Mottopartys: «Eine Schwulensauna muss mit der Zeit gehen»
Von Swinger-Abenden mit Heteros und von der Nachbarin, die die Sauna mit der Waschküche verwechselt
Ein Abend für alle Geschlechter oder nur für alle unter 30: Unter anderem mit Mottopartys will Jeffrey Doss, Betreiber der Mann-o-Mann-Sauna in St. Gallen, dem Wandel der Generationen Rechnung tragen.
Am 26. Juni fand in der Zürcher Kweer Bar der erste Pinktalk statt, organisiert von Pink Cross. Für die Premiere der neuen Talkreihe lud der Schweizer Dachverband der schwulen, bi und queeren Männer Jeffrey Doss ein, Geschäftsführer der Mann-o-Mann Sauna in St. Gallen. Dabei handelt es sich um den Schwesterbetrieb der Zürcher Sauna Moustache, die Ende 2023 aufgrund eines auslaufenden Mietvertrags schliessen musste (MANNSCHAFT berichtete).
Während einer Dreiviertelstunde plauderte Doss aus dem Nähkästchen. Die Sauna befindet sich in einem Wohnblock etwas ausserhalb des Stadtkerns von St. Gallen. So habe sich einmal die neue Nachbarin mit dem Wäschekorb in die Sauna verirrt, weil sie die Waschküche nicht gefunden hatte. Auch gebe es ab und zu heterosexuelle Geschäftsleute auf der Durchreise, die Mann-o-Mann mit einer konventionellen Sauna verwechseln und sich dann mit dem Badetuch um die Hüfte bei der Bar erkundigen, ob sie in einer Schwulensauna gelandet seien. «Die Reaktionen sind immer positiv», sagt Doss. «Sie sind meist überrascht, wie sauber und gemütlich es bei uns ist. Das Klischee der schmuddeligen Schwulensauna existiert leider immer noch.»
Die Mann-o-Mann-Sauna in St. Gallen profitiert als einzige Schwulensauna in der Region von einem grossen Einzugsgebiet. Der nächste Betrieb ist in Zürich, Stuttgart oder in München – im österreichischen Vorarlberg gibt es keinen. Doch das allein reiche nicht, so Doss. «Wir müssen mit der Zeit gehen», sagt er. «Die nächsten Generationen werden offener, der Druck ist da.»
Die Mann-o-Mann-Sauna verfügt über eine wöchentliche «Youngster Night» mit einem ermässigten Eintrittspreis für Männer unter 30. Doch Doss ging noch einen Schritt weiter und führte eine «Youngster Night XXL» ein, die alle drei Monate stattfindet – inklusive DJ. Männer über 30 haben an diesem Abend gar keinen Zutritt. «Es war eine mutige Entscheidung», sagt Doss. Es gehe dabei weniger ums Sexuelle, sondern ums Partymachen. «Der Mehrheit gefällt es, vor allem den Jungen. Sie kommen mittlerweile aus der ganzen Ostschweiz, aus Deutschland und aus Österreich.» Die Party ist so beliebt, dass es einen Vorverkauf gibt – nicht selten ist die Party ausverkauft.
Für diese Aktion musste Doss aber auch vereinzelte Kritik einstecken, darunter auch Beschimpfungen der älteren Kundschaft. Bei ihr kam die «Fish & Chips»-Party ebenfalls schlecht an – eine Mottoparty, die für alle Geschlechter offen ist, unter anderem auch für Frauen, trans und nicht-binäre Personen sowie für heterosexuelle Swingerpaare. «Die Gegenwehr kam vor allem von den Älteren, die sagten, dass das Mann-o-Mann doch eine Schwulensauna sei und weshalb wir ‹die Frauen reinlassen›», sagt er.
Nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie sei der Druck der Generationen eine Herausforderung, dem man sich als Saunabetreiber stellen müsse, so Doss. Er ist Teil eines Netzwerks von über 50 deutschen und Schweizer Schwulensaunen, die im regelmässigen Austausch miteinander stehen. Der 36-Jährige gehört dabei zu den Jüngsten. «Wenn wir als Saunabetreiber nicht schauen, dass wir die nächsten Generationen in den Laden bekommen, haben wir irgendwann ein Problem, dass wir keine Gäste mehr haben, weil alle weggestorben sind», sagt er. Bei einigen älteren Betreibern im Netzwerk bestehe der Wunsch, die Sauna zu verkaufen. «Sie sind über 65, finden aber keinen, der sie übernehmen will. Warum? Weil die Gäste genauso alt sind wie der, der aufhören will. Und dann frage ich mich als potenzieller Käufer: Was soll ich noch 15 Jahre mit diesen Gästen, wenn es keine Jungen mehr gibt?»
Wichtig sei auch, dass junge Besucher sich in der Sauna wohlfühlten, so Doss weiter. Wenn man ihnen mit Events wie den «Youngster Night» die Hemmungen nehmen könne, so würden sie auch während dem Normalbetrieb vorbeikommen. «Zudem tolerieren wir keine Belästigungen. Wer sich nicht daran hält, kriegt Hausverbot», sagt Doss.
Bei der Fragerunde gab es kritische Stimmen aus dem Publikum. Eine Person störte sich an der Bezeichnung «Fish & Chips» für den gemischten Abend. Eine andere Person kritisierte den Ausschluss von trans Männern während des Normalbetriebs. Doss gab zu, dass im Normalbetrieb der Mann-o-Mann-Sauna immer noch die Devise «No dick, no entry» gilt. «Es ist nicht einfach. Bei den Jüngeren ist es kein Thema, bei den Älteren ist es wirklich noch ein Problem», sagt er. «Wollen wir uns noch schwul ausrichten? Sind wir noch eine Männersauna oder nicht? Das sind Fragen, die wir uns aktuell überlegen.»
Eine andere Stimme aus dem Publikum bedauerte das Wegfallen der Moustache-Sauna in Zürich und wollte wissen, ob eine Neueröffnung geplant sei. Man sei weiterhin auf der Suche, so die Antwort von Doss. «Die Idee ist nicht gestorben, wir suchen weiterhin Locations», sagt er. «Wir möchten jedoch einen Standort in Zürich, an dem wir die nächsten 40 Jahre wirtschaften können, da spielt auch der Preis eine Rolle.»
Mehr: Mord bei schwulem Onlinedate? Prozess gegen Berliner (57) beginnt (MANNSCHAFT berichtete)
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