«Ein aktiver Spieler soll sich outen, um eine Lanze zu brechen»
Anton, vor über sechs Jahren hast du dich öffentlich geoutet. Was hat sich für dich seitdem verändert? (Lacht) Alles! Ich bin zwar immer noch derselbe Mensch, aber ich habe das Gefühl, dass ich medial präsenter bin. Ich war viel mehr im Fernsehen und in Unterhaltungsshows zu sehen. Ich habe aber die ganzen sechs Jahre lang Fussball gespielt.
All die TV-Auftritte haben sich nur ergeben, weil du dich geoutet hast. Mein Nachname ist im schwedischen Fussball geschichtsträchtig. Mein Vater hat für Liverpool gespielt, als der Club das letzte Mal die Premiere League gewonnen hat. Alleine der Name hat sehr geholfen – sich als Fussballer zu outen aber natürlich auch.
Hattest du vor dem Coming-out Angst, dass es deiner Karriere schaden würde? Nicht wirklich, denn ich spiele Fussball, weil ich gut darin bin. Und ich spiele für ein Team, in dem man mich als Spieler mag. Wieso sollte ich bei einer Mannschaft spielen, die das nicht so sieht? Mit Freunden und der Familie ist es dasselbe: Wenn sie dich nicht so unterstützen, wie du bist – wieso sollte ich dann etwas mit ihnen zu tun haben?
Deine Mannschaft hat das Coming-out positiv aufgenommen. Hast du zuvor Homophobie erlebt? Eigentlich war es genau andersherum. Jahre zuvor hatte ich in einer TV-Show jemanden für sein Schwulsein fertig gemacht. Er hatte sein Coming-out schon viel früher und wusste, was er im Leben wollte.
Bereust du das heute? Natürlich! Niemand sollte das jemandem antun. Emil ist eine echte Legende. Er macht Dragqueen-Shows und ist ein bekannter Sänger in Schweden. Er wusste, wer er war, und ich glaube, ich war einfach nur neidisch darauf. Ich war unsicher, weil ich wusste, dass ich nicht der war, der ich sein wollte. Vor einiger Zeit habe ich mich im Fernsehen öffentlich bei ihm entschuldigt. Ich habe gesagt, dass ich immer zu ihm aufgeschaut habe. Heute ist er ein wirklich guter Freund.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Man muss respektieren, dass Hitzlsperger sich nicht als Aktivspieler geoutet hat.[/perfectpullquote]
Hast du Kontakt zu anderen schwulen Fussballern, etwa Robbie Rogers oder Thomas Hitzlsperger? Nein, ich habe nie mit ihnen geredet. Nach meinem Coming-out habe ich nicht wirklich damit gerechnet, dass andere folgen würden. Aber dann kam Robbie Rogers und danach Hitzlsperger. Es ist auf jeden Fall gut, dass sie das gemacht haben, denn nur so sehen die Leute, dass es mehr von uns gibt. Sie haben meinen Respekt!
Wie hast du reagiert, als du 2014 von Hitzlspergers Coming-out gehört hast? Ich war nicht wirklich schockiert. Ich wusste, dass es noch mehr da draussen gibt – nach meinem Coming-out hatte ich viele anonyme E-Mails von anderen Spielern erhalten. Für Hitzlsperger habe ich mich vor allem gefreut. Endlich konnte er sich selbst sein.
Aber er hat sich erst geoutet, als er seine Fussballkarriere beendet hat. Ja, und das muss man respektieren. Nicht jeder will sich als aktiver Spieler outen, auch wenn ich glaube, dass wir genau das brauchen. Ein aktiver Spieler sollte sich outen, um so eine Lanze zu brechen. Ich habe mich geoutet, aber ich war nicht in einer Top-League.
Letzten Dezember hast du dem «Mirror» erzählt, dass du dir das Coming-out eines Spielers der britischen Premiere League wünschst. Ja, aber das ist echt nicht einfach. Ausserdem muss man daran denken, dass nicht nur die schwulen Sportler Verantwortung übernehmen müssen. Ich denke, dass wir auch auf der anderen Seite Verbündete brauchen. Andere Spieler in der Premiere League, zum Beispiel. Man muss nicht schwul sein, um LGBT zu unterstützen. Genauso, wie wir Kampagnen gegen Rassismus machen, sollte es auch mehr Kampagnen gegen Homophobie geben.
Du hast zuvor von anonymen E-Mails erzählt. Was haben dir die Spieler geschrieben? Viele meinten, wie mutig es war, die Wahrheit zu sagen. Sie waren so erleichtert, dass ihnen jemand zeigte, wie es gehen kann. Es hat mich glücklich gemacht, dass ich anderen Leuten helfen konnte. Aber, um fair zu sein: Nicht jeder will im Rampenlicht stehen und der Welt sagen, dass er schwul ist. Und das respektiere ich auch.
Du hast in der dritten schwedischen Liga gespielt, als dein Coming-out ein weltweites Echo ausgelöst hat. Wären die Reaktionen dreimal stärker, wenn sich jemand aus der ersten Liga outen würde? Nicht zwangsläufig. Wenn er einfach sagen würde «Ja, ich bin schwul, aber jetzt spiele ich wieder Fussball», dann macht er keine grosse Sache daraus. Man muss nicht mit jedem Magazin darüber reden. Wenn er nur ein Interview zum Thema geben würde, dann würde das reichen. Wir alle machen die Sache grösser, als sie wirklich ist.
Wann hast du realisiert, dass du Männer magst? Ich glaube, das weiss man sein ganzes Leben. Aber ich habe es irgendwie verdrängt. Ich hatte zwei Jahre lang eine Freundin und alles war gut, aber irgendwann hat mir etwas gefehlt. Ich glaube, ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, als ich 18 oder 19 war.
Wem hast du zuerst davon erzählt? Meiner Cousine, die selbst lesbisch ist. Wir haben uns gleichzeitig beieinander geoutet. Das ist eine ziemlich witzige Geschichte. Sie hat gesagt, dass sie überhaupt keine Jungs mag, und ich dachte: «Oh, wow!»
Wann hast du dem Rest deiner Familie davon erzählt? Irgendwann danach, man zwang mich dazu. Ein Typ sah auf einer schwulen Plattform ein Foto von mir – und erkannte mich als Glenn Hyséns Sohn. Er drohte, meinen Eltern zu sagen, dass ich schwul bin. Also habe ich es ihnen selbst gesagt, weil ich nicht wollte, dass sie es von jemand anderem hören. Ich war wirklich nervös, aber sie hatten kein Problem damit.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Ein Typ auf einer schwulen Plattform erkannte mich als Glenn Hyséns Sohn. Er drohte, meinen Eltern zu sagen, dass ich schwul bin.[/perfectpullquote]
Du bist jetzt 26 Jahre alt. Eine Fussballkarriere hält nicht ewig. Was planst du für die Zeit danach? Ich habe viele Pläne! Ich will ein Buch schreiben. Und vielleicht noch mehr im Fernsehbereich machen.
Könntest du dir vorstellen, wie dein Vater Trainer zu werden? Ja, wieso nicht. Trainer zu sein ist nicht wirklich mein grosser Traum, aber ich würde es nicht ausschließen.
Glaubst du, dass das als schwuler Mann schwieriger wird? Natürlich ist es schwieriger, wenn du als Schwuler Trainer werden willst. Aber wir dürfen das nicht ein Leben lang als Entschuldigung dafür vorschieben, dass wir Dinge unversucht lassen. Wir sollten unsere Pläne und Wünsche trotz allfälliger Schwierigkeiten umzusetzen versuchen und damit zeigen, dass es trotzdem klappen kann.
2012 warst du halbnackt auf dem Cover des schwedischen Schwulenmagazins QX zu sehen. Im Interview hast du gesagt, dass du den schwedischen Typ Mann nicht magst. Das habe ich eher kulturell gemeint. Wir Schweden – ganz allgemein, sicher nicht jeder– sind sehr still. Wir kommunizieren nicht wirklich. Manche Schweden haben sogar Angst, ihre Nachbarn zu grüssen – und so bin ich überhaupt nicht.
War das einer der Gründe dafür, dass du in die USA gegangen bist? Ich habe viele Freunde dort und es ist ein riesiges Land mit so vielen Möglichkeiten. Es hat einfach einen Riesenspass gemacht, dort Fussball zu spielen.
Aber du bist nach Schweden zurückgekehrt. Ja, aber das lag vor allem am Visum (lacht).
Also wärst du gerne länger geblieben? Jetzt bin ich erst einmal glücklich, wo ich bin. Ich möchte gerne eine Weile in Europa bleiben.
Etwa, weil du hier einen festen Freund hast? Nein, den habe ich nicht. Das ist anscheinend die schwierigste Aufgabe auf der Welt.
Ist es schwer, jemanden zu finden, der nicht nur an deiner Karriere und deiner Berühmtheit interessiert ist? Die Sache ist, ich bin überhaupt nicht reich und fahre kein teures Auto oder so. Ich glaube, es liegt einfach an mir. Ich bin ein bisschen wählerisch.
Wie sähe denn dein Traummann aus? Einfach ein normaler Mann. Jemand, der sich selbst sein kann. Integrität ist ziemlich wichtig, genauso wie Humor und ein gesundes Selbstwertgefühl. Und in letzter Zeit habe ich gemerkt, dass es schön wäre, wenn er sich auch für Sport interessieren würde.
Suchst du denn online nach einem Partner? Nein, auch wenn meine Fotos überall verstreut sind (lacht).
Es gibt also viele Fakeprofile mit deinen Fotos? Gerade heute Morgen hat mir jemand aus Italien geschrieben, dass in Rom ein Fakeprofil von mir existiere. In Mailand gibt es auch eines, ebenso hier in Schweden, von welchem aus Frauen belästigt werden. Apps wie Grindr und Scruff hatte ich früher selbst, aber das ist ewig her.
Wie waren deine Erfahrungen mit den Apps? Ich installierte sie, nachdem ich mich geoutet hatte. Meine Freunde sagten mir, dass ich das mal ausprobieren sollte. Aber das Ganze ist einfach nicht so mein Ding. Ich rede lieber mit den Leuten, da bin ich Oldschool.
Bist du viel in der schwulen Szene unterwegs? Ich bin ab und an in der Szene unterwegs, ja. Das kann ziemlich Spass machen. Man spürt dort, dass man Teil einer Community ist.
Wie steht es um die Göteborger Schwulenszene? Wir haben hier nicht wirklich eine Szene, sondern eher in Stockholm. Wenn ich dort bin, um Freunde zu treffen, dann ist es mir aber eigentlich egal, wo wir hingehen. Ich will einfach Spass mit meinen Freunden haben. Normalerweise enden wir sowieso in irgendeiner Sportsbar (lacht).
Wenn es so viele Leute gibt, die sich Fake-Profile mit deinen Fotos zulegen: Siehst du dich selbst als Sexsymbol? Das würde ich nie! Es wäre toll, wenn es so wäre. Aber ich will mich so nicht einschätzen, weil das doch ziemlich arrogant wäre. Ich fühle mich wie eine Diva, wenn ich das höre (lacht).
Was oder wer ist ein Sexsymbol für dich? (Überlegt) Jeder kann seinen eigenen Typen eines Sexsymbols haben. Man muss keinen athletischen Körper haben, um ein Sexsymbol zu sein. Es geht eher darum, wer du bist, woran du glaubst und welche Ansichten du hast. Deine Integrität und Unabhängigkeit. Man muss kein Supermodel mit perfektem Körper sein. Manchmal sind das die Schlimmsten.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Man muss keinen athletischen Körper haben, um ein Sexsymbol zu sein. Es geht eher darum, wer du bist, woran du glaubst und welche Ansichten du hast.[/perfectpullquote]
In den Kommentaren auf deinem Instagram-Profil schreiben viele, dass deine Fotos sie zum Sabbern bringen würden. Was denkst du, wenn du solche Kommentare liest? Ach, ich sehe immer die positiven Seiten. Sie könnten auch schlimmere Sachen schreiben. Das sind Leute, die ihre Zeit dafür verwenden, Kommentare zu meinen Fotos zu schreiben, also bin ich einfach froh darüber. Aber, ich meine, das sind nur Kommentare von Leuten, die ich nicht kenne.
Und viele schreiben, dass sie dich aus dem Stand heiraten würden. Schön wärs!
Würdest du gerne heiraten? Ich habe neulich darüber nachgedacht. Jetzt gerade nicht, aber ich kann es nicht wirklich sagen. Man weiss nie, was passiert, und man wächst immer noch als Mensch.
Ist das ein Ja oder ein Nein? Das ist ein Vielleicht. Ganz langweilig (lacht).
Hättest du gerne Kinder? Oh, ja. Ich will auf jeden Fall Kinder haben.
Wieso? Weil ich gerne einen kleinen Anton oder eine kleine Anton Hysén aufziehen möchte. Und es ist mir egal, ob es ein Junge ist oder ein Mädchen.
Mal abgesehen vom Heiraten und Kinderkriegen: Was steht noch an in nächster Zeit? Gerade trainiere ich viel mit meinem Team, aber ich mache in diesem Jahr Probetrainings in ganz Europa. Mal sehen, wohin es mich verschlägt.
Wo würdest du gerne hingehen? Oh, ich weiss es nicht. Ich habe Lust auf ein neues Abenteuer. Ich könnte zurück nach England gehen oder nach Irland, Holland, Schottland oder Deutschland.
Also kommst du vielleicht nach Deutschland? Das wäre grossartig. Ich liebe Deutschland und den deutschen Fussball. Ich habe nie wirklich Deutsche getroffen, ausser ein paar deutschen Freunden in den USA. Ich will auf jeden Fall nach Berlin, Köln und Hamburg. Ich war oft in Amerika, jetzt sollte ich mal Europa mehr erkunden. Und da ist Deutschland eines der besten Länder, glaube ich.
– Interview: Fabian Schäfer
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