«The Inspection» – Ein schwuler Schwarzer beweist sich im Bootcamp
Der schwule Filmemacher Elegance Bratton im Interview
Von seiner homophoben Mutter wurde er rausgeschmissen und landete auf der Strasse, also suchte Elegance Bratton sein Heil irgendwann mit dem Mut der Verzweiflung beim Militär, bevor er später Regisseur wurde.
Die Monate im Marine-Bootcamp hat er nun in seinem eindrucksvollen Debütfilm «The Inspection» (ab jetzt im Kino) verarbeitet, mit einem exzellenten Jeremy Pope (aus der Netflix-Serie «Hollywood») in der Hauptrolle, der dafür prompt für den Golden Globe nominiert wurde (MANNSCHAFT berichtete). Wir trafen den Filmemacher zum Interview beim Filmfest München, für das er mit seinem Ehemann und Produzenten Chester Gordon Ende Juni einige Tage in Bayern verbrachte.
Mr. Bratton, war Ihnen immer klar, dass Sie Ihre eigene Geschichte eines Tages in einen Film verwandeln würden? Als ich es nach meiner Zeit bei den Marines doch noch aufs College schaffte, dachte ich zunächst darüber nach, ein Buch zu schreiben. Aber dann stellte ich fest, dass meine deutlich jüngeren Kommilitoninnen durch Social Media einer enorm visuellen Generation angehörten. Um die zu erreichen, erschien mir ein Film die bessere Option.
Hatten Sie keine Angst, dass die Auseinandersetzung mit einigen Ihrer Erfahrungen Sie re-traumatisieren könnte? Doch, und tatsächlich gab es in den drei Jahren, die ich an dem Drehbuch arbeitete, auch Momente, die mich ziemlich heruntergezogen haben. Aber ich habe das nicht ausschliesslich als Re-Traumatisierung erlebt, sondern als hilfreichen Indikator dafür, was womöglich noch nicht verheilt ist.
Ehrlich gesagt fand ich die erneute Auseinandersetzung mit meiner Biografie sogar sehr wichtig. Und ich habe mir auch Mühe gegeben, dass meine Erfahrungen auch auf andere Menschen nun im Kino nicht traumatisierend wirken. Deswegen liegt der Fokus des Films darauf, dass alles, was ich mit meiner Mutter und dann im Bootcamp erlebt habe, mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin.
War die Arbeit mit Gabrielle Union, die nun Ihre Mutter verkörpert, letztlich also sogar heilsam? Unbedingt. Im Februar 2020 bekamen wir grünes Licht für «The Inspection» und zwei Tage später wurde meine Mutter von meiner Halbschwester umgebracht. Das traf mich auch deswegen schwer, weil meine Motivation als Filmemacher immer auch war, etwas zu schaffen, dass ihr die Tür öffnet, zurück in mein Leben zu treten. Das war einer der Gründe, warum ich Gabby in dieser Rolle besetzte.
Meine Mutter und ich hatten vor ihrem Tod sehr lange nicht gesprochen, aber Gabby war immer ihre Lieblingsschauspielerin. Ich dachte immer, dass sie mitbekommen würde, wenn sie von der verkörpert wird, und sich daraus vielleicht wieder ein Dialog ergeben würde. Dazu kam es dann leider nicht. Aber ich bin Gabby sehr dankbar, dass sie meine Mutter noch einmal zum Leben erweckt hat und mir in gewisser Weise die Möglichkeit gab, meinen Frieden mit ihr zu machen.
Und was machte Jeremy Pope zum idealen Darsteller Ihres Alter Egos? Vor allem ist er einfach ein unglaublich talentierter Schauspieler. Es ist noch nicht lange her, dass Filmemacher Vorbehalte hatten vor Musical-Darstellern vom Broadway. Aber ich fand immer schon, dass die Leute echt etwas draufhaben, die es schaffen, zweimal pro Tag diese komplex durchchoreografierten Stücke auf die Bühne zu bringen. Und nicht umsonst war er zweifach für den Tony nominiert.
Ich habe ihm von Beginn an gesagt, dass er nicht mich spielen soll, sondern die Figur Ellis French, die ich geschaffen habe. Die basiert auf meinen Erfahrungen, aber hat bewusst Leerstellen, die Jeremy füllen sollte. Was er weit über meine Erwartungen hinaus getan hat. Abgesehen davon, dass er mir eine echte Stütze war in der komplizierten Trauer um meine Mutter, die mich beim Dreh immer wieder überkam. Dank ihm war ich in diesem Prozess nie allein.
Ihre Biografie als queerer schwarzer Mann ist ziemlich einzigartig. Die wenigsten im Publikum werden Ihre Erfahrungen teilen… Das ist auch gar nicht nötig. Ich habe diesen Film gedreht für alle, die sich jemals missachtet fühlten oder denen gesagt wurde, sie seien nicht genug. Das erleben in irgendeiner Form die meisten irgendwann in ihrem Leben mal, wenn auch vielleicht in einer weniger extremen Form. Ich hoffe, dass «The Inspection» eine Art Inspiration und Anleitung sein kann, wie man sich selbst lieben lernt, wenn die Welt einem sagt, man sei nicht gut genug.
«Ich weinte Nacht für Nacht um ihn» – Wenn Herzen schmerzen: Mitch wurde von seinem Mann verlassen, Marcel hat zwei Jahre vergeblich gewartet, Sophie hat ihre erste Liebe als trans Frau verloren und Thomas seinen besten Freund. Jede Trennungsgeschichte ist so einzigartig wie der Liebeskummer selbst (MANNSCHAFT+).
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