«Unheilbarer» Tripper: Kein Grund zur Panik
Tripper werde immer schwieriger zu behandeln, warnte die WHO im Juli. Sie bemängelt, dass die Entwicklung neuer Medikamente für die Pharmaindustrie finanziell nicht attraktiv genug sei. Für schwule Männer bestehe allerdings kein Grund zur Panik, sagt der Experte gegenüber der Mannschaft.
Antibiotika verlieren beim Tripper immer mehr ihre Wirkung. Die Meldung der Weltgesundheitsorganisation WHO vom 7. Juli sorgte für Unsicherheiten, gehört der Tripper – wie die Gonorrhö landläufig genannt wird – doch zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Beängstigende Schlagzeilen liessen nicht lange auf sich warten: «Dank Oralsex gibt es weltweit immer mehr Fälle von unheilbarem Tripper», titelte vice.com. «Tripper könnte unheilbar werden», schrieb die Huffington Post. In ihrer Pressemitteilung beruft sich die WHO auf eine Studie mit 77 teilnehmenden Ländern. Diese kommt zum Schluss, dass die Krankheit immer schwieriger zu behandeln wird. Teilweise reagieren die Erreger gar nicht mehr auf ein Medikament.
«Die Bakterien, die Gonorrhö verursachen, sind ausgesprochen schlau», schreibt die WHO-Ärztin Teodora Wi in der Pressemitteilung. «Jedes Mal, wenn wir eine neue Klasse von Antibiotika nutzen, um eine Infektion zu behandeln, entwickeln sich die Bakterien weiter und bilden Resistenzen.»
«Eine Gonorrhö heilt immer von alleine aus. Die Frage ist nur wann.»
Dr. med. Axel J. Schmidt, Epidemiologe
Tripper ist nicht unheilbar Keinen Anlass zur Panik sieht Dr. med. Axel J. Schmidt, Epidemiologe am Bundesamt für Gesundheit und ehemaliger Leiter der Sprechstunde für sexuell übertragene Krankheiten an der Klinik für Infektiologie am Kantonsspital St. Gallen. Die Meldung der WHO «hat aktuell überhaupt keine Relevanz für schwule Männer», wie Schmidt gegenüber der Mannschaft sagt.
Als sexuell aktiver Mann muss man also keine Angst haben, an einem unheilbaren Tripper zu erkranken. «Eine Gonorrhö heilt immer von alleine aus. Die Frage ist nur wann. Vor allem im Rachen und im Enddarm bleiben die Bakterien häufig lange bestehen, da sie dort keine oder nur milde Symptome verursachen. Was es zu verhindern gilt, ist die Weitergabe an Sexualpartner.» Der Tripper hat nur selten Folgeschäden und ist im Gegensatz zur Syphilis keine chronische Krankheit. «Komplizierte Fälle von Gonorrhö sind bei Männern sehr selten und hängen oft mit einer unzureichenden medikamentösen Behandlung zusammen.»
Fehlender finanzieller Anreiz Warum also die Angstmacherei? «Es ist überaus wichtig, die Pharmakonzerne zur Entwicklung neuer Antibiotika aufzufordern», sagt Schmidt.
In der Tat bemängeln die Verfasser*innen der Pressemitteilung den Fortschritt der Forschungsentwicklung im Bereich der Gonorrhö-Antibiotika. Gerade mal drei neue Medikamente befinden sich nach Angaben der WHO in klinischen Testphasen. Ein Grund dafür ist die fehlende finanzielle Attraktivität für die Pharmaindustrie, wenn es um die Entwicklung neuer Antibiotika geht. «Im Gegensatz zu chronischen Krankheiten ist die Behandlungszeit relativ kurz», heisst es in der Pressemitteilung. «Mit der Bildung von Resistenzen werden Medikamente weniger wirksam, sodass ein konstanter Nachschub an neuen Medikamenten notwendig ist.»
Antibiotikaresistenz in drei Ländern Resistenzen bei Erregern entstehen nach Angaben der WHO vor allem bei älteren und billigeren Medikamenten. In Frankreich, Japan und Spanien sind einzelne Fälle von Tripper bekannt, die auf keine verfügbaren Antibiotika ansprechen. Diese Fälle aus wohlhabenderen Ländern «bilden wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs», so Dr. Wi, «da in ärmeren Ländern, in denen der Tripper sogar weiter verbreitet ist, oft keine Meldepflicht für nicht behandelbare Infektionen besteht».
Gemäss Angaben der WHO erkranken rund 78 Millionen Menschen pro Jahr am Tripper – Tendenz steigend. Auch in der Schweiz nimmt die Zahl der Fallmeldungen zu. Im Vergleich zum Vorjahr stieg sie 2016 um über einen Viertel auf fast 2500 Fälle.
Für die steigende Verbreitung macht Dr. Wi die sinkende Nutzung von Kondomen, die Verstädterung, die erhöhte Mobilität der Menschen sowie unentdeckte Infektionen verantwortlich. «Der Tripper wird beim direkten Kontakt der Schleimhäute übertragen, das heisst sowohl beim Vaginal- und Analverkehr als auch beim Oralverkehr. Kondome bieten nur bedingt Schutz», so Schmidt. Deshalb sei es bei entsprechenden Sexualpraktiken wichtig, sich bei wechselnden Partnern regelmässig auf Gonorrhö testen zu lassen.»
Gemäss Angaben der WHO erkranken rund 78 Millionen Menschen pro Jahr am Tripper.
Der Befall der Harnröhre führt in der Regel zu eitrigem Ausfluss und Schmerzen beim Urinieren. Neben den Geschlechtsorganen und dem Rektum können die Erreger aber auch den Rachen infizieren. Da 90 % aller Männer, die sich im Rachen oder Enddarm mit Tripper infiziert haben, keinerlei Symptome aufweisen, ist es für Männer, die blasen, rimmen oder beim Analverkehr passiv sind, unumgänglich, sich regelmässig auf Tripper testen zu lassen, «und zwar so, dass Infektionen im Rachen und im Enddarm auch entdeckt werden können, und das ist nur mit einem entsprechenden Abstrich möglich».
Resistenzen ein «ernstes Problem» Obwohl der Tripper keine chronische Krankheit ist und in kurzer Zeit behandelt werden kann, darf die Gefahr von resistenten Erregern nicht unterschätzt werden. «Antibiotikaresistenzen im Allgemeinen sind ein ernstzunehmendes Problem», sagt Schmidt. Eine Ursache für die Bildung von Resistenzen ist unter anderem ein übermässiger oder unsachgemässer Einsatz von Antibiotika – nicht nur beim Menschen, sondern auch in der Massentierhaltung.
Mit der Verabschiedung der Nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen StAR im November 2015 will der Bundesrat zum einen die Wirksamkeit von Antibiotika möglichst langfristig erhalten. Zum anderen sollen die Verbreitung und die Entstehung von Resistenzen verhindert werden. Zu den Massnahmen, die von mehreren Bundesämtern in Zusammenarbeit mit den Kantonen umgesetzt werden, zählen unter anderem der sorgfältigere Einsatz und reduzierte Verbrauch von Antibiotika.
Tripper: Behandlung mit zwei Antibiotika Wer den Verdacht hat, sich mit Tripper infiziert zu haben, soll sich zügig an eine Fachperson wenden. Axel J. Schmidt empfiehlt den Besuch einer Klinik, die sich auf Geschlechtskrankheiten spezialisiert hat, zum Beispiel eines Checkpoints. Die Guidelines für die Behandlung von Tripper haben sich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Um eine ausreichende Wirkung sicherzustellen, wird mit zwei Antibiotika behandelt, meist durch die Einnahme von Tabletten und die Verabreichung einer Spritze. Wer keine Spritze erhält, sollte kritisch nachfragen, denn dann ist wahrscheinlich, dass eine ältere Guideline zur Anwendung kommt.
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