Trans Hass und Morddrohungen: Darts-Spielerin van Leuven bei der WM

Die Niederländerin lässt sich nicht unterkriegen

Bekommt Kritik und Hass ab: Trans Frau van Leuven vor ihrem WM-Debüt.
Noa-Lynn van Leuven (Bild: dpa/Shane Healey)

Noa-Lynn van Leuven hat ein bewegendes Jahr hinter sich. Sie ist die erste trans Frau, die bei der Darts-WM antritt. Auf dem Weg dorthin gab es jede Menge Gegenwind.

Die Niederländerin wurde mit Morddrohungen, Rücktritten und Boykott konfrontiert.

Was Noa-Lynn van Leuven in den vergangenen zwölf Monaten passiert ist, erleben andere Athlet*innen in einem ganzen Leben nicht. Bei der Darts-WM in London wird die 28 Jahre alte Niederländerin nun im ganz grossen medialen Fokus stehen, wenn sie als erste trans Frau überhaupt auf der grössten Darts-Bühne der Welt im Alexandra Palace von London antritt

Bevor sie am Dienstag (14.30 Uhr/Sport und DAZN) gegen den Niederländer Kevin Doets spielt, gingen dutzende Interviewanfragen quer durch Europa bei ihr ein. Van Leuven macht kein Geheimnis aus ihrer Geschichte und ihrem in höchstem Masse aufgeladenen Jahr 2024.

Offen erzählt sie von Nachrichten, die sie in den vergangenen Monaten bekam. «Jemand schrieb mir: Wenn du meinem Mädchen auf die Damentoilette folgst, werde ich dich umbringen. Solche Nachrichten führen dazu, dass ich mich neulich am Flughafen gefragt habe: Okay, beobachtet mich vielleicht jemand? Könnte genau diese Person irgendwo in der Nähe sein? Das ist schrecklich», sagte van Leuven im Sport1-Podcast «Checkout».

Der Grund für die Drohungen? Van Leuven ist nach abgeschlossener Geschlechtsangleichung bei der Women's Series aktiv und hat auf diesem Weg auch ihr WM-Ticket gelöst. Die Reise nach London war gepflastert von Eklats, Widerständen und jeder Menge Kritik. Andere Spielerinnen fühlten sich durch ihre Teilnahme um ihre Ally-Pally-Chance gebracht.

Deta Hedman, selbst ehemalige WM-Starterin, trat zu einem Spiel gegen van Leuven nicht an und begründete dies später via X: «Dieses Thema sorgt für viel Angst in dem Sport, den ich liebe. Die Menschen können im Leben sein, wer immer sie wollen, aber ich denke nicht, dass biologisch geborene Männer im Frauensport antreten sollten.»

Van Leuvens Start ist den Richtlinien der PDC entsprechend regelkonform, da ihre Transition bereits 2022 abgeschlossen war. Doch Hedman war nicht die einzige Athletin, die sich an van Leuven in der Frauenklasse störte. So waren Anca Zijlstra und Aileen de Graaf aus Protest aus der niederländischen Nationalmannschaft zurückgetreten (MANNSCHAFT berichtete).

Der Hass im Netz wuchs, immer mehr Ärger führte zu schweren persönlichen Beleidigungen gegen die Niederländerin. «Ich respektiere ihre Haltung, nicht mit einer trans Frau in einem Team spielen zu wollen. Aber das Thema wurde so riesengross, die Medien haben es noch grösser gemacht», sagte van Leuven über Zijlstra und de Graaf.

Die 28-Jährige selbst spricht zwar offen über ihre Persönlichkeit, ihre Jugend und auch ihre Gefühle vor und während der Transition, mit Angriffen oder verbalen Retourkutschen hält sie sich aber zurück. Das übernimmt dafür Matt Porter, Geschäftsführer der PDC. Als van Leuven immer stärker dem öffentlichen Hass ausgesetzt war, sagte er: «Der Abschaum, der Noa-Lynn entgegengeschleudert wurde, ist völlig inakzeptabel.» Porter sieht es als Aufgabe seines Verbandes, dafür zu sorgen, «dass es ihr psychisch gut geht».

Ein Grossteil ihrer männlichen Kollegen stützt van Leuven. Besonders von Ex-Weltmeister Michael van Gerwen bekam sie viel Zuspruch. Kommentator Elmar Paulke bewertet van Leuvens WM-Premiere positiv. «Ich empfinde die Haltung als wunderbar. Die sagen, Darts ist etwas für jeden. Ich finde das total klasse», sagte Paulke der dpa.

Der Experte sieht darin auch einen riesigen Entwicklungsschritt des einst in der verrauchten Kneipe entstandenen Spiels mit den Pfeilen. «Darts ist ja eigentlich ein Sport der Arbeiterklasse, der jetzt homosexuellen oder trans Frauen offen gegenüber ist. Das ist toll», sagte Paulke.

Im Vergleich zur Corona-Zeit scheint die PDC diesmal die Krisenkommunikation besser zu beherrschen. Für den Verband ist van Leuven aber – abseits von all dem gegen sie gerichteten Hass – auch ein Glücksfall.

Die erste trans Frau bei der WM ist eine weitere Geschichte, die dem boomenden Event in der sonst sportarmen Zeit zusätzliche Aufmerksamkeit garantiert. Ähnlich wie das Debüt des damals 16-jährigen Teenagers Luke Littler im Vorjahr oder der erste Sieg einer Frau von Fallon Sherrock im Dezember 2019.

Diesmal könnte es für die PDC mehrere grosse Aufmerksamkeitsschübe geben: Besiegt van Leuven Gegner Doets, wäre sie nicht nur die erste siegreiche trans Frau, sondern würde in WM-Runde zwei auf Ex-Weltmeister Michael Smith aus England treffen. Die Ansetzung bis Weihnachten hat die PDC bereits veröffentlicht: Beide Partien würden zur Primetime am Abend ausgetragen. Für Sichtbarkeit wäre also gesorgt.

Fotograf Marc Martin und trans Darsteller Jona James stellen Fragen zum Thema Männlichkeit. Die diversen Antworten werden in kraftvollen Bildern fernab der üblichen Rollenklischees gezeigt (MANNSCHAFT berichtete).

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