WM in Katar: Erst kommt das Kicken, dann die Moral

An eine nachhaltige Verbesserung allein durch eine WM glaubt Hitzlsperger nicht

Thomas Hitzlsperger (Foto: Tom Weller/dpa)
Thomas Hitzlsperger (Foto: Tom Weller/dpa)

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat mehr Ehrlichkeit bei der Diskussion über die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 an Katar gefordert.

Es sei ihm lieber, «wenn man knallhart sagt: Die arabische Welt ist ein wichtiger Markt mit potenten Sponsoren, sie haben eine Top-Bewerbung abgegeben, also spielen wir da», sagte der Vorstandsvorsitzende des Bundesligisten VfB Stuttgart, Thomas Hitzlsperger, dem Fachmagazin kicker (Montag).

Der WM-Gastgeber ist wegen seines Umgangs mit Gastarbeitern sowie mit Frauen- und Minderheitenrechten insbesondere aus westlicher Sicht umstritten. Hitzlsperger findet daher den Ansatz richtig, mittels des Turniers den Fokus auf die gesellschaftlichen Umstände zu richten und womöglich Veränderungen anzustossen. «Man versucht, damit die alte diplomatische Idee von Wandel durch Annäherung zu bemühen», sagte der 39-Jährige.

Allerdings glaubt er nicht an wesentliche Veränderungen allein durch die WM. Seine Hoffnungen hielten sich in Grenzen, sagte der EM-Zweite von 2008. Es werde dem Weltverband FIFA nicht schwerfallen, vier Wochen lang Bilder zu zeigen, die den Eindruck von Fortschritt vermittelten, ohne dass sich im Land in den kommenden Jahren grundsätzlich etwas ändere. «Aber an eine nachhaltige Verbesserung allein durch eine WM glaube ich nicht. Russland ist nach der letzten WM auch nicht demokratischer und liberaler geworden», sagte Hitzlsperger.

Erst kommt das Kicken, dann die Moral. Dieser abgewandelte Spruch von Bertolt Brecht ist für die Fussball-Branche ein Grundvorwurf im WM-Jahr. Einen Turnier-Boykott fordert niemand mehr, aber der richtige Umgang mit den unzureichenden demokratischen Standards im Gastgeberland bleibt für alle WM-Akteure eine Prüfung.

Transparente, Regenbogenbinde und Kniefall waren die Aktionen 2021. Je näher die WM rückt, desto lauter werden die Rufe nach klaren Positionierungen der Fussball-Stars gegen Homophobie und Arbeiterausbeutung am Golf werden.

Auch Benjamin Näßler, der bisherige Mr Gay Germany, der bei der Wahl zum Mr. Gay World 2021 unter die Top 5 kam, richtet seine Kampagne gegen Homophobie im Fussball international aus.

«Die FIFA, der DFB, alle können und müssen Druck ausüben», forderte der Vorsitzende von Human Rights Watch, Wenzel Michalsky (MANNSCHAFT berichtete). Der Menschenrechtsexperte bot an, Bierhoff, Flick und die Spieler nochmals zu instruieren. Bei der WM würden diese dann nämlich nur «Glanz und Gloria» präsentiert bekommen.

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