Urteil: Schwuler Mann aus Algerien wird nicht als Flüchtling anerkannt
Der 35-Jährige will nicht mehr versteckt leben müssen
Der algerische Homosexuelle Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari wird in Deutschland nicht als Flüchtling anerkannt. Wie das Verwaltungsgericht Frankfurt am Dienstag mitteilte, lehnte es seine Klage gegen die Ablehnung seines Asyl-Folgeantrags durch das BAMF ab.
Der Algerier könnte nun vorbehaltlich einer entsprechenden Entscheidung der Ausländerbehörden abgeschoben werden. Bendjeriou-Sedjerari hatte sich sowohl in Medien als auch bei öffentlichen Veranstaltungen für die Rechte homosexueller Geflüchteter eingesetzt und über die Verfolgung von Homosexuellen in Algerien gesprochen. Sein erster Asylantrag war im März 2020 abgelehnt worden. Damals hiess es zur Begründung, dass das Risiko für Homosexuelle in Algerien nicht so erheblich sei, dass von einer «flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung» auszugehen sei.
Auch ein Folgeantrag nach einer Verhaftungswelle von Homosexuellen in Algerien im Jahr 2020 wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgewiesen.
Dagegen hatte Bendjeriou-Sedjerari im Februar 2021 vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt erneut Klage erhoben. Er wolle nicht mehr versteckt leben müssen, hatte er kürzlich vor Gericht erklärt (MANNSCHAFT berichtete).
Sein Anwalt machte geltend, dass seit der Ablehnung des ersten Asylantrags in Algerien etwa 80 Homosexuelle festgenommen worden seien. Gerade angesichts der verstärkten Sichtbarkeit seines Mandanten sei ein Leben in Algerien mit der Gefahr von Gewalt oder Verhaftung verbunden.
Die Frankfurter Richter argumentierten hingegen, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Im Vergleich zu den Erkenntnissen, die bei dem Urteil von 2020 zugrunde gelegt worden seien, sei keinerlei Veränderung feststellbar. Deshalb gehe das Gericht weiterhin davon aus, dass es für Schwule in Algerien kein reales Risiko einer Anklage gebe, es sei denn, zu dem homosexuellen Verhalten geselle sich ein zusätzliches Merkmal, welches dann die Anklage verursache.
Abdel vermisst Umarmen, Küssen und Händchenhalten Das Gericht sieht seine Entscheidung nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dem Kläger fehlten Umarmen, Küssen, Händchenhalten in der Öffentlichkeit. Insofern sei aber von Bedeutung, dass Algerien nach der Auskunftslage eine konservative, stark heteronormative Gesellschaft sei, bei der die öffentliche Zurschaustellung von Zuneigungen auch unter heterosexuellen Paaren unüblich und verpönt sei. TV-Auftritte des Klägers begründeten keine veränderte Sachlage.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Darüber entscheidet der Hessische Verwaltungsgerichtshof.
Zum Weltflüchtlingstag kritisierte der LSVD die menschenverachtende BAMF-Praxis und forderte faire und rechtssichere Asylverfahren für queere Geflüchtete sowie ein Ende des «Diskretionsgebots» (MANNSCHAFT berichtete)
Das könnte dich auch interessieren
Berlin
Nach Mobbing gegen schwulen Lehrer: Schule offen für queere Projekte
Seit einer Woche ist eine Schule in den Negativschlagzeilen, weil dort ein Lehrer monatelang wegen seiner Homosexualität gemobbt worden sein soll. Nun kommt etwas Bewegung in den Fall.
Von Newsdesk/©DPA
Bildung
Deutschland
Queerfeindlichkeit
Religion
Schwul
Deutschland
SPD-Frau aus Sachsen: Sophie Koch ist die neue Queerbeauftragte
Ihr Vorgänger hat sich für seine Initiativen Respekt erworben. Nun will sich eine Frau aus Sachsen um die Rechte und das Ansehen queerer Menschen kümmern.
Von Newsdesk/©DPA
News
Politik
Ungarn
Pride-Verbot: 20 EU-Länder erhöhen den Druck auf Ungarn
20 EU-Staaten stellen sich klar gegen Ungarns Pride-Verbot. Auch Deutschland verschärft den Ton Richtung Budapest – und bringt einen möglichen Entzug der Stimmrechte ins Spiel.
Von Newsdesk/©DPA
News
Österreich
Pride
Deutschland
Theater
«Ooops …»: Wo sind die queeren Figuren im deutschsprachigen Musical?
Obwohl es im englischsprachigen Musical seit den frühen 2000er-Jahren einen Tsunami an Stücken mit LGBTIQ-Themen gibt, kommt davon im deutschsprachigen Raum wenig an. Warum eigentlich?
Von Kevin Clarke
Kultur
Musik
TIN
Bühne
Österreich