Tolerantes Thailand? Mehr Schein als Sein

Thailand vermarktet sich als hippe Urlaubsdestination – auch für Lesben und Schwule. Doch der liberale Schein trügt: Die Gesellschaft ist konservativ, Diskriminierung an der Tagesordnung. Wie passt das zusammen? Text: Siraphob Thanthong-Knight

(dpa) – «Wenn meinem Mann morgen etwas Schlimmes zustösst, hätte ich überhaupt keine Rechte.» Chakgai Jermkwan lebt in ständiger Sorge. Er ist seit drei Jahren verheiratet, die Ehe wurde in den USA geschlossen. Mit seinem Mann Sean betreibt Chakgai ein beliebtes Schwulenlokal im Ausgehviertel Silom in Bangkok. Thailand jedoch erlaubt keine gleichgeschlechtlichen Ehen und erkennt auch im Ausland geschlossene Verbindungen nicht an. «Hier sind wir vor dem Gesetz nur zwei Kumpels.»

Mit dem auch homofreundlich ankommenden Slogan der Tourismusmanager «Go Thai, Be Free» (deutsch: Komm nach Thailand und sei frei) ist es nicht so weit her. Das Alltagsleben ausserhalb der Urlauber-Resorts ist nicht ganz so einfach. Es gibt keine Gesetze gegen Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bi- oder transgender Menschen. Das betrifft auch die Bars, Schönheitssalons und Revuen der so zahlreich vertretenen Khatoeys.

Chakgai (links): «Hier sind wir vor dem Gesetz nur zwei Kumpels.» (Bild: Facebook)
Chakgai (links): «Hier sind wir vor dem Gesetz nur zwei Kumpels.» (Bild: Facebook)

Gesicherte Zahlen, wie viele Thailänder sich als Khatoeys bezeichnen, gibt es nicht. Die Universität Hongkong schätzte 2002 das Verhältnis auf einen unter 166 Männern. Aktivisten gehen von einer höheren Zahl aus. In den USA liegt das Verhältnis nach Schätzungen bei etwa 1:2500.

Khatoeys arbeiten vor allem in der Unterhaltungsindustrie. Oft bleibe ihnen keine andere Wahl, sagt Kath Khangpiboon, die einzige transgender Universitätslektorin Thailands. «Ich hatte Glück. Ich wurde wegen meiner Fähigkeiten angestellt. Die meisten Transmenschenn bekommen diese Chance gar nicht.» Arbeitgeber fordern Transfrauen oft auf, sich noch wie ein Mann zu kleiden, fügt sie hinzu. «Dagegen müsste es Gesetze geben.»

Homosexualität als Strafe aus einem früheren Leben In den thailändischen Seifenopern sind «Ladyboys» oft Witzfiguren, doch in Politik, Rechtsprechung oder im Bildungswesen gibt es kaum Leitfiguren für LGBT. «Das liberale Image von Thailand ist oberflächlich», meint Kath. Im täglichen Leben und in der Arbeitswelt gebe es kaum Akzeptanz. Erst 2011 strich das Verteidigungsministerium Transsexualität von seiner Liste schwerer psychischer Krankheiten.

Die geplante Einführung einer zivilen Partnerschaftsregelung spaltet die Community. Sean und Chakgai erhoffen sich eine rechtliche Besserstellung. «Wir kriegen zwar nicht alle Rechte, die wir verdienen, aber es ist ein wichtiger erster Schritt», sagt Chakgai.

Anjana Suvarnada von der Lesben- und Schwulenorganisation Anarjee kritisiert, dass homosexuelle Paare Heterosexuellen nicht gleichgestellt werden. Die Ehe bleibe verwehrt. Verbesserungen gibt es etwa nur bei Eigentumsrechten. Adoption und gemeinsames Sorgerecht bleiben weiterhin verboten.

Im mehrheitlich buddhistischen Thailand glauben viele, Homo- oder Transsexualität sei eine Strafe für Ehebruch in einem früheren Leben. Viele Eltern verachten ihre Kinder für ihre Orientierung. Aber in der thailändischen Kultur wird Konfrontation nach Möglichkeit vermieden: «Meine Familie weiß es, sie verspüren Abneigung, aber wir reden nie darüber» – solche oder ähnliche Worte hört man oft.

Nach einer Umfrage der Khon-Thai-Stiftung 2014 hielten 56 Prozent der Thailänder zwischen 15 und 24 Jahren Homosexualität für etwas Falsches. In Deutschland war nach einer Studie des US-Forschungsinstituts Pew aus demselben Jahr für nur 8 Prozent der Befragten Homosexualität moralisch nicht akzeptabel.

Ein erster Schritt für mehr LGBT-Rechte wäre es, den Menschen klarzumachen, dass es nicht falsch sei, schwul oder transgender zu sein, sagt der Aktivist Suppakorn Chudabala. «Die Menschen müssen aufhören, Heterosexualität als die Norm zu sehen.» Mehr wollen auch Sean und Chakgai nicht: «Wir verlangen keine Sonderrechte. Wir wollen nur gleich wie alle anderen behandelt werden.»

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