«Wir wollen nicht das neue Ungarn oder das neue Polen werden!»
Es gibt erste Proteste gegen Giorgia Meloni
Wechsel im Palazzo Chigi: Italiens neue Regierungschefin Giorgia Meloni hat die Amtsgeschäfte in Rom übernommen. Was bedeutet das künftig für LGBTIQ-Rechte?
Nach ihrer Vereidigung am Samstag bei Staatschef Sergio Mattarella folgte am Sonntag die traditionelle Übergabe der Glocke im Regierungssitz durch den nunmehr Ex-Ministerpräsidenten Mario Draghi an seine Nachfolgerin. Die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d’Italia und ihr frisch eingeschworenes Kabinett hielten im Anschluss eine erste Sitzung des Ministerrates ab. Draghi verliess davor unter Applaus seiner ehemaligen Mitarbeiter*innen den Palazzo Chigi. International sorgen die faschistischen Wurzeln ihrer Partei für Irritationen.
Am Wochenende fand in Mailand eine Kundgebung statt, bei der u.a. gleiche Rechte für LGBTIQ eingefordert wurden. «Wir wollen nicht das neue Ungarn oder das neue Polen werden», warnte Luca Paladini, Sprecher der I Sentinelli di Milano, einer antifaschistischen Organisation, die sich u.a. für LGBTIQ einsetzt.
Giorgia Meloni und ihre Schwester Arianna wurden im Arbeiterviertel Garbatella in Rom von der Mutter und den Grosseltern aufgezogen. Die Partei wurde ihre zweite Familie, der politische Aktivismus ihre Priorität. «Wenn du den Ehrgeiz hast, die Welt zu verändern, gibt es keinen Platz für etwas anderes», schreibt sie in ihrer Biografie, die auch wie ein Manifest daherkommt. «Wenn es darum geht, eine ganze Nation zu retten, ist es eine unverzeihliche Marotte, sich von seinen persönlichen Bedürfnissen treiben zu lassen», heisst es da etwa.
Sie kandidierte schon früh für politische Ämter. Der MSI wurde kurz nach ihrem Eintritt in Alleanza Nazionale (AN) umbenannt und 1994 erstmals in die Regierung geholt. Parteichef Gianfranco Fini distanzierte sich 2003 vom Faschismus und bezeichnete diesen als das «absolut Böse». So eine klare Aussage zu den Wurzeln ihrer Partei vermeidet Meloni bis heute. Sie brach mit ihrem Förderer.
2006 wurde Meloni ins Parlament gewählt und zwei Jahre später die jüngste Ministerin (Jugend und Sport) der Geschichte Italiens. Es ist auf nationaler Ebene die einzige Regierungserfahrung, die sie vorweisen kann. 2012 gründete sie die Partei Fratelli d’Italia.
Meloni, die sich bei Twitter mit «immer, überall und zuallererst Italienerin» beschreibt, steht für klar rechte Positionen: Sie will Migrant*innen – vor allem aus Afrika – abwehren und Italien als Nationalstaat innerhalb der EU stärken. Sie will hart gegen Kriminalität vorgehen und neue Gefängnisse bauen. Ihre Maxime ist «Gott, Vaterland, Familie».
Keine Not, LGBTIQ zu schützen? Meloni hat seit 2016 eine Tochter (Ginevra), ist mit deren Vater aber nicht verheiratet. Sie ist gegen das Recht homosexueller Paare, Kinder zu adoptieren (MANNSCHAFT berichtete). Sie sieht auch keine Not, Homosexuelle oder andere Minderheiten stärker vor Diskriminierung zu schützen. Sie ist gegen Abtreibung – in ihrer Biografie schreibt Meloni, dass ihre Mutter in der Schwangerschaft kurz davor war, sie selbst abzutreiben.
Vieles, was die 45-Jährige über sich selbst erzählt, lässt sich unter einem Motto zusammenfassen: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Sie erzählt davon, wie sie gemobbt wurde – etwa als Mädchen am Strand von älteren Jungs, die sie als «Fettkloss» beschimpften und ihr einen Volleyball ins Gesicht schossen. Auch schreibt sie in ihrer Biografie, dass sie jeden Tag Angst habe, dass andere sie nicht als gleichwertig betrachteten, und sie sich oft unzulänglich fühle.
«Aber diese Angst ist meine Stärke», schreibt sie. «Sie ist der Grund, warum ich so gewissenhaft, so hartnäckig, so bereit dazu bin, Opfer zu bringen.» Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, führe dazu, auf dem Boden zu bleiben, sagte sie jüngst in einem Interview.
Bei ihren Auftritten erscheint Meloni alles andere als unsicher oder ängstlich. Sie scheut keine Konfrontation, wirkt selbstbewusst und meinungsstark. Argumente ihrer Kritiker scheinen an ihr abzuprallen. Ihre Bühne weiss sie zu nutzen – sei es im Fernsehen, vor ihren Anhängerinnen und Anhängern oder in den sozialen Medien.
Am Tag vor der Wahl, als der Wahlkampf ruhen sollte, postete sie auf Instagram ein Foto. In inniger Umarmung ist sie darauf mit ihrer sechsjährigen Tochter in einem Garten zu sehen. So unpolitisch der Blick ins Private auch daherkommen mag – das Bild steht exemplarisch für die Selbstbeschreibung Melonis. Bei einer Kundgebung sagte sie einst: «Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin eine Christin.» Dieser Satz wurde ihr Mantra.
Ende 2021 hatte sich ein italienischer Ex-Minister als schwul geoutet: Spadafora war zuvor für Jugend und Sport zuständig (MANNSCHAFT berichtete).
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