foto: Annette Riedl/dpa)

Angesichts des Serienbooms fordern die Drehbuchautorinnen Annette Hess und Kristin Derfler, mehr Projekte in die Hände von Frauen zu geben. Sie kritisieren, vor allem prägende Autorenpositionen gingen noch zu oft an Männer.

«Was Frauen in Deutschland oft schreiben dürfen: lustige, kleine Webserien oder Nischenformate», sagte Hess («Weissensee», «Ku’damm 56»). «Die männlichen Kollegen bekommen die grossen Millionenbudgets.» So bleibe das gesellschaftliche Narrativ männlich geprägt. (MANNSCHAFT berichtete über die Bühnenversion von «Ku’damm 56».)

Die Autorinnen haben untersuchen lassen, wer Serien in Deutschland schreibt. Methodisch ist das herausfordernd. Bei einem Kino- oder Fernsehfilm sei es noch relativ einfach, die Autorennamen zu recherchieren, heisst es in der Untersuchung von Belinde Ruth Stieve. Bei Serien falle dies schwerer, etwa weil es mehrere Folgen und eine grössere Zahl von Autoren gebe, die oft nicht vollständig veröffentlicht würden.

Schliesslich wurden in einem ersten Schritt 202 Staffeln von 146 Serien betrachtet, die erstmals zwischen 2017 und 2021 liefen. Von allen Schreibern sei etwa ein Drittel weiblich gewesen. Bei Positionen mit grösserem Einfluss habe der Anteil niedriger gelegen.

«Pussiwrita»-Initiative «Es gibt zwar fast 34 Prozent Autorinnen gesamt. Entscheidend aber sind die Positionen», sagte Derfler («Two Sides of the Abyss», «Brüder»). Im Staffwriting finde man noch ein Drittel Frauen vor, doch je mehr es um visionäre, prägende Autorenpositionen gehe, umso weniger Frauen gebe es.

Nur 13 Prozent der sogenannten Creators seien weiblich. «Da muss man sich schon fragen: Woran liegt das? Denn an den Schulen werden mehr Autorinnen ausgebildet. Es liegt also nicht daran, dass wir nicht genügend Erzählerinnen haben.»

Die Autorinnen werben für eine Quote. «Die Forderung ist klar: Wir wollen eine Quote von 50 Prozent weibliche Creators», sagte Derfler. Das sollte ihrer Meinung nach Pflicht sein für Serien, die für öffentlich-rechtliche Programme entstehen oder die öffentliche Fördergelder bekommen.(MANNSCHAFT berichtete über Forderungen nach einer Frauenquote.)

«Und die Privaten kann man moralisch unter Druck setzen: Ist das noch zeitgemäss?» Geplant sei auch ein Institut ihrer «Pussiwrita»-Initiative, um Autorinnen zu unterstützen.

«Männer bekonmmen ein Drittel mehr Honorar» Hess forderte zudem, Gehaltsunterschiede zu bekämpfen. «Honorare unterliegen der Geheimhaltung, aber ich habe männliche Kollegen unter der Hand befragt», sagte Hess der Deutschen Presse-Agentur. Es sei dasselbe wie im Schauspiel, wo es ja inzwischen durch prominente Hollywoodschauspielerinnen bekannt gemacht worden sei.

«Bei gleicher Expertise, bei gleichem Bekanntheitsgrad: Die Männer bekommen ein Drittel mehr Honorar. Frauen werden nicht nur weniger beschäftigt, sondern auch schlechter bezahlt. Ein doppelter Skandal.» (MANNSCHAFT berichtete über die neue Ausstellung zum Thema Frauen – und ihre Benachteiligung – im Bode-Museum.)

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