Faszination Männerkörper – ganz nah dran, mit Florian Hetz
Der Berliner Künstler veröffentlicht «zwei»
Fotografien von Florian Hetz erkennt man sofort: In seinen Nahaufnahmen des männlichen Körpers, oder vielmehr Körperpartien, zeigt er am liebsten Fragmente und Details: mal Muskeln, mal Haare, mal Speichel (oder ist es Sperma?), der von Lippen tropft. Jetzt erscheint die faszinierende Monografie «zwei».
In «zwei» stellt der Berliner Künstler mehr als 200 Fotografien von beiden Seiten des Atlantiks einander gegenüber und schafft einen Dialog zwischen scheinbar nicht verwandten Bildern und Situationen. Aufregend und unaufgeregt zugleich eröffnet Florian Hetz mit seinen Fotos voyeuristische Einblicke in die Intimsphäre seiner Modelle. Durch Nahaufnahmen von männlichen Körperpartien und scheinbar alltäglichen Gesten lenkt er den Fokus auf oft unbemerkte Untertöne und verstärkt sie.
Mühelos kombiniert Florian Hetz seine Berliner Studioarbeit mit natürlicher Tageslichtfotografie aus Los Angeles. Er nutzt jede Doppelseite des Buches als Bühne für seine Fotografien, die zu einer spielerischen Unterhaltung zwischen Körpern und Landschaften, Gesichtern und Objekten werden.
Dabei wollte er nie Fotograf werden. Als Teenager hat er viel gezeichnet, wie er in einem Interview schildert, das auf seiner Homepage nachzulesen ist. «Als Kind zogen mich meine Eltern von Frankfurt in ein kleines Dorf mitten im Nirgendwo in Deutschland. Um diesem Ort zu entkommen, las ich viel und studierte Fotobücher. Ich schätze, ich habe meine Augen schon in jungen Jahren trainiert.»
Er fing mehr oder weniger zufällig an, Fotos zu machen, indem er die Kamera eines Freundes übernahm, erst machte er Fotos von Freunden auf Partys. Und irgendwann fing er an, seine Liebhaber während oder nach dem Sex zu fotografieren.
«Einige der Bilder mögen wirken, als würden sie der klassischen Definition von Porträtfotografie entsprechen, zeigen sie doch das Gesicht oder sogar den ganzen Körper des Modells – Aufnahmen in diesem konventionellen Sinne sind aber nur ein Bruchteil seiner Arbeit», sagt Ryan Linkof, Film-Kurator am Lucas Museum of Narrative Art.
Hetz beschäftige sich mit einer viel moderneren Art des Porträtierens. «Mit dem Aufkommen von Dating-Apps hat sich eine neue Form sexueller Porträts und Selbstporträts mit eigenen formalen Charakteristika entwickelt: der Cock-Shot, der isolierte Torso, das Hole Pic. Wir alle haben uns daran gewöhnt, unseren Körper zu inszenieren, und dabei bedienen wir uns nicht nur der Objektivierung, sondern auch der Fragmentierung.
Natürlich reduziert diese Art der Fotografie den Körper auf seine einzelnen Teile und wendet sich vom grossen Ganzen ab. Hetz beschäftigt sich mit dieser Bildsprache und bringt sie in extremer Form zum Höhepunkt: Er zeigt Körper und Körperteile, die fast bis zur Unkenntlichkeit gequetscht, verdreht, gedehnt oder in extreme Formen gezogen werden.»
Ein Grossteil seiner Bildmotive dreht sich um verborgene, intime Erinnerungen an Momente, die viele queere Menschen in jungen Jahren erleben, ohne zu wissen, wie man sie versteht oder wie man mit ihnen umgeht. Momente, die verwirrend und erregend zugleich sind. Hetz nähert sich dieser Faszination fotografisch an und übersetzt sie in seine ganz eigene Sprache.
«Wie Susan Sontag schon sagte: ‚Fotografie ist mehr eine Erfindung oder ein Ersatz der Erinnerung als deren Werkzeug.‘ Jetzt noch viel mehr als zum Zeitpunkt des Gesagten übernehmen Bilder die Rolle unserer gelebten Erfahrung und der Erinnerung daran», sagt Linkof. «Hetz scheint uns einzuladen, diese Wahrheit anzunehmen, und zeigt seine Fotografien stellvertretend für seine Begegnungen.»
«zwei» knüpft an die bisherigen Publikationen des Wiener Verlages Paper Affairs an. Dort will man eine Vision teilen: einen Raum für eine vielfältige Auseinandersetzung mit dem Bild des Mannes zu schaffen.
Hier kann man den neuen Bildband von Florian Hetz bestellen.
Der Berliner Künstler hat auch dem neuen Bildband «New Queer Photography» ein paar Werke beigesteuert. Wir stellen ihn in der aktuellen MANNSCHAFT vor.
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