Neues kirchliches Arbeitsrecht – Gut für LGBTIQ?

Foto: Henning Kaiser/dpa
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«Vielfalt als Bereicherung»: Die Deutsche Bischofskonferenz feiert das neue kirchliche Arbeitsrecht als grossen Erfolg für Diversität. Dabei konnten die Bischöfe wohl gar nicht mehr anders. Reformbewegungen sehen höchstens einen «Teilerfolg».

Von Britta Schultejans und Angelika Resenhoeft, dpa

Vor knapp einem Jahr outeten sich 125 Beschäftigte der katholischen Kirche in einer beispiellosen Aktion als queer und forderten ein Ende zumindest der arbeitsrechtlichen Diskriminierung (MANNSCHAFT berichtete). Jetzt haben sich die katholischen Bischöfe der 27 Diözesen in Deutschland nach monatelangen Diskussionen auf ein neues Arbeitsrecht geeinigt. Am Dienstag verabschiedeten sie in Würzburg eine entsprechende Änderung der sogenannten «Grundordnung des kirchlichen Dienstes». Diese ist arbeitsrechtliche Grundlage für etwa 800’000 Arbeitnehmer*innen in der katholischen Kirche und der Caritas.

Bislang konnte es diese Arbeitnehmer nämlich den Job kosten, wenn sie sich beispielsweise zu einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bekannten – oder wenn sie nach einer Scheidung wieder heirateten. Damit soll nun Schluss sein. «Explizit wie nie zuvor wird Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt», teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit.

«Alle Mitarbeitenden können unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein.» Bedingung allerdings: «eine positive Grundhaltung und Offenheit gegenüber der Botschaft des Evangeliums».

Viel anderes blieb den katholischen Oberhirten aber wohl auch gar nicht mehr übrig. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller nennt die Bischöfe «Getriebene der staatlichen Arbeitsgerichte, die ihnen die bisherigen Instrumente der arbeitsrechtlichen Sanktionierung, insbesondere mit Blick auf die persönliche Lebensführung längst aus der Hand geschlagen haben». Die «lange Zeit kirchenfreundliche Rechtsprechung» sei durch die europäischen Gerichte ausgebremst worden, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Mechthild Heil, Bundesvorsitzende der Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), nennt den Schritt einen «Meilenstein für alle Angestellten in der Kirche». Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, spricht von einem «Paradigmenwechsel». Reformbewegungen äussern sich dagegen eher zurückhaltend.

«Die Neufassung, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung jetzt keinen rechtlichen Bewertungen mehr unterliegt, war mehr als notwendig, ist aber wohl auch der Personalnot geschuldet», sagt «Wir sind Kirche»-Sprecher Christian Weisner. «Dies bedeutet hoffentlich ein Ende von Diskriminierungen und ein Ende der Heimlichtuerei aus Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes zum Beispiel für geschiedene wiederverheiratete Paare oder homosexuell lebende Menschen.»

Die Reformbewegung «#OutInChurch», die sich wohl auf die Fahnen schreiben kann, die Entwicklungen mit ihrer Outing-Aktion im Januar dieses Jahres zumindest beschleunigt zu haben, will nur von einem «Teilerfolg» sprechen. «Es wäre deutlich mehr drin gewesen», sagt #OutInChurch-Sprecher Rainer Teuber der dpa. «Es ist erstmal mehr als nichts, aber es kann auch bestenfalls nur als Teilerfolg gewertet werden.»

Teuber kritisiert vor allem, dass trans oder nicht-binäre Menschen nicht konkret genannt werden. «Der Blick in die Schlafzimmer entfällt zwar», sagte Teuber. Unklar sei aber beispielsweise, was kirchenfeindliches Verhalten sein soll, das zu einer Kündigung führen könne. Vieles, sagt er, bleibe schwammig und Auslegungssache.

Die Artikel der Grundordnung bilden die Grundpfeiler der kirchlichen Arbeitsverfassung. Sie gelten für etwa 800 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der katholischen Kirche und der Caritas. Sie ist allerdings eigentlich nur eine Empfehlung und wird erst dann rechtlich bindend, wenn sie im Bistum verabschiedet wurde.

Der Teufel steckt im Detail.

«Ich gehe nun davon aus, dass Kontrolle und Sanktionierung von Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst an diesem Punkt Vergangenheit sind», sagt die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. «Stattdessen übernimmt die Kirche selbst die Verantwortung dafür, dass die Institution als christlich wahrgenommen wird. Dieser Paradigmenwechsel ist wichtig.» Ein Wermutstropfen sei es, dass der Austritt aus der Kirche weiterhin sanktioniert werden soll. Teuber von «#OutInChurch» sagt: «Der Teufel steckt im Detail.»

Lamya Kaddor, Grünen-Sprecherin für Innen- und Religionspolitik, erklärte: «Wir begrüssen, dass die katholische Kirche mit diesem Beschluss einen wichtigen Schritt hin zu einem inklusiven, fairen und zeitgemässen Arbeitsrecht für 800.000 Mitarbeiter*innen vollzieht. Dieser Schritt war überfällig und ist auch ein Verdienst von #OutInChurch, die durch ihr Engagement auf eine Reform hingearbeitet haben.

Kirchliche Arbeitgeber*innen müssten aber nun zeigen, dass sie es mit der neuen Grundordnung ernst meinen: Insbesondere die weiterhin sanktionierbare ‹kirchenfeindliche Betätigung› darf nicht als Mittel dienen, um auf Umwegen Mitarbeiter*innen für ihre persönliche Lebensführung zu sanktionieren. Es bedarf gerade auch im Hinblick auf trans und inter Mitarbeiter*innen weiterer Schritte der Gleichstellung.

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