Theo Zwanzigers Anklage: Kritik an Katar, FIFA und DFB
Es sei in den vergangenen Jahren vieles unter den Teppich gekehrt worden
Der ehemalige DFB-Boss Theo Zwanziger sollte im Auftrag Katars jahrelang in seiner kritischen Haltung gegenüber dem WM-Gastgeber beeinflusst werden. Für Zwanziger steht nun fest: Die Einflussnahme des Wüstenemirats geht weit darüber hinaus.
Von Eric Dobias, dpa
Theo Zwanziger konnte die Emotionen bei seiner Anklage gegen den WM-Gastgeber Katar, den Weltverband FIFA und den Deutschen Fussball-Bund nur mühsam kontrollieren. Immer wieder schwankte die Stimme des ehemaligen DFB-Präsidenten bei der 90-minütigen Generalabrechnung am Donnerstag in Koblenz zwischen laut und leise, hin und wieder zitterte die Hand. «Je mehr ich ins Grübeln komme, umso mehr verletzt es mich», sagte Zwanziger über das gescheiterte Geheimprojekt «Flussbett», mit dem der 76-Jährige vor einigen Jahren von seiner kritischen Haltung gegenüber der WM in Katar abgebracht werden sollte. «Ich bin masslos enttäuscht, dass ich auf eine solch perfide Art in meiner Meinung beeinflusst wurde.»
Zuletzt hatte der deutsche Nationalspieler Christian Günter die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 an den Golfstaat Katar kritisiert: «Solange es homophobe oder rassistische Vorfälle gibt, muss man dagegen aufstehen können.» (MANNSCHAFT berichtete)
Zwanziger setzte der in ihm aufgekommene Verdacht zu, dass Katar zumindest indirekt auch Einfluss auf die Ermittlungen rund um das bis heute nicht restlos aufgeklärte Sommermärchen der WM 2006 in Deutschland genommen habe. Zahlreiche Vorgänge wie die staatlichen Verfahren und die DFB-Untersuchungen der Affäre seien seiner Ansicht nach «möglicherweise von einem Interesse Katars beeinflusst» worden. Es sei immer wieder aufgefallen, dass es bei den involvierten Behörden – vor allem in der Schweiz – «ein hohes Mass an Voreingenommenheit» gegeben habe.
Während gegen Zwanziger und weitere frühere Fussball-Funktionäre jahrelange Ermittlungen und mittlerweile eingestellte Verfahren angestrengt worden waren, wurde der katarische Geschäftsmann Mohamed Bin Hammam als zentrale Figur des Skandals bis heute nicht vernommen. Auf das Konto einer Firma des ehemaligen FIFA-Vizepräsidenten, der 2012 auf Lebenszeit gesperrt wurde, waren einst zehn Millionen Schweizer Franken geflossen – umgerechnet genau die 6,7 Millionen Euro, die der DFB zuvor an die FIFA überwiesen hatte.
Auch der DFB habe bei der Aufklärung kein gutes Bild abgegeben. Es sei in den vergangenen Jahren vieles unter den Teppich gekehrt worden, kritisierte Zwanziger. Besonders auffällig sei für ihn, dass «alle, die zu nah an den Schlüssel zur Aufklärung des Sommermärchens gekommen sind – das ist Katar – dafür nicht honoriert wurden». Zwanziger rief daher vor dem DFB-Bundestag am 11. März in Bonn zu einer schonungslosen Aufarbeitung auf: «Es hilft nur die Wahrheit. Nur so kann der Verband wieder ein Stück nach vorne schauen und seine wichtigen Aufgaben in der Gesellschaft wahrnehmen.»
Eine tiefere Aufklärung des Geheimprojekts unter dem Namen «Flussbett», für das Katar die Firma eines ehemaligen CIA-Agenten mit einem Budget von zehn Millionen Dollar ausgestattet hatte, strebt Zwanziger nicht an. «Es besteht der schwerwiegende Verdacht, dass ich als Mitglied der FIFA-Exekutive von 2011 bis 2015 bespitzelt wurde. Da beginnst du plötzlich, Freundschafts- und Vertrauensverhältnisse infrage zu stellen. Das will ich nicht», betonte Zwanziger. Er selbst wisse nicht, ob er direkten Kontakt zu involvierten Personen gehabt habe. Fakt sei: «Bei mir ist kein Geld angekommen.»
Ich habe lange die Hoffnung gehabt, dass man durch sportliche Grossveranstaltungen totalitäre Systeme wesentlich verändern kann. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben.
Der gesamte Vorgang habe ihm ein Stück weit die Augen geöffnet. «Ich habe lange die Hoffnung gehabt, dass man durch sportliche Grossveranstaltungen totalitäre Systeme wesentlich verändern kann. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben», sagte Zwanziger. Solche Veranstaltungen dienten immer nur der Propaganda des jeweiligen Gastgeberlandes, «aber nicht der Einsicht, dass sich an den eigenen Verhältnissen etwas ändern muss».
Er werde die WM in diesem Jahr dennoch verfolgen. An die Adresse von FIFA-Präsident Gianni Infantino sagte Zwanziger: «Ich glaube, dass Herr Infantino, den ich für sehr fragwürdig in diesem Amt halte, sich schon überlegen muss, ob er dem Emir von Katar auf der Tribüne Respekt zollen kann.»
Nach Scharia-Recht gilt für homosexuelle Muslime in Katar die Todesstrafe. Der offen schwule Spieler Josh Cavallo äusserte letztes Jahr seine Angst, mit der australischen Nationalmannschaft nach Katar zu fliegen (MANNSCHAFT berichtete).
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