«Sind wir nicht alle ein bisschen kinky?»
Wie ein lesbisches Paar aus der Schweiz BDSM lebt
Nora und Daniela leben seit zwei Jahren in einer Dom/Sub-Liebesbeziehung. Mit MANNSCHAFT+ sprechen sie über die Lust an der Kontrolle und der Unterwerfung und die «drei Säulen» von BDSM.
Kink kann, um nur einige Beispiele zu nennen, sowohl die Lust an Fesselspielen, Rollenspielen, Fetischen, als auch Praktiken des BDSM-Spektrums umfassen («Bondage, Discipline, Dominance und Submission, Sadism und Masochism»). Kurz gesagt: Kinky ist alles, was über den sogenannten Blümchensex hinausgeht.
Wir wollen wissen, was Frauen dazu bewegt, sich der Lust auf ausgefallenere sexuelle Spielarten hinzugeben. Was bringt sie dazu sich unterwerfen zu wollen? Was bewegt sie dazu Dominanz auszuüben? Welchen Reiz übt das Spiel mit diesem Machtgefälle auf sie aus? Diesen Fragen wollen wir nachgehen.
MANNSCHAFT sprach mit Nora, 45, und Daniela, 41 (beide Namen wurden von der Redaktion geändert). Beide leben in einer Stadt der Zentralschweiz und sind seit zwei Jahren in einer Dom/Sub-Liebesbeziehung (Anm: dominant bzw. submissive = unterwürfig) miteinander. Nora nimmt den dominanten Part (auch Top genannt) ein, Daniela den devoten (Bottom).
Bei Nora ist es schon mehrere Jahr her, als sie das erste Mal merkte, dass ihre eigene sexuelle Persönlichkeit noch mehr Facetten aufzeigt. Eine Ex-Freundin führte sie spielerisch in diese spezielle Welt der Erotik ein.
Ähnlich begann es auch mit ihrer jetzigen Partnerin, berichtet Nora schmunzelnd. Es war während einer körperlichen Begegnung, «relativ harmlos», mit dem ersten Klapps auf den Po ihrer Frau. Die habe sofort darauf reagiert, und ihr sehr deutlich gezeigt, dass sie für diese Form der «Berührung» sehr empfänglich sei. Nora sprach ihre Liebste darauf an, und beide beschlossen ihr Liebesspiel auszuweiten: Handschellen, zuerst noch aus Plüsch, eine Augenbinde und ein «Paddle» zogen in ihr Schlafzimmer ein (Anmerk.: ein Schlaginstrument mit schmalem Griff und einer breiteren Schlagseite). Ursprünglich wurde dieses «Züchtigungsinstrument» in Schulen genutzt.
Nach und nach erweiterte sich beim Liebesspiel ihr Repertoire: Flogger (Peitschen), Fesselgeschirr aus Leder, Fuss-Spreizstangen, und etliches mehr, erfüllten ihre beidseitigen Wünsche und Fantasien. Beide waren sehr experimentierfreudig, und genossen ihre Lust aufeinander auf einer anderen Ebene.
Nora merkt an, dass die offene Kommunikation, eine solide Vertrauensbasis und gegenseitiges Einverständnis unabdingbar für ausgefallenere Liebesspiele seien. Unbedingt notwendig sei auch das sogenannte «Safeword»: Sobald es genutzt werde, sei das Spiel sofort beendet. Doch es sei auch möglich ein Zeichen zu vereinbaren, wenn das Sprechen, etwa durch einen Mundknebel, verhindert sei.
Wenn ich mit meinem Schatz spiele, empfinde ich eine ganz eigene Art der Konzentration und eine ganz besondere Form der Lusterfüllung
Welcher Reiz liegt darin, eine Partnerin zu unterwerfen? Für Nora ist es Ausdruck ihrer Verantwortung für ihre Partnerin. Sie liebe es, ihre Frau durch die Session (bestimmte Spielsituation) zu führen. Sie empfänden beide Erfüllung in ihren jeweiligen Vorlieben. «Wenn ich mit meinem Schatz spiele, dann empfinde ich eine ganz eigene Art der Konzentration, und eine ganz besondere Form der Lusterfüllung», erklärt sie Nora. Zudem übernehme sie in diesen Momenten eine äusserst grosse Verantwortung für Danielas Wohlbefinden.
Für Daniela wiederum ist es eine besondere und spezielle Form des Loslassens, des nicht mehr Denkens. Dann sei sie in ihrem «Subspace» (ein tranceähnlicher Bewusstseinszustand), und für sie persönlich fühle es sich fast wie eine Art Meditation, eine besonders tiefe Entspannung, an. Alles an Alltagsgedanken rücke in den Hintergrund und in weite Ferne. «Ein bisschen wie Fliegen», sagt sie lächelnd.
Beide betonen, dass es äusserst wichtig sei, jede Spielsession mit dem sogenannten «Aftercare» (Nachsorge) zu beenden. Unter anderem werde das gemeinsam Erlebte besprochen, man finde zusammen Geborgenheit und Ruhe, sanfte Zärtlichkeiten werden ausgetauscht. Das ist wichtig, meint Nora, weil in einer Session ein regelrechter Hormonrausch im Körper ausgelöst werden könne. Pendele sich der Hormonhaushalt wieder ein, könne es zu Gefühlsschwankungen kommen: Es bestehe die Möglichkeit eines «Drop» (Absturz), und dem könne man mit dem Aftercare vorbeugen. Dies sei dann ein «psychisches und emotionales Auffangen».
Dann wage ich ihr nicht zu widersprechen!
Die Rollenverteilung im Bett findet sich übrigens nicht im Alltag der beiden wieder. Daniela erzählt lachend, dass sie Nora des Öfteren sage, «wo’s langgeht, und was gemacht wird.» Sie übernehme auch meistens die Planungen für gemeinsame Unternehmungen, etwa für Wochenendtrips. Nora nickt schmunzelnd und fügt hinzu: «Dann wage ich ihr nicht zu widersprechen!»
Beide Frauen wünschen sich, dass BDSM und Kink mehr gesellschaftliche Anerkennung und Toleranz fänden: Dass es nichts mit Gewaltausübung und deren Duldung zu tun habe, ebenso wenig mit Perversion oder Anomalie. Und dass für alle, die sich in diese «einzigartige, spannende und spezielle Welt der Lust», begeben wollen, die «drei Säulen» des BDSM sehr wichtig seien: Gegenseitiges Einverständnis, Sicherheit und Gesundheit.
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