Selbstversuche, Studentenpartys, Sex – Die Blattkritik von Frank Richter

Der Comedian hat «Neon» gelesen

Frank Richter durchforstet die Medienlandschaft nach den wahren Perlen unter den Zeitschriften. Seine satirische Analyse erschien jeweils in der Printausgabe von Mannschaft Magazin.

Mit Neon verbindet mich eine Hassliebe. Einerseits habe ich dank der Zeitschrift neue Musik und interessante Persönlichkeiten entdeckt, andererseits auch meine Beziehung ruiniert. Vor einigen Jahren lautete die Titelgeschichte nämlich: So rettest du deine Beziehung! Ich habe mich damals an die Tipps gehalten, die Liebe ging trotzdem den Bach runter. Der verdammte Verlag schuldet mir also noch CHF 6.90. Gut, dass ich nicht nachtragend bin.

Neon erscheint monatlich. Das Heft ist in Rubriken wie Liebe, Politik oder Wissen unterteilt. Gemäss Wikipedia sind die Kernzielgruppe von Neon Menschen zwischen 20 und 35 Jahren mit hohem Bildungsstand und überdurchschnittlichem Einkommen. Ich lese die Zeitschrift trotzdem gerne. Entdeckt habe ich das Heft während meines Studiums. Das ist sechs Jahre her. Neon und ich haben gemeinsam viele Zugfahrten unternommen, regnerische Sonntage totgeschlagen, und manchmal half mir die Zeitschrift auch dabei, nasse Schuhe wieder trockenzu­kriegen.

Zumindest er hat für die Liebe sein letztes Hemd gegeben. (Bild: Scan aus Neon)
Zumindest er hat für die Liebe sein letztes Hemd gegeben. (Bild: Scan aus Neon)

Kurz nach dem Studium wurde ich Neon jedoch untreu. Einerseits fehlte mir die Zeit zum Lesen. Andererseits hatte ich keine Lust mehr auf Rubriken wie «unnützes Wissen», in der kuriose Fakten aufgelistet werden (95 Prozent der Spinnen in unseren Häusern waren noch nie draussen). Auch Reportagen über die Generation Praktikum waren mir egal. Ich hatte meine Praktika ja gerade abgeschlossen. Und dann war da noch die Sache mit meiner Beziehung, die Neon nicht retten konnte. Die Zeitschrift und ich trennten uns. Zu Unrecht, muss ich heute gestehen.

2016. Ich halte mein erstes Neon seit drei Jahren in den Händen. Print ist mittlerweile noch uncooler geworden, Zeitschriften haben weiter an Leserzahlen eingebüsst. Aber Neon weiss noch immer zu begeistern. Fast tut es mir ein wenig leid, dass ich das Heft so lange hab links liegen lassen. In der Oktober­ausgabe macht Ashton Kutcher in einem dreiseitigem Interview Promo für seine neue Netflix-Show «The Ranch» und verrät zwischendurch Privates. Die Irakerin Aga sagt, wie sie dank Basketball dem starren Rollenbild ihres Landes entgehen und die Welt entdecken will. Und ein Neon-Autor fragt Experten, wie er sein Erinnerungsvermögen steigern kann.

Viele Texte sind aus der Ich-Perspektive geschrieben. Und das ist für mich der grosse Minuspunkt. Durch den Essaystil erhält man nicht immer die Informationen, die einem im Titel versprochen werden. Viele interessante Themen werden nur oberflächlich abgekanzelt. Dabei handelt es sich dann um einen Einblick in die Gedankenwelt des Autors. Gedanken, die nicht zwangsläufig reflektiert sein müssen. Quasi wie diese Kolumne, einfach über mehrere Seiten ausgewalzt. Immerhin wird das Ganze mit schönen Fotos angereichert. Fotos von Menschen, die nicht wie Models aussehen, sondern wie der nette WG-Bewohner von nebenan.

«Viele Texte sind aus der Ich-Perspektive geschrieben. Und das ist für mich der grosse Minuspunkt.»

Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz. Die aktuelle Titelgeschichte lautet: Gib alles für die Liebe! Fünf Autoren erzählen, was sie für die Liebe alles geopfert haben. Einige haben ihren Job aufgegeben, andere sind ins Land des Partners gezogen. Die Botschaft ist simpel. Für die Liebe zu kämpfen, lohnt sich eigentlich immer. Das wollte mir das Heft schon vor fünf Jahren weismachen. Hat aber nicht geklappt. Möglicherweise muss die Liebe zwischendurch einfach mal komplett abflachen, um danach wieder neu zu entflammen. Wie meine Liebe für Neon.

Kaufempfehlung für …

Studenten, WG-Bewohner, hoffnungs­lose Romantiker.

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