Doktor mit 136 PS: Mit dem Motorrad über alle Grenzen
Ein Blick auf das Leben eines leidenschaftlichen Bikers und Chefarztes
In seinem Berufsalltag trägt er einen weissen Kittel, in seiner Freizeit eine schwarze Bikerkluft. Udo Courteney (54) ist Chefarzt der Rehabilitationsmedizin eines Spitals in der Zentralschweiz. Er liebt seinen Mann – und sein Motorrad.
136 PS stark ist die Lady, eine schwarze BMW 1250 GS. «Born to be wild», die Biker-Hymne schlechthin, von Steppenwolf erklingt automatisch in den Ohren, wenn man sich ihm gegenübersieht. Ein offenes, sympathisches Lächeln, der Schalk blitzt aus den Augen. Das Gespräch mit MANNSCHAFT macht ihm sichtbar Spass.
Er erzählt, dass er seit 10 Jahren mit seinem Mann Stuart (67) Motorradtouren organisiert, plant und durchführt. Er erinnert sich, dass sie, z.B., zusammen «Que(e)r durch die Alpen» organisiert und durchgeführt haben, aber dass sie auch gerne als Gäste geführte Touren mitfahren. Gemeinsam sind sie Mitglieder verschiedener Clubs, die alle dem GLME (Gay and Lesbian Motorcyclists in Europe) angehören, dem Dachverband der homosexuellen Motorradclubs in Europa, der 1989 gegründet wurde.
Udo erzählt, dass der GLME damals «als Konstrukt des Zusammenhalts, um über Grenzen hinweg Zusammenhalt zu finden, um Gleichgesinnte zusammenzuführen, die die Leidenschaft fürs Motorradfahren verbindet» gegründet wurde. Mitglieder des GLME sind: Deutschland, Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Spanien und Portugal, die Schweiz und Grossbritannien, wobei der britische Club auch den grössten Club darstellt.
Dementsprechend international geht es zu unter den Fahrer*innen: Udo und Stuart berichten, dass es schon oft Gruppen gab, in denen man sich in mehreren Sprachen unterhalten konnte, was beide sehr spannend finden. Sie fühlen sich in mehreren Sprachen zu Hause, und mögen, laut Udo, «die Herausforderung der verschiedenen Nationalitäten und Mentalitäten».
Weit sind sie schon herumgekommen, viele Länder haben sie schon auf ihren Bikes erkundet (u.a. auch Albanien, Kroatien, Griechenland, Rumänien, Ungarn, Sardinien, Schottland…) und gesehen. Stuart berichtet, dass auch schon ein anderer Kontinent mit zum Repertoire gehört.
Er beschreibt eine sechswöchige Südamerika-Tour: «Die Bikes überquerten ab Hamburg per Container den grossen Teich, und dann ging’s von Chile nach Argentinien und Bolivien». Auf besondere Erinnerungen angesprochen, berichtet Udo, dass es, zu dieser Zeit im Jahr 2019, Aufstände in Chile gab, und dass sie brennende Reifen und Steine werfende Menschen erlebt haben.
Dieses Jahr stehen, unter anderem, Wales und Irland auf dem Programm, und 2024 werden sie sich voraussichtlich Marokko ansehen. «Benzin im Blut» haben sie beide schon seit ihrer Jugend, und während des Studiums erfüllten sie sich ihren Traum der Freiheit auf zwei Rädern; Udo sogar heimlich und ohne das Wissen der Eltern. Schmunzelnd erinnert er sich, dass er während er den Autoführerschein machte, gleichzeitig auch den fürs Zweirad erwarb. Dieser wurde ihm «damals» mit der Post zugestellt, zur grossen Überraschung seiner Familie. Er erzählt lachend, dass er sein damaliges Bike heimlich bei der Nachbarin unterstellen musste…
Doch die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile haben Udo und Stuart zusammen eine kleine, aber feine, Sammlung von unterschiedlichen Bikes: Sowohl sportliches, z. B. eine Ducati, als auch gemütliches ist darin zu finden. Vor 30 Jahren in München kennengelernt, gaben sie sich vor vier Jahren das Ja- Wort, und nachdem die Schweiz 2022 die Ehe für alle erlaubte (MANNSCHAFT berichtete), wurde die Eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umgewandelt.
In ihrer langen Zeit des Zusammen-durchs-Leben-Gehen-und-Fahre, haben sie schon viele unterschiedliche Menschen kennengelernt. Nun hat man schon vielerorts davon gehört, dass es durchaus Motorradclubs gibt, die nicht unbedingt Queerfreundlichkeit auf ihren Kutten stehen haben.
Die Frage, ob sie schon mal Erfahrungen mit toxischer Männlichkeit unter Bikern gemacht haben, verneinen aber beide. Im Gegenteil, mittlerweile sind viele Freundschaften entstanden. Vieles will noch erlebt, viele Menschen kennengelernt, und viele Länder gesehen werden.
Österreich: Seit 21 Jahren kann Homosexualität nicht mehr strafrechtrechtlich verfolgt werden. SPÖ mahnt Entschädigungszahlungen an (MANNSCHAFT berichtete).
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