Coming-out-Day: «Es ist eine Ehre, Vertrauensperson zu sein»
Das Coming-out hat MANNSCHAFT-Onlinechef Kriss Rudolph und seine Nichte zusammengeschweisst
Sich zu outen ist das eine – die Reaktion darauf das andere. Wie erleben Menschen das Coming-out einer nahestehenden Person? Und was passiert danach? Die Community teilt uns ihre Geschichten – Teil zwei.
Prominente wie die Schauspielerin Jamie Lee Curtis setzen sich gegen anti-trans Gesetze in den USA ein, sie traute ihre trans Tochter im eigenen Garten und widmete ihr den Oscar, den sie dieses Jahr gewann (MANNSCHAFT berichtete).
J.Lo spricht die Einleitung eines Kurzfilms über ihr*en «Nibling», ein geschlechtsneutraler Begriff, der Neffe oder Nichte ersetzt. Brendon Scholl, das Kind ihrer älteren Schwester Leslie, ist trans und nicht-binär. Zudem produzierte J.Lo die Serie «The Fosters» als Hommage an ihre lesbische Tante, die für sie die Coolste war (MANNSCHAFT berichtete).
Die Liste der Prominenten ist lang, die sich öffentlich einsetzen für ihre queeren Familienmitglieder. Was wir nicht sehen, sind die verborgenen Reaktionen, die weit mehr Gefühlspaletten bedienen und von Mitgefühl und Stolz bis Verunsicherung und Ablehnung reichen.
Dieses Jahr möchten wir von Familienmitgliedern und Freund*innen wissen, wie sie das Coming-out eines geliebten Menschen erlebt haben und was es bei ihnen ausgelöst hat. Im zweiten Teil dieser Serie teilt MANNSCHAFT-Redakteur Kriss mit uns die Geschichte seiner trans Nichte Laura:
Kriss Rudolph, Berlin Es war im letzten Sommer, da schrieb mir eins meiner Patenkinder via Whatsapp: «Ich fühle mich nicht mehr wohl in meinem Körper! Wenn ich zu Hause bin, schlüpfe in eine andere Rolle und bin dann Frau! Das ist genau das, was ich will: eine echte Frau sein!» Unterschrieben damals noch mit dem männlichen Geburtsnamen, den sie mittlerweile abgelegt hat.
War ich von der Nachricht überrascht? Inhaltlich schon, aber als schwuler Mann kann mich das Coming-out anderer Menschen nur freuen. Es ist eine Ehre, wenn man als Vertrauensperson dafür auserkoren wird. Zuerst hatte sich Laura, so der Wunschname, an ihre Mutter gewandt. Die sagt zwar, sie stehe hinter ihr, doch leider trifft sie oft nicht den richtigen Ton und sagt verletzende Dinge zu ihrer Tochter.
Als MANNSCHAFT-Redakteur habe ich den Vorteil, mich besser mit der Gesetzeslage auszukennen als der Rest meiner Familie. Umgekehrt beschäftige ich mich dank meiner trans Nichte nun intensiver mit dem Thema.
So habe ich für sie eine Beratung in einem queeren Zentrum ausgemacht, das sich in der nächstgrösseren Stadt in Braunschweig befindet. Im «Onkel Emma» erfuhren wir von der Beraterin, dass man bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) einen Ergänzungsausweis beantragen kann, was wir auch gleich gemacht haben. Ich erinnere mich gut an das Strahlen im Gesicht meiner Nichte. Ein Ausweis, in dem schwarz auf weiss stehen würde, dass es sich bei der Trägerin um eine Frau handelte. Super Sache!
Seit über einem Jahr nun versuche ich zusammen mit der Mutter von Laura, einen Therapieplatz zu finden. Denn bevor ihr Hormone verschrieben werden, muss sie erst ein paar Sitzungen machen. Immerhin, meine heute 32-jährige Nichte steht jetzt bei einer Therapeutin auf der Warteliste.
Als Laura mich nach ihrem Coming-out in Berlin besucht hat, habe ich sie mit einem Besuch in einem professionellen Make-up-Studio überrascht, wo sie von einem zauberhaften Stylisten toll und dezent geschminkt wurde. Laura sass auf dem Stuhl und hatte wieder dieses Rundum-Strahlen. Ich wünschte, all diese Leute könnten das sehen, die trans Identitäten lächerlich machen oder als Irrtum diffamieren. Wer auf diese Weise strahlt, irrt nicht. Wer so strahlt, ist ganz bei sich.
Meine Beziehung zu Laura ist heute sehr viel enger, unser Austausch deutlich häufiger. Im August waren wir zusammen auf dem CSD in Braunschweig. Zum ersten Mal habe ich jetzt das Gefühl, dass ich die Aufgabe des Patenonkels sinnvoll ausfüllen kann.
Zwei Tipps zum Coming-out Im 13-minütigen Video «Familie zerbrochen: Mein Papa war heimlich schwul» sprechen Vater Andreas und Sohn Raphael über das Coming-out nach 15 Jahren Ehe, drei Kindern und schwerer Alkoholsucht. Reporter Timm begleitet die beiden beim CSD, an den Andreas seinen Sohn zum ersten Mal mitnimmt. Wie kommt Raphael mit dieser Seite seines Vaters klar?
Das Buch «Endlich frei! Der queere Coming-out-Ratgeber» macht Mut zum Coming-out. Dieser Ratgeber ist ein stärkender Wegbegleiter: Persönliche Geschichten aus der LGBTIQ-Community zeigen, dass es ganz unterschiedliche Coming-outs gibt und geben darf. Zudem bietet es Informationen zu der Geschichte der queeren Bewegung und einen Überblick über queere Begriffe. Schritt für Schritt hilft ein Reflektionsteil, das eigene Coming-out zu planen, zu gestalten und gut vorzubereiten – oder Menschen zu unterstützen, die sich gerade outen.
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