«Man würde sich wundern, wer alles im Fussball homosexuell ist»
Der schwule Schiri Igor Benevenuto ist in der Branche nicht allein
Der FIFA-Schiedsrichter Igor Benevenuto hat sich im Juli als schwul geoutet (MANNSCHAFT berichtete). Nun legt er nach: Jeder Dritte sei in der Fussball-Profibranche schwul oder bisexuell.
Bei seinem Coming-out sagte Benevenuto, dass 99,9 Prozent der Homosexuellen in der Fussballwelt im Verborgenen leben. Er forderte: «Wir existieren und verdienen das Recht, darüber zu sprechen und normal zu leben.»
Nun legt der 41-Jährige nach: Wenn man alle Beteiligten – Funktionäre, Trainer, Spieler, Schiedsrichter – zusammennähme, dann seien 30 bis 40 Prozent homosexuell, bisexuell oder hatten mal etwas mit einem Mann, so der Brasilianer im Interview mit dem Spiegel. «Man würde sich wundern, wer alles in dieser Branche homosexuell ist.»
Benevenuto hatte sich in einem Podcast als erster FIFA-Schiedsrichter als schwul geoutet. Für die WM in Katar stand er auf der Liste der potenziellen Videoschiedsrichter, doch er wurde nicht nominiert. «Ich glaube daran, dass eine WM auch die Chance zur Verbesserung bietet. Vielleicht können sich Sitten und Regeln ändern», sagte er zu dem umstrittenen Turnier, das im November beginnt (MANNSCHAFT berichtete).
Er habe lange geglaubt, Homosexualität sei eine Krankheit wie Alkoholismus, die man besiegen könne. «Ich litt unter Depressionen und durchlebte dunkle Stunden, abends betete ich zu Gott: Erlöse mich von der Krankheit!»
Seine Homosexualität sei vor seinem Coming-out in der Szene bereits ein offenes Geheimnis gewesen, sagte Benevenuto. Er sei regelmässig Opfer von Beleidigungen vonseiten der Fans und Club-Verantwortliche geworden.
Es sollte nicht einfach aus dir herausbrechen, dann könnte der Schaden grösser sein als der Nutzen.
Um nicht mit dem «Schwulen-Image» in Verbindung gebracht zu werden, habe er darauf verzichtet, das Finale eines queeren Fussball-Turniers zu pfeifen. «Sie überzeugten mich, es nicht zu tun, weil es keine gute Idee sei.»
Ob er anderen Menschen nun auch zu einem Coming-out raten würde, hänge von der jeweiligen Situation und vom Umfeld desjenigen ab. «Es sollte nicht einfach aus dir herausbrechen, dann könnte der Schaden grösser sein als der Nutzen. Ich habe lange gebraucht, um zu mir selbst zu finden», sagte Benevenuto. «Es ist ein Prozess, aber wenn du es geschafft hast, dann kannst du – um im Fussballjargon zu bleiben – frei aufspielen. Ich wünsche allen, dass sie sich befreien können. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als für andere und nicht für sich selbst zu leben.» (mit dpa)
Nach seinem homophobem Ausfall gibt es keine Sperre für den Luzerner Torwart Marius Müller: Der 29-Jährige kommt mit einem blauen Auge davon (MANNSCHAFT berichtete).
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