«Anatomie eines Falls» – Sandra Hüller räumt mehrere Preise ab
Sie spielt darin eine bisexuelle Frau, die ihren Mann getötet haben soll
Das Gerichtsdrama «Anatomie eines Falls» räumt bei den LAFCA Awards und beim Europäischen Filmpreis ab. Es war ein gutes Wochenende für Hauptdarstellerin Sandra Hüller.
Von Sabrina Szameitat, dpa
Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller hat in den USA einen Kritikerpreis erhalten und damit ihre Chancen im laufenden Trophäen-Wettbewerb weiter ausgebaut. Der Filmkritiker-Verband LAFCA (Los Angeles Film Critics Association) in Los Angeles zeichnete Hüller (45) am Sonntag (Ortszeit) für ihre Rollen in «Anatomie eines Falls» und «The Zone of Interest» aus.
Das Justizdrama «Anatomie eines Falls» der französischen Regisseurin Justine Triet siegte in den Sparten nicht-englischsprachiger Film und Schnitt. Hüller spielt darin eine Schriftstellerin, die angeklagt ist, ihren Mann im gemeinsamen Haus umgebracht zu haben. Häufig sind die Gewinner*innen der Kritikerpreise auch unter den Kandidat*innen für die im März stattfindende Oscar-Verleihung.
Die Schuldfrage zieht sich wie ein roter Faden durch «Anatomie eines Falls»: War es ein Unfall, ein Suizid – oder doch Mord? Der komplexe Justizthriller von Justine Triet über eine selbstbestimmte Autorin unter Mordverdacht hat bei dem Europäischen Filmpreis am Samstagabend in Berlin gleich in fünf Kategorien abgeräumt. Der Film wurde als bester europäischer Film des Jahres geehrt, zudem erhielt er Trophäen für die Regie, das Drehbuch und den Schnitt.
Zu den grossen Gewinnerinnen zählte auch die Schauspielerin Sandra Hüller (45), die in «Anatomie eines Falls» verkörpert und dafür den Preis als beste Darstellerin gewann. In ihrer Rede bedankte sich die in Suhl (Thüringen) geborene Schauspielerin – und rief das Publikum zu Schweigesekunden für Frieden in der Welt auf. «Da wir heute Abend so viele sind (…), würde ich gerne ein paar Augenblicke mit euch schweigen», sagte Hüller. Im Saal wurde es ganz still, danach gab es viel Applaus.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth bezeichnete Hüller als «besonderen Glücksfall für die deutsche Filmbranche». Sie sei «eine Ausnahmeschauspielerin, die es versteht, ganz unterschiedliche Rollen facettenreich und mit grosser Intensität auszufüllen», sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag in einer Mitteilung. «Sie lotet alle Untiefen der dargestellten Charaktere bis zum Äussersten aus.»
Nach den Erfolgen in Cannes, wo Triets «Anatomie eines Falls» und Jonathan Glazers ebenfalls mit Hüller besetzter «The Zone of Interest» ausgezeichnet worden waren, sprach Roth von einem «hochverdienten Preis für diese Schauspielerin des Jahres».
Die 45-Jährige, die in Leipzig lebt, war gleich zweimal als beste Darstellerin nominiert (auch für das Drama «The Zone of Interest). Sie setzte sich unter anderem gegen ihre deutsche Kollegin Leonie Benesch («Das Lehrerzimmer») und die Finnin Alma Pöysti aus der Tragikomödie «Fallende Blätter» durch. Hüller hatte bereits 2016 die Trophäe als beste Darstellerin für die Tragikomödie «Toni Erdmann» bekommen.
In «Anatomie eines Falls» geht es um die Schriftstellerin Sandra, die mit ihrem Mann Samuel und ihrem fast blinden Sohn Daniel in den französischen Alpen lebt. Als Samuel tot vor dem Chalet gefunden wird, sieht alles nach einem üblen Sturz aus. Doch es dauert nicht lange, bis Sandra verdächtigt wird, ihren Mann umgebracht zu haben und sich dafür vor Gericht verantworten muss. Hüller spielt eine undurchsichtige Frau, die die Zuschauer bis zum Schluss über ihre Beweggründe rätseln lässt. Das komplexe Drama thematisiert dabei auch die Konflikte des Paars und lässt einen immer wieder an seiner Einschätzung zweifeln, ob Sandra nun schuldig ist oder nicht.
Das Filmteam ist zudem im Gespräch für das Oscar-Rennen – auch Hüller als Hauptdarstellerin. Das Branchenmagazin «The Hollywood Reporter» stellte Anfang September sogar schon die Frage: «Sandra Hüller, Schauspielerin des Jahres?»
Als bester Dokumentarfilm setzte sich «Smoke Sauna Sisterhood» durch, der mehrere Frauen in einer Rauchsauna in Estland porträtiert. Statt einer Dankesrede wollte Regisseurin Anna Hints ein Lied singen.
Der Europäische Filmpreis zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen der Branche. Die rund 4600 Mitglieder der Filmakademie konnten in etlichen Kategorien über Preisträger*innen abstimmen, ähnlich wie bei den Oscars in den USA.
Die britische Schauspielerin Vanessa Redgrave («Blow Up») wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Der ungarische Filmregisseur Béla Tarr («Sátántangó») erhielt einen Ehrenpreis. Der Auftritt des 68-Jährigen sorgte für Begeisterung. Die spanische Regisseurin Isabel Coixet («Das geheime Leben der Worte») wurde für ihre Verdienste um das Weltkino prämiert, den Preis nahm sie sichtlich gerührt entgegen. Einige Gewinner*innen standen schon vor der mehrstündigen Gala fest: «The Zone of Interest» etwa bekam einen Preis für den besten Sound.
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