Die Ehe für alle lässt in der Schweiz weiter auf sich warten
Die definitive Abstimmung verschient sich voraussichtlich in die Wintersession
Die Ehe für alle verzögert sich weiterhin. Die Rechtskommision des Ständerats will bis Oktober die Verfassungsmässigkeit der Vorlage prüfen.
Geht es um die Ehe für alle, so scheinen die politischen Mühlen in Bern besonders langsam zu mahlen. Nach über sechs Jahren und mehreren Fristverlängerungen und Verzögerungen muss die LGBTIQ-Community sich nun weiter gedulden, bis gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz sich das Jawort geben können. Wie die Rechtskommission des Ständerats heute bekannt gegeben hat, will sie die Vorlage bis Oktober vertieft prüfen. Die öffentliche Debatte und die entscheidende Abstimmung im Ständerat finden statt in der Herbstsession im Oktober voraussichtlich in der Wintersession im Dezember statt.
Konkret will die Verfassungsmässigkeit der Vorlage generell sowie in Bezug auf die Regelung im Bereich Adoption und Fortpflanzungsmedizin im Rahmen von Anhörungen vertieft prüfen möchte. Der Nationalrat hatte sich im Juni 2020 mit 132 zu 52 Stimmen für eine volle Ehe für alle ausgesprochen, inklusive rechtlicher Absicherung für Regenbogenfamilien und Samenspende für Frauenpaare (MANNSCHAFT berichtete).
Es ist nicht das erste Mal, dass die Verfassungsmässigkeit der Ehe für alle auf den Prüfstand gestellt wird – letztes Mal im Vorfeld zu den Beratungen in der Rechtskommission des Nationalrats vor einem Jahr. Die LGBTIQ-Organisationen hatten ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin zu prüfen (MANNSCHAFT berichtete). Dieses kam zum Schluss, dass keine Verfassungsänderung notwendig ist. Eine Gesetzesänderung würde es auch miteinander verheirateten Frauenpaaren ermöglichen, mit Hilfe einer Samenspende ein gemeinsames Kind zu bekommen und sie somit heterosexuellen Ehepaaren gleichzustellen.
«Die Ehe für alle ist überfällig», sagte Nationalrätin Kathin Bertschy gegenüber MANNSCHAFT im März. «Und es ist beelendend zu sehen, wie lange es dauert, bis die Schweiz endlich gleiche Rechte für alle schafft.»
In einer Medienmitteilung zeigt sich das Komitee «Ehe für alle» über die Verschiebung enttäuscht, bleibt jedoch zuversichtlich, dass die Kommission sich am Ende für die vollständige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren ausspricht. «Die Schweiz ist lange politische Prozesse gewohnt, doch im Falle der Ehe für alle wird die Geduld der betroffenen Menschen ganz besonders auf die Probe gestellt», sagt Salome Zimmerman, Präsidentin des Komitees «Ehe für alle».
Zimmermann selbst konnte auf eine Ehe für alle in der Schweiz nicht mehr warten. Damit sie ihre deutsche Partnerin auch während der Corona-Krise sehen konnte, hat das Paar früher als geplant geheiratet (MANNSCHAFT berichtete). Nicht alle in der LGBTIQ-Community haben diese Möglichkeit. «Diese erneute Verschiebung verlängert die Rechtsunsicherheit für viele Familien», so Zimmermann. «Dabei ist es erwiesen, dass Kinder in Regenbogenfamilien genau so glücklich aufwachsen.»
Zimmermann formuliert jedoch auch konkrete Forderungen. «Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Kommission weitere Anhörungen durchführen will. Wir erwarten jedoch, dass nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden wird, sondern die Community in die Diskussion einbezogen wird.»
Und sie fährt fort: «Die heutige Enttäuschung darf uns nicht vergessen lassen, dass die Expert*innen und das Schweizer Volk auf unserer Seite stehen. Laut der letzten Umfrage waren über 66% der Schweizer*innen für die Ehe für alle und diese Zustimmung wird jeden Tag grösser. Die Frage ist einzig, wann dem politisch endlich Rechnung getragen wird.»
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