Liebe, Sex und Drogen auf über 1100 Seiten

Einer unserer Buchtipps: Nina LaCour «Wilde Minze»

Symbolfoto: Unsplash
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Nina LaCours erster Roman für Erwachsene ist ein Buch der Sinne darüber, was wir hinter uns lassen und was uns wieder einholen kann.

Das Genre: Coming-out/Coming-of-Age-Roman. Normalerweise gähne ich inzwischen bei diesen Stichworten, aber diesmal – so schön, so warmherzig, eine Freude.

Der Inhalt: Sara und Emilie lernen sich im noblen Restaurant «Yerba Buena», also Wilde Minze kennen. Emily kümmert sich als Floristin um die Blumen im Lokal – Sara ist Barkeeperin. Es ist Liebe auf den ersten Blick, auch wenn sie nicht sofort zusammen sein können. Beide tragen ganz unterschiedliche Geschichten mit sich herum.

Sara ist mit 17 nach Los Angeles geflohen, um ihrer weissen Kleinstadt und deren Drogensumpf zu entkommen und musste dabei ihren kleinen Bruder zurücklassen. Emilie stammt aus einer gutbürgerlichen kreolischen Familie. Doch ihre Schwester macht immer wieder einen Entzug durch. Beide haben in der Grossstadt ein Zuhause und dann einander gefunden. Aber die Geister der Vergangenheit lassen nicht so einfach locker und Sara fährt ohne Emilie zurück in ihre Heimatstadt. Kann ihre Liebe bestehen?

Das Fazit: Ein sinnliches Buch in jeder Hinsicht. Der Duft der Blumen, der Geschmack der Cocktails, die Farben, die Berührungen – diesen Roman konnte ich mit so vielen Sinnen lesen, wie keinen davor. Ich wage nicht zu sagen, die Geschichte sei schön, denn das ist sie nicht. Aber sie ist echt, sie ist pur und lebendig und manchmal eben auch so nah am Leben, dass es weh tut.

Roman, Ullstein, 336 Seiten Milena Leutert vom Buchladen Queerbooks hat «Wilde Minze» für dich gelesen.

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Das Buchcover von « Wilde Minze» von Nina LaCour
Das Buchcover von « Wilde Minze» von Nina LaCour

Bryan Washington – An einem Tisch Cam hat die Liebe seines Lebens verloren und hadert mit allem und baut eine unüberwindbare Mauer um sich auf. In Houston trifft er auf seinen alten Jugendfreund TJ, der immer noch im kleinen Restaurant seiner Eltern arbeitet, als Koch. Der warmherzige und hartnäckige TJ holt Cam wieder ins Leben zurück, bindet ihn ins Familiengeschäft ein und bringt ihn wieder zum Kochen. Wie sagt man so schön: Liebe geht durch den Magen.

Wir finden: Es ist Bryan Washingtons zweiter Wurf nach seinem Romandebüt «Dinge, an die wir nicht glauben», das in den USA ein Bestseller wurde und als TV-Serie verfilmt wird. In «An einem Tisch» erforscht Washington die komplizierte Natur von Trauer und Liebe: zart, melancholisch und intim. Die drei tragenden Themen sind Essen, Familie und Sex. Stilistisch bleibt er sich treu. Doch empfanden wir bei der Lektüre nicht das gleiche flüssige und beeindruckende Leseerlebnis wie bei seinem Debüt.

Roman, Kein & Aber, 368 Seiten

Das Buchcover von « An einem Tisch» von Bryan Washington
Das Buchcover von « An einem Tisch» von Bryan Washington

Kes Otter Lieffe – Von wo wir kommen werden Krisen haben Europa zerrüttet. Der Zerfall der Wirtschaft fordert neue Sündenböcke und marginalisierte Menschen wurden verbannt, darunter auch Queers. Ash und Pilar, ehemalige Anführerinnen der Widerstandsbewegung, leben selbstversorgend im Wald. In der Stadt hält sich Tänzer Danny über Wasser, Beamtin Nathalie cruist nachts heimlich im Park nach Frauen. Doch das Leben der Community wird erneut bedroht.

Wir finden: Wenn Kes Otter Lieffe über Netzhautscanner und das Aussterben von Kaffee schreibt, dann klingt das erschreckend realistisch. Die Pandemie und die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten haben uns vor Augen geführt, wie anfällig unsere Wirtschaft ist und wie schnell sich Menschen gegeneinander wenden. «Von wo wir kommen werden» ist ein dystopischer Roman, der trans Frauen und Sexarbeiter*innen in den Mittelpunkt rückt. Teilweise vorhersehbar und schulaufsatz-ähnlich geschrieben, bietet das Buch dennoch eine erfrischende und fesselnde Erzählung. Roman, W_Orten & Meer, 428 Seiten

Das Buchcover von « Von wo wir kommen werden» von Kes Otter Lieffe
Das Buchcover von « Von wo wir kommen werden» von Kes Otter Lieffe

Ed Firth – Horny & High In welches Regal? Zum Beispiel zu den gesammelten Werken von Tom of Finland – einer von Ed Firths Inspirationsquellen, wie er selbst verrät. Oder zu weiteren autobiografisch gefärbten Comics zwischen Dokumentation und Fiktion wie Howard Cruses «Stuck Rubber Baby», Sophie Campbells «Wet Moon», Ralf Königs Alben über Konrad und Paul, Natascha Vollenweiders «Zurück in die Heimat».

Wie sieht es aus? Lange Zeit zeichnete Ed Firth Porträts, wie er in einem Interview mit Joe Stone in dessen Podcast «WIP» erzählte, – und das ist zu sehen: Gesichter sind seine Spezialität und lassen auf den ersten Blick an die «Dylan Dog»-Illustrationen von Claudio Villa und Angelo Stano denken. Die klare Strichführung, die eher klaren Schattierungen und sehr pointiert gesetzten Farbflächen erinnern aber auch an Hugo Pratt (Corto Maltese) und die Gemeinschaftsproduktionen der Brüder Gabriel Bá und Fabio Moon.

Um was geht es? Um das Leben, den Tod, Sex und Drogen. Oder vielleicht eher: um Drogen, Sex, Tod. Und das Leben, das den Ich-Erzähler der drei Kurzgeschichten immer wieder überrascht. Zum Beispiel mit der unerwarteten Nettigkeit eines Mitreisenden im titelgebenden «Nachtbus», der ihn nach einer Ansammlung von unglücklichen Umständen (Exfreund, Alkohol, Diebstahl, Kotzerei) für eine Nacht und Morgensex mit zu sich nimmt. Auch die unverhoffte, kurzzeitige Nähe zu einem der Teilnehmer einer Chemsex-Party in der zweiten Kurzgeschichte «Chill-out» ist ungeplant, zieht aber fatale Konsequenzen nach sich. So kommt es auch, dass die Ablehnung in der letzten Kurzgeschichte mit dem schönen Emoji-Titel «🎵» schon fast als ein Entkommen und damit mögliches Happy End gelesen werden kann.

Wie finden wir es? So rigoros, klar und detailliert hier Körper, Sex, Drogen – und Sex auf Drogen – dargestellt werden, zwischen den Zeilen schwebt eine Art Melancholie. Um sie nicht fühlen zu müssen, kann diese, vor sich selbst als Wagemut maskiert, zum Auslöser der nächsten riskanten Leichtsinnigkeit werden. Das macht «Horny & High» trotz der ebenfalls dargestellten Härte zu einer offen-, aber auch warmherzigen Sammlung von Lebens­momenten.

– Simone Veenstra

Männerschwarm Verlag, Softcover, 56 Seiten, 20 Euro, aus dem Amerikanischen übersetzt von Timm Stafe

Das Buchcover von « Horny & High» von Ed Firth
Das Buchcover von « Horny & High» von Ed Firth

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