«So einen Blödsinn wie Zölibat machen wir hier nicht»

Ein schwuler Priester in Edinburgh: Markus Dünzkofer

Markus Dünzkofer (Foto: Kriss Rudolph)
Markus Dünzkofer (Foto: Kriss Rudolph)

Seit sechs Jahren ist der gebürtige Franke Markus Dünzkofer Priester in Edinburgh und hat eine Menge erreicht. Unter anderem traute er in seiner Kirche das erste schwule Paar in ganz Grossbritannien.

Markus, was hat dich nach Schottland verschlagen? Ich war im Rahmen meines Studiums schonmal für ein Jahr hier. Später folgte ein Stipendium in den USA, wo ich acht Jahre blieb. Nach acht weiteren Jahren in Kanada kam ich 2013 nach Edinburgh, und ich muss sagen, ich habe mich in Schottland verliebt. (es hat einen großen Charme, wie Markus Edinburgh ausspricht: Er sagt „Eedingburch“, als wäre es eine Stadt in Norddeutschland.)

Bevor du damals Deutschland verlassen hast, hast du dich noch bei deinen Eltern geoutet. Ja, aber ich weiss nicht, was der grössere Schock für meine Familie war: dass ich Pfarrer werden will oder dass ich schwul bin .. Es war wohl der Berufswunsch Pfarrer.

Seit du in Edinburgh bist, hat sich eine Menge verändert. Du hast das erste schwule Paar in Grossbritannien getraut. Ich war 2017 der erste anglikanische Priester hier. Dazu muss man wissen: Die Landeskirchen der Anglikanischen Kirche sind ähnlich der Evangelischen Kirche in Deutschland relativ autonom mit eigenem Kirchenrecht. Darum können wir auch Dinge tun, bei denen man sich als grosse Kirche recht schwertut. 2015 finden wir an, unser Kirchenrecht zu ändern; das dauerte eine Zeitlang. 2017 folgte dann die endgültige Abstimmung, und wir hatten eine Stimme Mehrheit. Ab September konnten wir gleichgeschlechtliche Trauungen durchführen.

Premiere in Schottland: Schwules Ehepaar darf Kind mit Leihmutter kriegen

Das war sicher ein besonderer Moment. Es war für mich schon sehr emotional. Schwule Paare habe ich vorher schon gesegnet, aber man musste immer an einer Stelle aufhören, weil es nicht gleichgestellt war. Ab jetzt konnte man den ganzen Gottesdienst durchziehen. Es gab in der Anglikanische Kirche auch vorher schon schwule Trauungen, in USA, aber die hatten ihr Kirchenrecht nicht so geändert wie wir. Ich hatte auch mal ein schwules Brautpaar aus Amerika, die hätten auch zu Hause heiraten können, aber die wollten unbedingt nach Schottland wegen der Atmosphäre, weil es hier so schöne Schlösser und Kapellen gibt.

Die unter 40-Jährigen verstehen die Diskussion überhaupt nicht. Die Ehe für alle finden die ganz natürlich.

Wie kam die Eheöffnung damals in deiner Gemeinde an? Es gibt eine Frau, von der ich weiss, die überlegte, deswegen auszutreten .. aber sie blieb. Ansonsten muss man sagen: Die unter 40-Jährigen hier in Schottland verstehen die Diskussion überhaupt nicht. Dass es eine gleichgeschlechtliche Ehe gibt, finden die ganz natürlich.

Musst du zolibatär leben? (lacht verschmitzt) Wenn ich einer schwulen Kneipe sitze und mich als Priester oute – und ich muss sagen, es ist für mich mittlerweile leichter, schwul in einer Kirche zu sein, als Priester in einer homosexuellen Bar zu sein .. Wenn ich also jemandem erzähle, ich bin Priester, wandern immer die Augenbrauen nach oben. Und ich sage dann: Ich darf Sex haben.

St. John in Edinburgh, hier ist Markus Dünzkofer Rektor Foto: Kriss Rudolph)
St. John in Edinburgh, hier ist Markus Dünzkofer Rektor Foto: Kriss Rudolph)

In England darf man als Priester eine gleichgeschlechtliche Beziehung haben, auch in einer eingetragenen Partnerschaft sein, aber offiziell keinen Sex haben. So einen Blödsinn haben wir in Schottland gar nicht erst gemacht.

Die Gemeinde hat kein Problem mit dir? Auch wenn die Leute liberal sind, ist es wohl einfacher für sie, dass ich Single bin und keinen Partner habe. Edinburgh ist kein Ort, wo man offen über alles spricht . . . Das Nicht-Vorhandensein eines Partners hilft da. So können die Menschen den Gedanken von zwei Männern im Bett ausblenden. Schon aus dem Grund würde ich mir einen Partner wünschen – und aus 1000 anderen Gründen (lacht).

Wie planst du deine berufliche Zukunft? Letztes Jahr war ich Finalist in der Bischofswahl für Edinburgh, aber ich habe es nicht gekriegt. Nicht weil ich aus meiner Kirche wegwollte, sondern weil ich die Stelle spannend fand.

Wärst du der erste schwule Bischof gewesen? Kommt drauf an, wen man fragt (verschmitztes Grinsen). Wir hatten zuletzt drei Bischofswahlen, und es war fast immer mindestens ein offen schwuler Kandidat dabei.

2016 hat Grossbritannien für den Brexit gestimmt. Das läuft gerade mehr als chaotisch. Falls es aber soweit kommt: Kannst du bleiben? Hier in Schottland sind wir beim Brexit-Votum aus allen Wolken gefallen. Es gab es keinen einzigen Wahlkreis, der für den Brexit gestimmt hätte. Zwei Drittel der Schotten waren gegen den Austritt, in Edinburgh sogar 75 %. Was mich angeht: Ich habe seit August 2018 meine ständige Aufenthaltsgenehmigung und bin mir zu 90 % sicher, dass ich hier bleiben will. Nur an schlechten Tagen, wenn Theresa May wieder was Negatives über uns EU-Ausländer sagt, zweifle ich.

2014 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich statt: Es wurde abgelehnt. Ich habe damals auch mit Nein gestimmt. Ich dachte, warum soll man was auflösen, was doch eigentlich ganz gut läuft? Ausserdem hiess es: Wenn die Schotten unabhängig werden, müssen sie erst wieder die EU-Mitgliedschaft beantragen und den ganzen Prozess durchlaufen, das kann Jahre dauern. Heute würde ich vielleicht auch für die Unabhängigkeit stimmen.

Wie hat sich die Stimmung im Land verändert? Schon nach dem Votum wurde gewarnt, dass etwa LGBTIQ-Rechte nach einem Brexit leiden könnten. Es gibt mehr offene Ausländerfeindlichkeit, durch einen starken englischen Nationalismus. Aber es gibt auch eine dunkle Seite des schottischen Nationalismus, die zu Tage tritt. Oft ist man auf der Suche nach Sündenböcken. Ganz persönlich sehe ich aber auch die Gefahr, dass es gegen LGBTIQ-Leute gehen kann nach einem Brexit.

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren