«Dass Frauen Frauen lieben, ist im Nationalteam völlig natürlich»
Der offene Umgang mit Homosexualität ist bei vielen WM-Teilnehmerinnen längst Normalität – anders als bei den Männern. Eine Frage sorgt in Australien für Aufregung und Kopfschütteln.
Von Ulrike John und Jan Mies, dpa
Ghizlane Chebbak verzog kurz das Gesicht und schüttelte dann teils lächelnd, teils ungläubig den Kopf. Zu Beginn dieser Fussball-WM in Australien und Neuseeland war die marokkanische Nationalspielerin während einer Pressekonferenz gefragt worden, ob sie homosexuelle Teamkolleginnen habe – die britische BBC bat Tage später wegen der «unangemessenen» Frage um Entschuldigung (MANNSCHAFT berichtete).
Wegen der möglichen Strafverfolgung «gleichgeschlechtlicher Sexualbeziehungen» in Marokko hatte der erste kleinere Aufreger des Turniers einen politischen Hintergrund, ähnlich wie die Debatte darüber, dass die deutschen Nationalspielerinnen nicht wie in Testspielen mit der Regenbogen-Kapitäninnenbinde auflaufen dürfen. Der Weg Richtung Normalität ist bei den Frauen aber längst viel, viel kürzer als bei den Männern.
«Dass Frauen Frauen lieben, ist bei uns in der Bundesliga und im Nationalteam völlig natürlich. Bei den Männern ist das ganz anders, vielleicht weil die Aufmerksamkeit höher ist», sagt Nationalspielerin Lea Schüller. Die 25-Jährige spricht offen über ihre Beziehung mit der österreichischen Seglerin Lara Vadlau. Wie einige ihrer Teamkolleginnen zeigt Schüller in den Sozialen Netzwerken gemeinsame Bilder. Andere tun dies nicht, unabhängig davon, ob es um Lebenspartner oder -partnerinnen geht.
Im deutschen Profifussball hat dagegen noch kein aktiver Spieler seine Homosexualität öffentlich gemacht. Auch international ist die Zahl sehr überschaubar. «Ich wünsche mir, dass jeder schwule Fussballer sein Coming-out haben kann und von allen akzeptiert wird», sagte Nationalspielerin Lena Oberdorf dem englischen Guardian. (MANNSCHAFT berichtete). Die Gesellschaft mache es «den Männern wirklich schwer, aber ob du dein Haar grün oder rot färbst, ist mir das egal. Es ist dein Leben.» Ihre Freundin sei «manchmal in meinen Sozialen Medien zu sehen, also können die Leute denken, was sie wollen.»
Teamkollegin Svenja Huth sagte dem Magazin Elfen, es sei ihr «sehr wichtig», sich bei dem Thema einzusetzen, «weil ich mir eben mehr Normalität wünsche». Die Vize-Kapitänin der DFB-Auswahl und ihre Frau sprechen in einer TV-Dokumentation ausführlich über künstliche Befruchtung – nach der WM soll der erste Nachwuchs kommen. «Auch möchte ich Menschen Mut machen, die es in ihrem eigenen Umfeld vielleicht nicht so einfach haben.»
Unter ihren Hochzeitsbildern habe sie auch homophobe Kommentare gelesen, «was meine Frau und mich aber zum Glück nicht belastet hat», sagte Huth. Dennoch mache es traurig und verdeutliche, dass noch viel zu tun sei, was Toleranz, Respekt und Wertschätzung angehe. In anderen WM-Teilnehmerländern gilt das noch viel mehr.
In Haiti wird Homosexualität gesellschaftlich tabuisiert, in Nigeria sind homosexuelle Handlungen nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bis heute verboten und in einigen Bundesstaaten sogar ein Kapitalverbrechen. Bei der Pressekonferenz mit Chebbak hatten marokkanische Medienvertreter Teilnehmerangaben zufolge «hörbar bestürzt» auf die Frage reagiert, die von der FIFA-Vertretung auf dem Podium nicht zugelassen worden war.
Umso wichtiger ist internationalen Stars wie Megan Rapinoe ihr Engagement. Die zweimalige Weltmeisterin aus den USA stand mit ihrer Partnerin Sue Bird als erstes offen homosexuelles Paar für ein ESPN-Magazin Modell – und gilt längst als Vorbild für LGBTIQ im Fussball.
Für Männer ist keine Umgebung gegeben, in der sie sich sicher genug fühlen, und das ist so traurig.
«Im Frauenfussball ist es nie eine grosse Sache. Manche haben Frauen als Partner, manche sind mit Männern verheiratet», sagte die englische Europameisterin Jill Scott. Für Männer sei dagegen «einfach keine sichere Umgebung» gegeben, «in der sie sich sicher genug fühlen, um das zu tun, und das ist so traurig». Die Gründe für diese Umgebung erscheinen vielschichtig und gehen auch in Deutschland weit über den Fußball hinaus.
Der Leiter der Nationalmannschaften beim Deutschen Fussball-Bund, Joti Chatzialexiou, sagte, es sei bei den Männern «tatsächlich so, dass vielleicht viele nicht so offen mit dem Thema umgehen.» Was er «persönlich schade finde, weil es schlussendlich geht es um eine sportliche Einschätzung und nicht um das, was jeder in seinem Privatleben macht und da sollte er tun und lassen können, was er will.»
Das deutsche WM-Team stehe für «Vielfalt, wir sind bunt. Wir wissen, dass es diese Themen auch der Homosexualität im Fussball gibt», sagte Chatzialexiou. «Und für mich persönlich ist es wichtig, dass man da sehr offen und transparent umgehen könnte.»
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