Queere Räucherfiguren für den nächsten Advent?
Bisher qualmen im Erzgebirge nur Männer
Chemnitzer Student*innen schicken sich an, die Dominanz der Räuchermänner im erzgebirgischen Kunsthandwerk zu brechen. Räuchern künftig verstärkt weibliche und queere Figuren in der Weihnachtszeit?
Mit der Gitarre auf dem Rücken lehnt die blonde Musikerin lässig am bunten Schornstein. Aus ihm steigt dünner Rauch auf. «Empowerella» haben Chemnitzer Studierende ihre Holzfigur genannt, die an Nina Kummer von der Indie-Pop-Band «Blond» erinnert. Sie ist eine von vier Kreationen, mit denen sie die Dominanz der Räuchermänner im traditionellen erzgebirgischen Kunsthandwerk aufmischen wollen. Dazu rücken die Student*innen Frauen und Randgruppen in den Fokus.
Wer zu Hause die eigenen Weihnachtssachen anschaue, werde rasch feststellen: Frauen sind bei den Räucherfiguren sehr unterrepräsentiert, erläuterte Kulturwissenschaftlerin Melanie Hühn. In ihrem Masterseminar der TU Chemnitz hätten sich die Student*innen zunächst mit Themen wie Tradition, Gender, Stereotype und Repräsentation auseinandergesetzt. Dabei besuchten sie Museen und Volkskunstwerkstätten. Mit einigen Gruppen haben sie sich dann intensiver befasst und zum Abschluss eigene Räucherfiguren konzipiert. Ihre Ideen wurden dann vom Holzspielzeugmacher Markus Weber in Schneeberg umgesetzt.
Neben «Empowerella» sind drei weitere Figuren entstanden: eine queere Räucherfigur, die eine Regenbogen-Fahne schwenkt, eine vietnamesische Pflegefachkraft und eine kritische Professorin. «Technische Universitäten wie hier in Chemnitz sind in der Regel sehr männerlastig», erklärte Hühn. Die Figur solle daher Frauen in der Wissenschaft würdigen.
Queere Räucherfiguren seien ihm bisher nicht bekannt, erklärte Frederic Günther, Geschäftsführer des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller, auf Anfrage. Doch sei es im erzgebirgischen Kunsthandwerk Brauch, gesellschaftliche Veränderungen aufzugreifen und sich augenzwinkernd mit Autoritäten auseinanderzusetzen. Jüngste Beispiele sind etwa die Figur eines Klimaklebers und die eines Kiffers. Wichtig sei dem Verband neben der regionalen Herkunft, dass die Qualität stimme, betonte Günther. So gibt es inzwischen auch einige weibliche Nussknacker*innen.
Frauen spielen seinen Angaben nach in den Werkstätten eine wichtige Rolle. So seien im Beruf des Holzspielzeugmachers in den vergangenen Jahren mehr junge Frauen ausgebildet worden als Männer. Dadurch ziehe in die Werkstätten auch ein moderneres Bild von Mann und Frau ein als in früheren Generationen.
Und zum Ruhm des Kunsthandwerks der Region haben Frauen massgeblich beigetragen. Die wohl bekannteste Werkstatt wurde einst von Grete Wendt und Margarete Kühn gegründet – weltweit bekannt für ihre Elfpunkte-Engel.
Doch warum gibt es weniger Räucherfrauen als -männer? Viele Figuren stellten Berufsbilder dar, die männerdominiert sind oder waren, erklärte Hühn. Förster, Jäger oder Bergmänner etwa. Zudem sei das Pfeiferauchen – typisches Merkmal einer Räucherfigur – eher Männersache gewesen. Günther nennt noch einen anderen Grund, der für die Werkstätten eine wichtige Rolle spielt: Räuchermänner würden stärker nachgefragt als Räucherfrauen.
Und wie geht es nun weiter mit den modernen Figuren der Chemnitzer Student*innen? Sie sind bisher Unikate. Zusammen mit den Ergebnissen des einjährigen Projekts «The Smoking Chemnitzer*in» werden sie dieses Wochenende in einer kleinen Schau auf dem Chemnitzer Brühl gezeigt. «Vielleicht findet sich auch eine Manufaktur im Erzgebirge, die Interesse hat, sie in Serie zu produzieren», sagte Hühn.
Dann könnten sie nächstes Jahr, wenn Chemnitz und die Region als Kulturhauptstadt Europas Gäste aus dem In- und Ausland anlocken, manchem Besucher*innen auch als Andenken dienen, so ihre Hoffnung.
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