Comeback mit Fettnäpfchen: Kann Katy Perry ihre Karriere retten?
Shitstorm nach «Woman’s World»: Fehltritt oder Satire?
Mit ihrem neuen Album versucht Katy Perry an frühere Erfolge anzuknüpfen. Dabei scheint sie zu vergessen, dass sich die Zeiten (nicht nur) für weibliche Popstars geändert haben.
Text: Lisa Forster, dpa
Katy Perry hat gerade nicht die beste Zeit. Kürzlich hat die 39-Jährige die erste Single ihres neuen Albums herausgebracht und dafür viel Kritik geerntet. «Woman’s World» ist als feministische Hymne angelegt, reproduziert im Musikvideo aber sexistische Klischees. Produziert wurde das Lied unter anderem von Dr. Luke – einem Mann, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde.
«Was für eine rückschrittliche, aufgewärmte Hölle ist das?», titelte der Guardian zu «Woman’s World». Eine Autorin des österreichischen Radiosenders FM4 schrieb vom «verzweifeltsten Comeback des Jahres». Seitdem hat Perry zwei weitere Singles veröffentlicht, die zwar keinen vergleichbaren Shitstorm erzeugten, aber Kritiker*innen auch nicht vollends überzeugten.
Am Freitag, 20. September, bringt die Amerikanerin nun das dazugehörige Album heraus, es heisst «143». Kann sie damit ihre Karriere retten?
Anknüpfung an Hochglanz-Pop Musikalisch orientiert sich Perry wie gewohnt an Hochglanz-Elektro-Pop. Während «Woman’s World» von einem simpel durchpulsierenden Beat und Retro-Synthesizer lebt, erinnert «Lifetimes» an etwas beliebigen Ibiza-House.
Am interessantesten ist die dritte Single «I’m His, He’s Mine», die Perry mit der US-amerikanischen Rapperin Doechii aufgenommen hat. Der Song funktioniert vor allem wegen der Rap-Parts – und weil sich die beiden auf ein Sample des ungemein eingängigen 90er-House-Hits «Gypsy Woman (She’s Homeless)» von Crystal Waters verlassen.
Rückwärtsgewandte Geschlechter-Bilder Für ihr neues Album hat Katy Perry wieder mit Dr. Luke zusammengearbeitet, der schon für Hit-Singles wie Perrys «Teenage Dream» mitverantwortlich war. Das ist jener Musikproduzent, der sich jahrelang in einem Rechtsstreit mit der Musikerin Kesha («Tik Tok») befunden hat. Sie warf ihm vor, sie über Jahre manipuliert und sexuell missbraucht zu haben. Dr. Luke bestritt das, die beiden verklagten sich gegenseitig und legten ihren Rechtsstreit 2023 aussergerichtlich bei.
«Ich verstehe, dass das viele Diskussionen ausgelöst hat, und er war einer von vielen, mit denen ich zusammengearbeitet habe», sagte Perry dazu im Podcast «Call Her Daddy». «Die Wahrheit ist, dass ich diese Songs aus meiner Erfahrung heraus geschrieben habe, als mein ganzes Leben durch diese Metamorphose ging. Und er war einer der Menschen, die mir dabei geholfen haben, das alles zu ermöglichen.»
Die vergangenen Jahre waren davon geprägt, dass weibliche Popstars sich selbst ermächtigten. Musikerinnen wie Kesha, aber auch Taylor Swift, Adele, Billie Eilish, Charli xcx oder Chappell Roan treten aktiv für ihre Rechte ein – und weigern sich, in der Rolle des sexy Popstars aufzugehen.
Perrys Ausflüchte und ein Musikvideo, in dem ausnahmslos normschöne, fast nackte Frauen zu ihrer Aussage tanzen, dass Frauen «alles sein können», wirkt da seltsam rückwärtsgewandt.
«Ein bisschen sarkastisch»: Katy Perry reagierte auf Kritik Im Video zu «Woman’s World» ist die Musikerin in Pin-up-Outfits zu sehen, während sie zum Beispiel einen diamantbesetzten Akkuschrauber in die Höhe hält, Monster-Truck fährt oder sich Benzin in ihren nackten Hintern tankt.
Das sei Satire, entgegnete Perry, nachdem Kritik lautgeworden war. «Wir haben einfach nur Spass, sind ein bisschen sarkastisch dabei», sagte sie in einem Video, das sie auf Instagram veröffentlichte. «Es ist sehr slapstickartig und sehr auf die Spitze getrieben. In diesem Setting tun wir so, als ob es uns nicht um den männlichen Blick ginge – aber wir bedienen natürlich den männlichen Blick.»
Der frühe Erfolg von Katy Perry Nicht nur ihre Musik, vor allem ihre öffentliche Inszenierung wirkt wie ein Recycling dessen, was Katy Perry um die frühen Zehnerjahre zu einer der Pop-Ikonen schlechthin werden liess. Sie hatte damals sagenhaften Erfolg. So landeten etwa fünf Singles ihres 2010er-Albums «Teenage Dream» auf Platz eins der Billboard-Charts.
Es war eine Zeit, in der Perry, Rihanna oder Lady Gaga mit Elektro-Pop-Krachern wie «Firework», «Only Girl (In The World)» oder «Poker Face» die Charts anführten.
Es war auch die Zeit, in der ein Lied darüber, dass man als Frau eine andere Frau geküsst habe, noch ansatzweise subversiv wirkte (und gleichzeitig männliche Fantasien bedienen konnte – so zu sehen in Perrys Video zu «I Kissed a Girl»). Dazu auch unser Kommentar von Anna Rosenwasser (MANNSCHAFT+).
An diese Ära versucht Perry offenbar anzuschliessen. Doch während das gesellschaftlich aus der Zeit gefallen wirkt, fehlen ihr und ihrem Team musikalisch die zwingenden Ideen, die ihre früheren Hits auszeichneten.
Mehr: Mit einer Volksabstimmung will die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) den kommenden ESC in Basel verhindern und ergreift das Referendum gegen einen Kredit (MANNSCHAFT berichtete).
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