Grundsatzurteil erwartet: 13 Paare klagen auf Ehe für alle in Japan
Am Montag begann in Tokio und Sapporo ein Gerichtsverfahren gegen die liberaldemokratische Regierungspartei und ihre LGBTIQ-Politik
Am Montagmorgen haben zwei Gerichte in Japan mit den Anhörungen begonnen in einem Verfahren, von dem ein Grundsatzurteil erwartet wird: Es geht um die Weigerung der japanischen Regierung, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen.
Vor Richtern in Tokio und Sapporo trugen die Kläger Anfang dieser Woche die Punkte vor, wegen derer sie die Regierung verklagen. 13 gleichgeschlechtliche Paare hatten am Valentinstag (14. Februar) bei vier verschiedenen Amtsgerichten ihre Klagen eingereicht. Es handelt sich um fünf Frauen- und acht Männerpaare, denen Behörden keinen Trauschein ausstellen wollten, obwohl sie im Ausland rechtskräftig geheiratet hatten. Sie verlangen Schadensersatz in Höhe von umgerechnet zirka 8.000 Euro.
Die Paare sind Teil der Kampagne «Marriage For All Japan», sie hatten zur Finanzierung der Klage eine Crowdfunding-Aktion gestartet, bei der 2,5 Millionen Yen zusammenkamen. Auf der Website von «Marriage For All Japan» können bzw. konnten sich Paare eintragen, um mitzuklagen oder um eine entsprechende Petition zu unterschreiben. «Marriage For All Japan» argumentiert, dass die Verweigerungshaltung der Regierung in Bezug auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften verfassungswidrig sei.
Ai Nakajima und ihre deutsche Ehefrau Angeführt werden die Kläger u. a. von Ai Nakajima, die mit Kristina Baumann verheiratet ist. Die beiden lernten sich 2011 kennen und heirateten letztes Jahr in Deutschland. Sie leben in Yokohama, in der Nähe von Tokio, und wollen, dass ihre in Deutschland geschlossene Ehe auch dort anerkannt wird.
Nakajima sagte, dass fast 200 Unterstützer der Kampagne am Montag im Gerichtsaal in Tokio erschienen, das überschritt deutlich die Kapazität des Saals, der nur für 100 Menschen gedacht sei. Nakajima zufolge scheinen «Dinge jetzt wirklich ins Rollen zu kommen».
Sie sagte aber auch, dass nicht klar sei, wie sich die Regierung verteidigen werde: «Wir müssen befürchten, dass wir dieses Verfahren auch verlieren können», gab sie zu.
Zur Erinnerung: In Japan ist Homosexualität nicht kriminalisiert und somit juristisch legal, wie die extrem konservative Gesellschaft damit umgeht, ist allerdings eine andere Sache. Die Regierung weigert sich nicht nur, gleichgeschlechtliche Ehen aus dem Ausland anzuerkennen, geschweige denn selbst solche zuzulassen, es gibt auch keine landesweiten Antidiskriminierungsgesetze, die japanische LGBTIQ schützen, beispielsweise in den Bereichen Arbeit und Familie.
Stärkung der «traditionellen» heteronormativen Familie Immerhin bieten seit 2015 einige Lokalbehörden gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaften an.
Eine Ehe darf nur mit beiderseitiger Zustimmung der Partner geschlossen werden. Es wird nicht spezifiziert, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln müsse
«Das Recht auf Eheschliessung wird durch die Verfassung garantiert», sagt Anwalt Takeharu Kato von «Marriage For All Japan», ihm zufolge sollte dieses Recht auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten. Paragraf 24 in der japanischen Verfassung besagt: «Eine Ehe darf nur mit beiderseitiger Zustimmung der Partner geschlossen werden.» Es wird nicht spezifiziert, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln müsse.
Schwul in Japan? Gengoroh Tagames Kampf um Sichtbarkeit
Im Kontext der G7 Staaten ist Japan derzeit das einzige Land, das gleichgeschlechtliche Verbindungen nicht anerkennt. Mehr noch, die derzeit regierende Liberaldemokratische Partei hat schon mehrfach Kampagnen gestartet, um die «traditionelle» heteronormative Familie zu stärken. Ihre Rechtvertreter sind gleichfalls berüchtigt für abfällige Kommentare zu LGBTIQ-Themen.
Anwalt Takeharu Kato sagt, es sei Zeit, dass die Rechte von LGBTIQ in Japan endlich wahrgenommen werden. Er schätzt, dass das Verfahren mindestens fünf Jahre dauern wird.
In Japan hatte die grösste Werbeagentur des Landes im Oktober 2018 eine Umfrage unter 60.000 Menschen im Alter von 20 bis 59 durchgeführt, bei der herauskam, dass 8,9 Prozent sich als LGBTIQ identifizieren. Im Jahr 2015 waren es nur 7,6 Prozent und 2012 nur 5,1 Prozent.
Japan verlangt von trans Menschen weiter Zwangssterilisation
Aktivist aus Shanghai scheitert vor Gericht in China Parallel zum Gerichtsverfahren in Japan ist in Peking ein Verfahren in letzter Instanz gescheitert, das den Boykott von LGBTIQ-Inhalten in China als verfassungswidrig ansieht. Fan Chunlin hatte die China Netcasting Service Association (CNSA) verklagt, weil sie Homosexualität als «anormales Sexualverhalten» einstufte und deshalb aus dem chinesischen Internet und Online-Streaming-Angeboten verbannte, inklusive Serien und Nachrichten.
Der 30-jährige Aktivist aus Shanghai hatte die Klage im Januar 2018 eingereicht und das Verfahren im Oktober letzten Jahres verloren. Er ging in Berufung. Letzte Woche erfuhr er, dass er auch mit dem Berufungsverfahren gescheitert sei.
In einem Statement gab Fan allerdings bekannt, dass das Urteil gar nicht mehr wichtig sei. LGBTIQ-Medien zufolge soll er gesagt haben: «Wichtig ist, dass durch dieses Gerichtsverfahren mehr und mehr Menschen von sexuellen Minderheiten erfahren haben. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist unser ursprüngliches Ziel erreicht.»
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