Olly Alexander: «Ich wollte nicht schwul sein»
Der Sänger im Interview über Magersucht und selbstverletzendes Verhalten
Olly Alexander haderte in seiner Jugend mit seiner Sexualität und war jahrelang magersüchtig. Der «Years & Years»-Sänger über Scham und Selbsthass.
Am 22. Januar startet auf dem britischen Channel 4 das Drama «It’s a Sin». Hinter der mehrteiligen Serie steckt Russell T. Davies, Showrunner von Produktionen wie «Queer as Folk» oder «Doctor Who». Die Handlung dreht sich um das Leben von drei jungen schwulen Männern, die in den Achtzigerjahren von der AIDS-Krise betroffen sind. Mit dabei ist Olly Alexander als 18-jähriger Ritchie Tozer, der seine Sexualität vor seiner Familie versteckt.
Für den Frontsänger der Elektropopband «Years & Years» ist es nicht die erste Schauspielrolle. Der 30-Jährige stand bereits für mehrere TV-Serien vor der Kamera und auch auf der Bühne, etwa mit Judi Dench und Ben Whishaw im Theaterstück «Peter and Alice». Neben «It’s a Sin» spricht Olly Alexander mit der britischen Zeitung The Guardian auch über seine Jugend, in der er lange mit sich selbst gehadert hatte.
Nach der Scheidung seiner Eltern habe er sich schuldig gefühlt. «Es war Selbsthass. Ich wollte nicht schwul sein», sagt Alexander, der die sozialen Medien wegen Hasskommentaren meidet. «Ich war überzeugt davon, dass sich meine Eltern wegen mir trennten.» Als er in eine Essstörung schlittert, ist er kaum ein Teenager. In sein Tagebuch schreibt er, dass er dünn sein will. «Mein Motto war immer: Ich werde das nicht mehr essen. Ich esse keinen Kuchen mehr. Ich werde nie mehr Nudeln essen.»
Rückblickend sagt Alexander, dass ihn die Magersucht eine gewisse Macht gab. «Sie war etwas, das ich kontrollieren konnte. Ich hatte den Eindruck, keine Kontrolle über die anderen Aspekte meines Lebens zu haben.» Er hielt sich für dick, obwohl er in der Primarschule höchstens ein bisschen «pummelig» gewesen sei, sagt er heute.
Als Jugendlicher begann er sich zu ritzen. Narben an den Oberarmen und an den Unterschenkeln erinnern ihn bis heute an sein selbstverletzendes Verhalten. «Ich schämte mich dafür und wollte sie verstecken.» Als ihn ein Freund auf ein Pflaster ansprach und im Witz fragte, ob er sich etwa ritze, war es Olly Alexander so peinlich, dass er damit aufhörte. Die Magersucht begleitete ihn hingegen länger. Seine Mutter brachte ihn aufgrund von Herzrhythmusstörungen – eine mögliche Folge des ständigen Erbrechens – ins Krankenhaus. «Sie konnte nicht verstehen, warum ihr Sohn ihr Essen wieder erbrach», erinnert er sich. «Sie fand es heraus, weil ich die WC-Schüssel nicht richtig geputzt hatte.»
Nach seinem Studium zog Alexander nach London, wo er ins schwule Leben eintauchte. Die Magersucht überwindet er Schritt für Schritt. «Es ist schwierig, einen Job zu behalten, wenn man die ganze Zeit Essen erbricht. Irgendwann muss man sich entscheiden», sagt er. Zudem habe ihn den Besuch im Krankenhaus einen Schrecken eingejagt. «Ich hatte Angst, meine Organe langfristig geschadet zu haben.»
Nach «It’s a Sin» will sich Alexander wieder der Band und der Musik widmen. Der Songwriter hatte bereits eine ganze Reihe von Songs geschrieben, mit denen er ein Album füllen könnte. Doch dann kam Corona. «In der Zeit, in der ich in meiner Wohnung verrückt wurde, realisierte ich, dass ich nichts davon mochte», sagt er. Die Musik habe sich irrelevant angehört. «Ich wollte einfach nochmals von vorne beginnen, was ich dann auch tat. Jetzt ist sie fast fertig – schon wieder.»
Hast du Fragen zu deiner Sexualität? Die Beratungsstelle Du-bist-du in der Schweiz und In & Out in Deutschland helfen dir weiter.
Das könnte dich auch interessieren
Österreich
Nach Eurogames: Wien fördert auch 2025 verstärkt LGBTIQ-Projekte
Die Eurogames in Wien hatten eine internationale Ausstrahlung. Vizebürgermeister Wiederkehr will auch deshalb künftig LGBTIQ-Projekte weiter fördern.
Von Newsdesk Staff
Kultur
Coming-out
«Schäme micht nicht»: Sänger Khalid outet sich
Der Grammy-Gewinner war zuvor von einem Kollegen als schwul beschimpft worden
Von Newsdesk Staff
Musik
News
Ausstellung
Retrospektive Nan Goldin: Eine Pionierin der queeren Fotografie
Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Eine Berliner Ausstellung widmet ihr eine Retrospektive – mit intimen Einblicken in das Leben der US-Fotografin.
Von Newsdesk/©DPA
Kultur
Kunst
Fotografie
TV
Nach Trump-Wahl: Ellen DeGeneres und Portia de Rossi «hauen ab»
Ellen DeGeneres und ihre Ehefrau Portia de Rossi haben angeblich die USA verlassen und sollen nach England gezogen sein. Der Umzug erfolgte offenbar als Reaktion auf Donald Trumps Wahlsieg.
Von Newsdesk Staff
Lesbisch
Kultur