Rabbiner vergleicht Jerusalem-Pride-Teilnehmer*innen mit «wilden Tieren»

Shlomo Amar beklagt, dass bei der Jerusalem Pride auch gläubige Menschen teilnahmen. Für ihn ein «Gräuel», für das er die Todesstrafe nicht ausschliesst

Shlomo Amar bei einer offiziellen Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung Jerusalems, 2017  (Foto: יעקב / Wiki Commons)
Shlomo Amar bei einer offiziellen Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung Jerusalems, 2017 (Foto: יעקב / Wiki Commons)

Israel machte zuletzt Schlagzeilen wegen der Bildung einer neuen Regierung, die ein breites politisches Spektrum von ganz links bis extrem rechts umschliessen soll. Was «rechts» und «ultraorthodox» bedeutet, verdeutlichen Äusserungen des Rabbiners Shlomo Amar zur Pride-Parade in Jerusalem letzten Donnerstag.

Der ehemalige Oberrabbiner der sephardischen Juden von Israel predigte letzte Woche und verglich dabei die LGBTIQ-Community mit «wilden Tieren», wie The Times of Israel berichtet. Wörtlich hiess es demnach: «Sie haben die Gräuel-Parade abgehalten und sind darauf auch noch stolz. […] Nicht mal wilde Tiere benehmen sich so.»

Laut Amar hätte das Land einen Punkt von «Schmach, Erniedrigung und Korruption» erreicht, «wo Menschen, die sich religiös nennen und Kippa tragen» offen an solch einer Veranstaltung teilnehmen. «Wenn sie wenigstens die Kippa abnehmen würden, wenn sie doch Schweinefleisch essen würden, anstelle von solchen Handlungen», sagte der 72-Jährige.

Das Logo des Jerusalem Open House
Das Logo des Jerusalem Open House

Der Direktor des Jerusalem Open House for Pride and Tolerance, Alon Shachar, kontert: «Der Oberrabbiner von Jerusalem hat sich entschieden, gegen die LGBT-Community zu hetzen und diese zu erniedrigen, statt eine Botschaft der Toleranz und Inklusion zu senden. Das Gräuel ist nicht die Parade, sondern die Amtszeit von Amar und die repressiven Positionen, die er zum Ausdruck bringt.»

Posten mit Steuergeldern finanziert Laut Sachar gebe es «keinen Platz im öffentlichen Leben Israels» für einen Oberrabbiner mit solchen Ansichten, schon gar nicht für jemanden, dessen Job mit Steuergeldern finanziert werde. Sachar lud Amar ein, nächstes Jahr bei der Pride mitzumarschieren. Es wäre wichtig, dass geistige Führer wie Rabbi Amar sich engagierten, Menschen zusammenzubringen mit Liebe «statt sie mit Hass anzustacheln». (MANNSCHAFT berichtete über die offizielle Förderung lokaler LGBTIQ-Zentren durch die israelische Regierung.)

Laut Rabbi Amar seien die Teilnehmer der Parade «in eine Falle» getappt. Für ihn wäre es besser, die Homosexuellen würden ihre Kippas abwerfen und sich nicht mehr an den Sabbat halten, sondern ihr «wahres Gesicht» zeigen – «mit ihren Leibern, die sich gegen das jüdische Volk versündigt haben», so Amar.

Bei der Jerusalem Pride marschierten letzten Donnerstag rund 7000 Menschen mit und forderten in Sprechchören Gleichberechtigung bzw. drückten mit Bannern und Schildern ihre Unterstützung für die LGBTIQ-Community aus. Yaki Lopez von der Israelischen Botschaft in Berlin erinnerte auf Twitter daran, dass Jerusalem die einzige Hauptstadt im Nahen Osten sei, in der die LGBTIQ-Community «offen und frei» marschieren könne. Trotzdem mussten mehr als 3.000 Polizist*innen das Event schützen, nachdem es vor sechs Jahren einen tödlichen Angriff gegeben hatte.

Von Extremist niedergestochen Die diesjährige Parade begann deswegen auch mit einem Gemeinschaftsgebet für Shira Banki, die 2015 von einem ultraorthodoxen Extremisten erstochen worden war beim Pride-Marsch; sie war damals 16 Jahre alt (MANNSCHAFT berichtete).

Eine Erinnerungswand für Shira Banki in einer Schule, die 2015 eingerichtet wurde (Foto: Liadmalone / Wiki Commons)
Eine Erinnerungswand für Shira Banki in einer Schule, die 2015 eingerichtet wurde (Foto: Liadmalone / Wiki Commons)

Der Marsch von 2,5 Kilometern Länge eröffnete letzte Woche die Pride-Saison in Israel. Für die LGBTIQ-Community in Jerusalem ist er ein Höhepunkt des Jahres, auch wenn er von religiösen und politischen Spannungen überschattet ist und im Schatten der offensichtlicher LGBTIQ-freundlichen Metropole Tel Aviv mit eigener Pride steht.

Zur Erinnerung: Amar hat sich auch schon in der Vergangenheit radikal zu Queers geäussert. In einem Zeitungsinterview sagte er einmal, dass homosexuell zu sein ein «Kult des Grauens» sei und verlangte die Hinrichtung von Menschen, die daran teilnehmen, auf Basis jüdischer Religionsgesetze.

Denn: «Dies ist die vorderste Front der schweren Sünden.» In einer weiteren Predigt verkündete er, dass Menschen, die genderneutrale Toiletten an öffentlichen religiösen Stätten forderten schlimmer als Holocaust-Leugner seien. Im Jahr 2015 – also parallel zur Attacke auf Shira Banki – sagte Amar, er glaube fest daran, dass Homosexualität «dahinschwinden» würde und irgendwann ganz weg sein werde, weil die Mehrheit der Bevölkerung davon «angewidert» sei und sie «verabscheuen» würde, wie es in einem Artikel von Pink News heisst. Auch die Times of Israel verweist auf frühere Kommentare Amars zu religiösen Homosexuellen.

Wie sich die neue israelische Regierung zu solchen Positionen verhalten wird, bleibt abzuwarten. Einen Einblick ins Leben von schwulen bzw. bisexuellen ultraorthodoxen Juden in Jerusalem gibt der preisgekrönte Film «Du sollst nicht lieben» von Haim Tabakman aus dem Jahr 2009 (MANNSCHAFT berichtete über den Film).

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