Olympia: So hat das Team LGBTIQ in Tokio abgeschnitten
Vor allem die Athletinnen sorgten für kiloweise Edelmetall
Noch nie waren an Olympischen Spielen so viele Athlet*innen dabei, die offen LGBTIQ sind. Sie sorgten in Tokio nicht nur für reichlich Medaillen, sondern auch für Emotionen, Farbkleckse, Strickeinlagen und ein versilbertes Coming-out.
Mindestens 163 Athlet*innen der Olympischen Sommerspiele identifizieren sich offen als LGBTIQ (MANNSCHAFT berichtete). Das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren in Rio. Einige von ihnen nutzten die internationale Bühne, um Farbe zu bekennen. Wie etwa die deutsche Hockey-Kapitänin Nike Lorenz, die mit Regenbogenbinde antrat (MANNSCHAFT berichtete). Oder auch die philippinische Boxerin Nesthy Petecio, die ihre Silbermedaille der LGBTIQ-Community widmete.
Erste trans Athletin Eher unfreiwillig stand die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard im Rampenlicht. Als erste trans Olympionike sorgte sie für grosses mediales Aufsehen, das ihr nicht immer ganz geheuer schien. Dass Hubbard überhaupt antreten durfte, kam bei einigen Konkurrentinnen nicht gut an. Nach einem sportlich sehr enttäuschenden Auftritt hatte sie dennoch eine Botschaft für die anwesenden Journalist*innen: «Sport ist etwas für alle Menschen, er ist inklusiv, er gewährt allen Zutritt.»
Gleich neun LGBTIQ-Sportlerinnen standen im Finale des olympischen Fussballturniers, wo die Kanadierinnen gegen die Schwedinnen siegreich waren.
Coming-out und Strick-Pause Dann gab es auch noch ein Coming-out: Die polnische Ruderin Katarzyna Zillmann outete sich als lesbisch, nachdem sie mit ihrem Team im Doppel-Vierer die Silbermedaille gewonnen hatte. Sie widmete die Medaille ihrer Freundin (MANNSCHAFT berichtete). Sie habe schon in mehreren Interviews über ihre Homosexualität gesprochen, sagte Katarzyna Zillmann gemäss Nau.ch. Aber anscheinend habe man dies immer wieder zensiert. Auf Instagram gibt es von dem Paar Fotos, die bereits vor Olympia aufgenommen wurden.
Es waren vor allem die Athletinnen, die im Team LGBTIQ für kiloweise Edelmetall sorgten. Als einziger schwuler Mann eine Goldmedaille aus Tokio nach Hause nehmen darf der britische Turmspringer Tom Daley. Später stand er dann dank seinen Strickkünsten wieder im Rampenlicht (MANNSCHAFT berichtete). Während der 27-Jährige in den Publikumsrängen das Finale der Frauen vom 3-Meter-Brett verfolgte, schaute ihm die Welt beim Stricken eines lilafarbenen Pullovers zu.
Homofeindliche Fehltritte Tokio 2020 schrieb aber auch unschöne Geschichten. So wurden Tom Daley und Laurel Hubbard im russischen Staatsfernsehen Opfer von LGBTIQ-feindlichen Sprüchen. In einer Talkshow hatte der Duma-Abgeordnete Alexej Schurawljow über den schwulen Turmspringer gesagt: «Wir stehen entschlossen gegen diese ganze Plumpheit und diese Perversion. Wir sind gegen diese Abscheulichkeit.»
In einem anderen Format trat ein Moderator mit Zöpfchen-Perücke auf, um die trans Gewichtheberin Laurel Hubbard nachzuäffen. Das Internationale Olympische Komitee verurteilte daraufhin diese Anfeindungen und Beleidigungen (MANNSCHAFT berichtete). «Diskriminierung hat bei den Olympischen Spielen absolut nichts zu suchen», sagte ein IOC-Sprecher.
Ebenfalls für Empörung gesorgt hat der italienische Tennisprofi Fabio Fognini. Die Nummer 32 der Welt hat auf dem Platz mehrmals lautstark eine schwulenfeindliche Beleidigung von sich gegeben. Er hat sich nach seinem Ausscheiden bei den Olympischen Spielen für seinen verbalen Fehltritt entschuldigt (MANNSCHAFT berichtete).
Rang 7 im Medaillenspiegel Mit dem Ende der sportlichen Grossveranstaltung ist der Zeitpunkt für eine Bilanz gekommen. Wie haben die LGBTIQ-Athlet*innen abgeschnitten? Ziemlich gut! Wären alle zusammen in einem Team, würde dieses im Medaillenspiegel auf Rang sieben liegen – vor den Niederlanden, Frankreich und Deutschland.
Insgesamt holten LGBTIQ-Athlet*innen 11 Gold-, 12 Silber- und 9 Bronzemedaillen. Die Infos für die untenstehende Übersicht haben wir von der LGBTIQ-Sportnachrichtenplattform Outsports, die fleissig mitgezählt hat.
Gold
- Alexandra Lacrabère, Amandine Leynaud; Frankreich, Handball
- Kellie Harrington; Irland, Boxen
- Sue Bird, Chelsea Gray, Brittney Griner, Breanna Stewart, Dianna Taurasi; USA, Basketball
- Quinn, Kadeisha Buchanan, Erin McLeod, Kailen Sheridan, Stephanie Labbé; Kanada, Fussball
- Ana Marcela Cunha; Brasilien, Schwimmen
- Yulimar Rojas; Venezuela, Dreisprung
- Amandine Buchard; Frankreich, Judo
- Kelly Brazier, Gayle Broughton, Ruby Tui, Portia Woodman; Neuseeland, Rugby
- Emma Twigg; Neuseeland, Rudern
- Stefanie Dolson; USA, 3×3-Basketball
- Tom Daley; Grossbritannien, Turmspringen
Silber
- Ana Carolina, Carol Gattaz; Brasilien, Volleyball
- Ramsey Angela; Niederlande, 4 × 400-m-Staffel
- Magdalena Eriksson, Lina Hurtig, Hedvig Lindahl, Caroline Seger; Schweden, Fussball
- Jolanta Ogar; Polen, Segeln
- Nesthy Petecio; Philippinen, Boxen
- Hannah Roberts; USA, BMX-Freestyle
- Raven Saunders; USA, Kugelstossen
- Astrid Guyart; Frankreich, Fechten
- Erica Sullivan; USA, Schwimmen
- Katarzyna Zillmann; Polen, Rudern
- Amandine Buchard; Frankreich, Judo
- Ally Carda, Amanda Chidester, Haylie McCleney; USA, Softball
Bronze
- Tom Daley; Grossbritannien, Turmspringen
- Susannah Townsend, Leah Wilkinson, Sarah Jones; Grossbritannien, Hockey
- Megan Rapinoe, Tierna Davidson, Adrianna Franch, Kelley O’Hara; USA, Fussball
- Jasmin Grabowski; Deutschland, Judo
- Raz Hershko; Israel, Judo
- Lucilla Boari; Italien, Bogenschiessen
- Sanne van Dijke; Niederlande, Judo
- Carl Hester; Grossbritannien, Dressurreiten
- Larissa Franklin, Joey Lye; Kanada, Softball
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