LGBTIQ-Diskriminierung in Rumänien jetzt beim Europarat
Die Kommissarin für Menschenrechte setzt sich für eine rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren ein
Die Menschenrechtskommissarin des Europarates Mijatović erklärt, dass das Fehlen einer rechtlichen Anerkennung für schwule und lesbische Paare in Rumänien eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung darstellt. Nächstes Jahr soll der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Florin Buhuceanu (49) und Victor (32) sind seit fast sechs Jahren zusammen. Als im Jahr 2018 ein Referendum in Rumänien stattfand, um das bereits bestehende Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in der Verfassung zu verankern, kämpften die beiden dagegen. Das Referendum scheiterte schliesslich aufgrund einer zu geringen Wahlbeteiligung (MANNSCHAFT berichtete).
«Ich bin froh, dass wir zu der Niederlage beitragen konnten», erklärt Florin gegenüber MANNSCHAFT. Er ist Präsident von ACCEPT, einer rumänischen Nichtregierungsorganisation, die sich in Rumänien für LGBTIQ einsetzt. «Wir sind eine Familie, die in diesem Land leben will – trotz der Tatsache, dass Rumänien uns weiterhin ignoriert und uns als unvereinbar mit seinen Werte und Traditionen behandelt.»
Alle Vorschläge zur Anerkennung einer Eingetragenen Partnerschaft sind seit 2008 gescheitert. Zusammen mit anderen queeren Paaren und Familien haben er und Victor jetzt beschlossen, nicht mehr darauf zu warten, dass die Politiker*innen im rumänischen Parlament zu ihren Gunsten entscheiden. «Das Ergebnis wäre angesichts des erheblichen Einflusses der dominanten rumänisch-orthodoxen Kirche sehr vorhersehbar gewesen.» Als Victor sich vor seiner Familie outete, in der Kirche, wurde er dafür aus seiner Adventgemeinde ausgeschlossen.
Den Sammelfall haben sie jetzt direkt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Denn, sagt Florin: «In Rumänien verbietet das Gesetz nicht nur, dass unsere Familien gesetzlich anerkannt sind, sondern auch Familien, die in anderen Ländern legal anerkannt werden.»
Der Fall Buhuceanu und Ciobotaru wurde Anfang 2020 vom Europäischen Gerichtshof in Straßburg zugelassen. Die Möglichkeit zu intervenieren ist in diesem Monat abgelaufen.
Anfang der Woche hat die Kommissarin ihre schriftlichen Bemerkungen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum Fall Florin Buhuceanu und Victor Ciobotaru gegen Rumänien sowie zu 12 weiteren Fällen veröffentlicht, die sich auf das Fehlen eines rechtlichen Rahmens für die Anerkennung stabiler gleichgeschlechtlicher Beziehungen beziehen.
Gleichgeschlechtliche Paare sind Teil der Vielfalt von Familien Dunja Mijatović, in Sarajevo geboren und 2018 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Kommissarin für Menschenrechte gewählt, betont, dass stabile gleichgeschlechtliche Paare mit oder ohne Kinder Teil der reichen Vielfalt der Familien sind, aus denen unsere Gesellschaften bestünden – unabhängig davon, ob ein Staat sie anerkennt oder nicht.
Es ihnen mangels einer solchen Anerkennung jedoch untersagt, ihr Recht auf Privat- und Familienleben, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 8) garantiert ist, uneingeschränkt zu geniessen. Dies hab erhebliche Auswirkungen auf ihr tägliches Leben.
Mijatović betont, dass Staaten gleichgeschlechtlichen Paaren im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine wirksame und nichtdiskriminierende rechtliche Anerkennung in Form von standesamtlichen Eheschliessungen oder Eingetragenen Partnerschaften gewähren sollten. Eine solche Anerkennung müsse einen klaren und vorhersehbaren Rahmen bieten und umfassend genug sein, um die Bedürfnisse eines Paares in einer stabilen Beziehung in allen Lebensbereichen abzudecken.
Die Kommissarin hebt den wachsenden Konsens in Europa in dieser Frage hervor. Derzeit bieten 30 der insgesamt 47 Mitgliedstaaten des Europarates (auch die Schweiz und Grossbritannien gehören dazu) gleichgeschlechtliche Paare in der einen oder anderen Form rechtlich an. Sie weist darauf hin, dass das Fehlen eines Konsenses auf nationaler Ebene nicht als gültiges Argument angesehen werden kann, um gleichgeschlechtlichen Paaren die rechtliche Anerkennung zu verweigern.
Mijatović kommt zu dem Schluss, dass «der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz erfordert, dass gleichgeschlechtlichen Partnern die rechtliche Anerkennung zur Verfügung steht» und dass «das Fehlen einer rechtlichen Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung darstellt».
Grundsätzlich ist die Situation für LGBTIQ angespannt. «Rumän*innen akzeptieren und behandeln LGBTIQ nicht gleichwertig. Selbst von der jüngeren Generation wollen 60 % diese Minderheit nicht als Nachbarin haben», erklärte Florin schon vor zwei Jahren. Laut dem Eurobaromenter war nur jede*r dritte Rumän*in dafür, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Menschen dieselben Rechte haben sollten wie alle anderen.
«Natürlich freuen wir uns, dass die Menschenrechtskommissarin des Europarates unseren Fall befürwortet», sagt Florin. «Sie hat auf diese Weise Geschichte geschrieben. Es ist das erste Mal, dass sie dies explizit und eindeutig durch eine solche Intervention zugunsten von LGBTIQ-Familien tut.»
Hoffen auf internationale Unterstützung Er und sein Partner erwarten eine positive Entscheidung des Gerichtshofs im nächsten Jahr und hoffen auf internationale Unterstützung, um Druck auf die rumänischen Behörden auszuüben, die Entscheidung umzusetzen. Daneben bereiten sie nach und nach ein Museum zur Erhaltung der rumänischen LGBTIQ-Geschichte und -Kultur vor.
«Wenn wir wirklich in einem Europa mit gemeinsamen Grundwerten leben, dann sollten unsere Familien geschützt werden, egal wo wir leben, in Rumänien, Deutschland, Portugal oder in Island», sagt Florin. «Schritt für Schritt werden wir Erfolg haben!»
Der Weg führt also mal wieder über die Gerichte. Der Rumäne Adrian Coman ist mit dem US-Amerikaner Clai Hamilton verheiratet – die liessen sich einst in Belgien trauen. Doch die rumänischen Behörden weigerten sich, dem Ehemann eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Die beiden zogen bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und bekamen Recht (MANNSCHAFT berichtete).
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