Bundestagsdebatte über Maghreb-Staaten: «sicher» für LGBTIQ?
Algerien, Marokko und Tunesien sowie Georgien will die Bundesregierung zu sicheren Herkunftsstaaten erklären
Am Donnerstag hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als «sichere Herkunftsstaaten» eingebracht. Die Bundesregierung will die so genannten Maghreb-Staaten plus Georgien in diese Kategorie einstufen. Bislang konnten sich die Parteien aber nicht darauf einigen: Grüne und Linke machen da nicht mit.
Ulla Jelpke (Linke) ist gegen den Entwurf der Regierung, da in dem Dokument stehe, dass in den Maghreb-Staaten keine spezifischen Gruppen systematisch verfolgt würden. Homosexuellen jedoch drohe genau dies, so Jelpke – unabhängig davon, ob die Homosexualität «offen gelebt wird» oder nicht. Deshalb lehne ihre Partei den Gesetzesentwurf ab. Gabriela Heinrich (SPD) stellte dasgegen klar, dass eine Einstufung von sicheren Herkunftsländern nicht bedeutet, dass Betroffene gar keine Möglichkeit auf Asyl in Deutschland hätten. Das würde durch eine «unabhängige Beratung» der Antragssteller gewährleistet werden. Stephan Thomae (FDP) war derselben Meinung. Es gebe immer noch Einzelfallprüfungen der Asylbewerber.
Auch die Grünen lehnen den Entwurf der Regierung ab. Sven Lehmann, Sprecher für Queerpolitik der Grünen Bundestagsfraktion, erklärte: Homosexuellen in den Maghreb-Staaten lebten in einem gesellschaftlichen Klima, das gleichgeschlechtliche Liebe kriminalisiert. «Hinzu kommt die Angst, aus dem direkten persönlichen Umfeld angezeigt und dann festgenommen und verurteilt zu werden. Im letzten Jahr geschah dies alleine in Tunesien 70-mal.» Im Fall von Algerien habe die Bundesregierung einräumen müssen, dass ihr die Zahl anhängiger Verfahren nicht einmal bekannt sei. Menschenrechtsorganisationen und Asylsuchende berichten seit langem sehr konkret von einem Klima der Angst und der Repression, das auch durch Polizisten ausgeübt wird.
Die Vorstellung, dass sich verfolgte Schwule und Lesben direkt bei der Registrierung zum Asylantrag wildfremden Behördenvertretern als LGBTI offenbaren, ist weltfremd
Mit der Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als «sichere Herkunftsstaaten» würden die Verfahrensrechte von verfolgten Lesben und Schwulen beschränkt und ihre Chance auf ein Asyl in Deutschland deutlich sinken. Das zeigten die Erfahrungen aus den bereits jetzt als «sichere Herkunftsstaaten» geltenden Ländern Ghana und Senegal sowie den Westbalkanstaaten, so Lehmann.
«Die Vorstellung, dass sich verfolgte Schwule und Lesben direkt bei der Registrierung zum Asylantrag wildfremden deutschen Behördenvertretern als LGBTI offenbaren, ist weltfremd. Aus der Praxis wird immer wieder berichtet, dass gerade die besonders vulnerablen Asylsuchenden Schwierigkeiten haben, ihre Verfolgungsgründe direkt zu offenbaren», erklärte Lehmann.
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