Wurde die Ehe für alle wegen dieses Gutachtens verschoben?
Nach den LGBTIQ-Organisationen präsentieren Rechtskonservative ihr eigenes juristisches Gutachten zur Ehe für alle
Die Rechtskommission des Ständerats vertagte den Entscheid zur Ehe für alle, um die Verfassungsmässigkeit der Vorlage zu prüfen. Grund soll angeblich ein juristisches Gutachten aus dem rechtskonservativen Lager sein.
Im Juni winkte der Nationalrat die Ehe für alle inklusive Zugang zur Fortpflanzungsmedizin durch (MANNSCHAFT berichtete), als nächstes wäre der Ständerat auf der Agenda gestanden. Am 11. August trat die vorberatende Rechtskommission der kleinen Kammer jedoch auf die Bremse: Zuerst müsse die Verfassungsmässigkeit der Vorlage vertieft geprüft werden (MANNSCHAFT berichtete). Wie die Urheber*innen einer Petition aus der rechtskonservativen Ecke nun behaupten, soll ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten der Grund für die Verschiebung sein. Dieses fordert für die Ehe für alle eine Verfassungsänderung mit obligatorischer Volksabstimmung.
Geplant ist, die Ehe ohne Verfassungsänderung für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und ihnen das Recht auf Adoption zu gewähren. Verheiratete Frauen sollen Zugang zur Samenspende erhalten. Die Ehe für alle soll auf Gesetzesstufe erfolgen, eine Volksabstimmung ist nicht notwendig, sofern das Referendum nicht ergriffen wird. Ein von LGBTIQ-Organisationen in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigte die Verfassungsmässigkeit und überzeugte die Rechtskommission des Nationalrats (MANNSCHAFT berichtete). Darauf bestellten Gegner*innen der Ehe für alle also ihr eigenes Gutachten und legten dieses ihrer Petition an die Rechtskommission des Ständerats bei. Diese will nun selbst über die Bücher gehen.
Die Petition der Ehegegner*innen geriet bereits vor rund einer Woche in die Schlagzeilen. Am 7. August sperrte Facebook die Verlinkung (MANNSCHAFT berichtete). Der Aufruf mit dem Titel «Samenspende und Kinder-Adoption für Homosexuelle verhindern – Nein zur Homo-Pseudo-Ehe!» verstösst laut dem sozialen Netzwerk gegen die Gemeinschaftsstandards zur Hassrede.
Ein politisches Statement: Salomes Heirat in Deutschland
Obwohl die Petition gegen die Ehe für alle nicht direkt von der EDU stammt, zeigte sich die christlich-nationalkonservative Partei empört. In einer Pressemitteilung war von einer «demokratiefeindlichen Entwicklung» und einem «unhaltbaren Skandal» die Rede. Es handle sich beim Petitionstext nicht um Hassrede, sondern um legitime Positionsbezüge. Wer sachlich über die Ehe für alle diskutieren wolle, werde abgewürgt und in eine «radikale Ecke» gedrängt. «Die Demokratie ist angesichts solcher Entwicklungen in Gefahr», fand die EDU schliesslich in ihrer Mitteilung.
«Als Christen sind wir gegen diese Lebensart, aber wir haben nichts gegen homosexuelle Menschen», sagte EDU-Präsident Daniel Frischknecht gegenüber Watson. «Für uns ist das einfach nicht natürlich.»
Wie die Verfasser*innen der Petition nun in einem Update schreiben, habe man die Petition mit rund 8000 Unterschriften einreichen können. Mittlerweile habe man fast 10’000 Unterschriften erreicht.
Das Gutachten wirft den Zeitplan der Ehe für alle um rund ein Vierteljahr zurück. Voraussichtlich im Oktober erwartet die Rechtskommission des Ständerats den Bericht zur Verfassungsmässigkeit der Vorlage. Sollte diese gegeben sein, folgen in der Wintersession 2020 die Beratung und die definitive Abstimmung im Ständerat.
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