«Shwule Grüsse vom Balkan» (15) – Ein Gespräch mit Gott

Das göttliche Update zur Schöpfung

Foto: Pixabay
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In Kroatien ist alles schief gegangen, was sich Aleks Mutter vorgestellt hatte. Währenddessen hat Gott eine ziemlich lange Leitung.

Was bisher geschah …

Bogdanas Plan mit der Konversionstherapie in Medjugorje war ein Schuss in den Beichtstuhl: Ihr Spross Aleks hat dort einen angeblich geheilten Ex-Gay mit Pater Elias in Sünde erwischt und seine Mutter schockiert, indem er den sündigen Coitus interrumpierte und ihn ihr offenbarte.

Auf der Rückfahrt zum Hotel kann es Aleks nicht lassen, seine Mutter weiter zu foppen: «Ich hatte übrigens auch was mit dem Pfarrer. Am FKK-Strand. War geil.» Bogdanas Blut schiesst ihre Backen hoch und endet in einem pulsierenden Strom in der Stirnvene, worauf sie sich am Lenkrad des Mietwagens festkrallt: «Willst du mich komplett fertigmachen?»

Einem Tränenausbruch nahe übersieht sie die nächste Serpentine. «Mama, die Kurve!», brüllt Aleks. Dann rumst es: Das Auto stürzt eine Böschung hinunter, überschlägt sich und landet auf einer Weide eines Ziegenzüchters. Eine dumpfe Stille erfasst den Unfallort, ab und zu unterbrochen vom Gluckern und Zischen unterhalb der Motorhaube des Wagens. Bogdana ist bewusstlos, während Aleks in Trance ein Gespräch mit Gott beginnt.

«Hallo, wer bist du? Bist du es, Gott? Bin ich etwa tot?»

Keine Antwort.

Aleks versucht es erneut, weil ihn eine Frage besonders quält: «Gott, hörst du mich? Wenn ja: Findest du, Shwule sollten in der Hölle schmoren, weil sie deiner Weisung nach nicht folgen: Sie befruchten sich zwar, aber das mit dem Mehren … du weisst schon?»

Wieder nichts.

«Mein Gott, du bist ja wie die Hotline eines Telekom-Anbieters – ich warte mir einen Wolf!», enerviert sich Aleks sogar im komatösen Zustand. Eine gefühlte Ewigkeit später erklingt eine sanfte Stimme, die zwischen seinen Ohren hin- und herwabert: «Ich bin für dich da, Aleks – wie immer.»

«Sagt jemand, der mich in der letzten Serpentine links liegen liess …», frotzelt Aleks. Da ertönt ein grummelnder Seufzer: «Auch ich bin nicht unfehlbar: Als ich damals mit meinem stolzen Adam begann, hätte ich mir nie ausgemalt, dass Jahrtausende später mal ein Adolf mein Werk derart zerstören würde.»

Zurück zu uns Shwulen: Warum bekämpfen uns die Menschen?

«Etwas naiv für jemanden, der mal einen Propheten ein Meer teilen oder seinen Sohn übers Wasser gehen liess, findest du nicht?», provoziert Aleks weiter. «Ich war gutgläubig», verteidigt sich die unbekannte Stimme. Aleks lacht herzhaft, bis er den stechenden Schmerz wegen seiner gebrochenen Rippe spürt: «Zurück zu uns Shwulen: Warum bekämpfen uns die Menschen, vor allem die Gläubigen? Bist du auch dieser Meinung?»

Schweigen.

«Reden ist Silber, Schweigen ist Gott, was?», stichelt Aleks weiter. «Sind wir denn wirklich so schlecht?» Die sanfte Stimme kommt erneut auf: «Einst wies ich die Menschen an, ihre Nächsten zu lieben wie sich selbst. Aber selbst die zehn Gebote treten sie täglich mit Füssen: Sie verbreiten Fake News, verbrennen den Amazonas oder bringen andere Menschen um. Neben der Auferstehung sollte die Wiedergeburt ein Vehikel sein, um die Törichten im nächsten Leben zur Erleuchtung zu bringen.»

Auch das hat nicht gefunzt.

«Und wie stehst du nun zu uns Shwulen? Du hast die Liebe unter Männern ein paar Stellen vor der Nächstenliebe in der Bibel verboten.» Aleks will es nun wissen, weil er immer mehr zu sich kommt und befürchtet, keine abschliessende Antwort zu erhalten. «Ja, mein ursprüngliches Konzept steckt voller unberechenbarer Variablen: Ich meine, Abraham lebte auch viel länger als der menschliche Durchschnitt von heute. Darum habe ich das Leben gekürzt. Aber ihr Menschen arbeitet mit eurem Fitness- und Medizinwahn nun wieder dagegen. Ihr Shwulen seid mein Update zur Schöpfung sowie mein Reminder der göttlichen Vielfalt und Nächstenliebe.»

Aleks kommt langsam zu sich, spürt die dalmatinische Hitze und brüllt vor Schmerzen. Da eilt auch schon der Ziegenzüchter heran und klopft nervös an die Scheibe: «Ich hole gleich Hilfe.»

*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-­Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic

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