«Viele haben Angst»: So verändern sich die Prides im Osten
Rechte Gegendemonstrationen und Übergriffe nehmen zu. CSD-Veranstalter*innen sind in Sorge
Die CSDs im Osten Deutschlands wurden zuletzt immer wieder von rechten Protesten gestört, auch für bevorstehende Veranstaltungen hat sich die Gegenbewegung angekündigt.
Mit Dörthe Hein und David Hutzler (dpa)
Bunt, friedlich und tolerant: Paraden anlässlich des Christopher Street Days (CSD) ziehen dieser Tage wieder durch etliche deutsche Innenstädte. Doch was eigentlich eine fröhliche Party sein soll, wird immer öfter getrübt: Hunderte Rechtsextreme in Leipzig und Bautzen, Polizeipräsenz, Pöbeleien und Beleidigungen.
Für das Wochenende stehen wieder Kundgebung der queeren Szene in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt an. Und die Gegenbewegung steht erneut in den Startlöchern.
«Das ist grundsätzlich ein neues Bild, dass wir diese Art von Gegenprotest haben», sagt Jasmin Gräwel. Sie ist Sprecherin des CSD in Leipzig, wo vergangenes Wochenende laut Polizei 19’000 Menschen an der Parade teilnahmen (MANNSCHAFT berichtete). Bundesweit hatten Neonazis zum Gegenprotest aufgerufen – so wie schon eine Woche zuvor in Bautzen, als der CSD von knapp 700 protestierenden Rechtsextremen begleitet worden war.
In Leipzig habe das vereinzelt dazu geführt, dass Menschen lieber zu Hause blieben, sagt Gräwel. Auch der Polizeieinsatz, um den CSD abzusichern, sei grösser und sichtbarer gewesen als in den Vorjahren. «Das war schon ein seltsames Bild.» Letztlich hatten sich etwa 400 Neonazis am Leipziger Hauptbahnhof versammelt. Die Polizei stoppte den Aufmarsch.
Falko Jentsch vom CSD Magdeburg sieht einen Wandel bei entsprechenden Aktionen. Es seien nicht mehr nur «ein paar Halbstarke». Vielmehr organisierten sich die Rechten stärker. Die Bilder aus Bautzen hätten die Verschärfung der Gesamtsituation sichtbar gemacht.
Auch parallel zum CSD in Magdeburg an diesem Samstag sei Gegenprotest angemeldet worden, so Jentsch. Vorab gebe es viele Gespräche mit der Polizei und der Versammlungsbehörde. Eine Polizeisprecherin in Magdeburg bestätigt eine angemeldete Gegenveranstaltung, allerdings ohne Angaben zum politischen Spektrum.
Um den Tag sicherer zu gestalten, so Jentsch, sei als Zubringer eine zweite Demonstration ab dem Hauptbahnhof angemeldet worden. So könnten die Anreisenden zur Hauptdemonstration gelangen. Dennoch sagten vereinzelt Menschen für den Magdeburger CSD ab. Für viele sei die derzeitige Gesamtsituation beängstigend. Ausserdem seien viele Teilnehmer sehr jung, teils erlaubten die Eltern die Anreise in diesem Jahr nicht.
Das berichtet auch Jonas Löschau, der den CSD in seiner Heimatstadt Bautzen schon zum 2. Mal organisiert hat. Für den 24-jährigen Grünen-Stadtrat und Studenten, aber auch für viele andere Queers sind die Anfeindungen von Rechten längst Alltag in der Stadt. «Viele von uns haben Angst davor, alleine rauszugehen, sie überlegen sich, wann und wie und mit wem sie das Haus verlassen, zu welchen Locations man gehen kann, und wie man von da wieder nach Hause kommt», erzählt Löschau gegenüber MANNSCHAFT.
Immer wieder hört er von Leuten, die auf der Strasse angespuckt oder bedroht werden, weil sie Händchen halten oder lackierte Fingernägel haben. «Das schafft natürlich eine Kulisse, die für viele Leute wahnsinnig einschüchternd ist.» Er als CSD-Organisator wurde schon mit der Faust bedroht: «Wir sorgen dafür, dass es der letzte sein wird!» Doch soweit kam es nicht.
In Jena und Plauen, wo am Samstag ebenfalls CSDs stattfinden, ist noch nichts über einen Gegenprotest bekannt. «Darüber sind wir sehr erleichtert», sagt Theresa Ertel vom CSD in Jena, der auf über 5’000 teilnehmende Menschen hofft. Sie selbst sei in Leipzig gewesen und habe die Situation am Bahnhof als sehr beängstigend empfunden.
Früher gab es vor allem Bedrohungen im Internet. Doch seit Neuestem werden diese in einem erschreckenden Masse in aktives Handeln umgesetzt
Matthias Gothe vom Verein QueerWeg in Thüringen sagt: «Früher gab es vor allem Bedrohungen im Internet. Doch seit Neuestem werden diese in einem erschreckenden Masse in aktives Handeln umgesetzt.» In Weimar seien 2023 vier Menschen mit Regenbogenfahnen auf dem Heimweg angegriffen worden (MANNSCHAFT berichtete). Und auch dieses Jahr in Gera oder Sonneberg gab es Pöbeleien. Aus Sicht von Gothe spielt auch der polarisierende Landtagswahlkampf eine Rolle. Der Gegenwind komme nicht nur von Rechtsextremen.
Um die Demonstrationen und Feiern sicher durchführen zu können, sei die Polizei wichtiger Partner, heisst es von den Veranstaltungsteams. Den Polizeieinsatz in Leipzig etwa beschreibt Jentsch vom CSD Magdeburg als «supervorbildlich». Er verweist aber auch auf die Ursprünge des CSD: Am 28. Juni 1969 stürmten in New York Polizisten eine Bar in der Christopher Street. Das löste mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und trans Personen aus. Bis heute erinnert der CSD an deren Rechte – auch wenn das fröhliche Feiern im Mittelpunkt steht.
«Es gibt eine Diskussion innerhalb der queeren Community, ob allein der Einsatz durch die Polizei immer der richtige Lösungsansatz ist, um marginalisierte Gruppen zu schützen», beschreibt Gothe. Die Polizei sei auch ein Abbild der Gesamtgesellschaft mit ihren unterschiedlichen Positionen. Daher gebe es auch Ansätze, mehr auf die aktive Solidarität von unterstützenden Menschen zu setzen.
Falko Jentsch etwa stellt parallel zu den rechten Aktionen eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft fest. Für den Magdeburger CSD hätten sich mehr Vereine und Gruppen angemeldet, die sonst nicht dabei gewesen seien. Beispiele seien die «Omas gegen Rechts» und auch die Organisation «Solidarisches Magdeburg», ebenso unterstützen mehr parteinahe Organisationen den CSD. Ähnliches berichtet Theresa Ertel aus Jena.
Auch in Leipzig sei das sichtbar geworden, erzählt Jasmin Gräwel. Angesichts der Mobilisierung aus der rechten Szene hätten sich noch einmal viel mehr Menschen mit dem CSD in Leipzig solidarisiert. Das Ergebnis: «Das war zahlenmässig der grösste CSD in Leipzig.»
Albstadt liegt auf der pietistischen Schwäbischen Alb, hat nahezu 50’000 Einwohner*innen. Trotzdem hat es dort nie eine queere Bewegung gegeben. Das soll sich mit dem CSD ändern – auch wenn es bereits erste Anfeindungen gab (MANNSCHAFT berichtete).
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