75 Jahre «New Look»: Wie Christian Dior die Mode revolutionierte
Nach seinem Tod wurde sein Assistent Yves Saint Laurent zum Nachfolger erkoren
Vor dem 12. Februar 1947 kennt ihn praktisch niemand, einen Tag später ist er weltberühmt. Mit seiner ersten Kollektion überhaupt hat Christian Dior die Mode revolutioniert. Doch sein «New Look» stösst nicht nur auf Begeisterung.
Von Axel Botur, dpa
Der Krieg ist vorbei. Seine Folgen aber sind noch überall spürbar. Auch in der Mode. Die Kleidung ist vor allem zweckmässig – bis zu jenem 12. Februar 1947. In der Avenue Montaigne 30 findet ein Defilee statt, wie es niemand erwartet hätte. Ein gewisser Christian Dior, ein Debütant der Pariser Haute Couture, ruft die Rückkehr zu Glamour und Opulenz aus. Mit taillierten Jacken, betonter Brust, schwingenden, weiten Röcken und einer verschwenderischen Stofffülle. Der «New Look» ist geboren und wird zu einem der prägendsten Kapitel der Modegeschichte.
Der Begriff selbst stammt nicht von dem Couturier, sondern von Carmel Snow, der damaligen Chefredakteurin des Magazins «Harper’s Bazaar». Dior selbst nennt diese Linie «Corolle», weil sie in ihrer Form einem Blütenkelch gleicht. Die berühmtesten Fotografen und Illustratoren setzen seine Modelle in Szene und helfen mit, dass der «New Look» weltweit populär wird. Überall orientieren sich Schneider und Konfektionäre an dieser Silhouette.
Diors Mode symbolisiert mit ihrem verschwenderischen Umgang mit Stoffen und der femininen Inszenierung ein Ende der Entbehrungen. Dabei ist der «New Look» im Grunde weder neu noch modern. Er greift zurück auf Formen der Belle Époque und des Rokoko. Entspricht so gar nicht der aktiven Rolle, die Frauen zuletzt eingenommen hatten, ist emanzipatorisch ein Rückschritt. Den nicht alle hinnehmen wollen. Auf einer Amerikareise zum Beispiel wird Christian Dior in Chicago von Demonstrantinnen mit Plakaten empfangen, auf denen steht «Nieder mit dem New Look!» oder «Christian Dior, go home!».
«Mein Ziel war es nicht, die Mode zu revolutionieren, sondern rechtschaffen das auszuführen, was ich fühlte», so äussert sich der Couturier in seiner Autobiografie «Dior und ich». Und: «Die Couture besann sich wieder ihrer Hauptaufgabe, die darin besteht, Frauen zu schmücken und zu verschönern.»
Christian Dior wird am 21. Januar 1905 in Granville in der Normandie geboren. Sein Vater besitzt eine Fabrik für Düngemittel und Chemikalien. Eine Welt, mit der Christian Dior aber nichts zu tun haben will. Er interessiert sich für Architektur, Inneneinrichtung und Blumen. Seinen Eltern zuliebe nimmt er ein Studium der Staatswissenschaften auf, wird dann aber Galerist.
Im Paris der 1920er Jahre geniesst Dior das Leben zwischen Kunst, Musik und Literatur, bis der Ruin seines Vaters all diesem Amüsement ein jähes Ende bereitet. Die Weltwirtschaftskrise setzt auch seiner Galerie zu. Er ist gezwungen, sich eine berufliche Alternative zu suchen. Über einen Freund gelangt er schliesslich zum Modellzeichnen, verkauft seine Entwürfe an Pariser Couturiers, findet Festanstellungen bei Robert Piguet und Lucien Lelong.
Der schwerreiche Unternehmer Marcel Boussac sucht 1946 eigentlich einen Kreativen, der dem angestaubten Couture-Haus Philippe et Gaston frischen Glanz verleihen soll. Er trifft sich mit Christian Dior, der ihm absagt. Stattdessen möchte er etwas Neues, Eigenes aufbauen. Boussac finanziert ihm diesen Wunsch.
Den Vorwurf, er habe den «New Look» auf Boussacs Anweisung kreiert, damit der hohe Stoffverbrauch die Umsätze des Textilfabrikanten ankurbelt, weist Dior stets von sich. Gleichwohl treibt er diesen Stil in den Folgejahren «bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten», wie er es selbst formuliert. Anfang der 1950er-Jahre fängt er an, die Taille wieder zu befreien, entwickelt schliesslich die gerade, schlanke H-Linie. Für Carmel Snow ist diese sogar «eine noch grössere Umwälzung der Mode als der New Look». Und auch dafür wird ein Name gefunden: der «Flat Look».
Das Haus Christian Dior wächst indes unaufhörlich: räumlich, personell, strategisch. Doch lange geniessen kann der Couturier seinen Erfolg nicht. Am 24. Oktober 1957 verstirbt Christian Dior unerwartet an einem Herzanfall. Er ist nur 52 Jahre alt geworden.
Sein Assistent Yves Saint Laurent, der später selbst Modegeschichte schreiben würde, wird zum Nachfolger erkoren. Jetzt ehren sechs Pariser Museen den legendären schwulen Modeschöpfer, der 2008 verstarb (MANNSCHAFT berichtete).
In den kommenden Jahrzehnten folgen unter anderem der Italiener Gianfranco Ferré und der Engländer John Galliano, der mit exzentrischen Kollektionen ab 1997 einen neuen Dior-Hype auslöst. Seit 2016 entwirft mit Maria Grazia Chiuri erstmals eine Frau die Damenkollektionen. Von Beginn an verfolgt sie einen feministischen Ansatz.
Und auch im 21. Jahrhundert entfacht das Label Christian Dior eine Moderevolution. Jetzt allerdings für Männer. Hedi Slimane, von 2000 bis 2007 kreativer Kopf dieses Segments, schneidert Silhouetten hauteng auf den Körper, kreiert einen androgynen Look. Mit einem verblüffenden Resultat: Seine Männermode wird auch von ziemlich vielen Frauen getragen. Was wohl Monsieur Dior dazu gesagt hätte?
Ende Januar ist der französische Modeschöpfer Thierry Mugler gestorben: Er war auch als Regisseur, Bodybuilder, Autor und Designer tätig (MANNSCHAFT berichtete).
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