«Miss Beautiful» aus Frankreich – «Das Leben ist selten eindeutig»
Interview mit Ruben Alves
«Miss Beautiful» ist eine französische Komödie über einen jungen Mann auf der Suche nach seiner Geschlechtsidentität: Er erfüllt sich seinen Kindertraum und nimmt am «Miss France»-Wettbewerb teil. Wir sprachen mit dem schwulen Filmemacher Ruben Alves in einem Videointerview.
Ruben Alves, geboren 1980 als Sohn portugiesischer Eltern in Paris, begann seine Karriere zunächst als Schauspieler in verschiedenen Fernsehserien und Kinofilmen. Unter anderem spielte er 2014 eine Nebenrolle im Biopic «Yves Saint Laurent». Bereits ein Jahr zuvor hatte er allerdings mit «Portugal, mon amour» auch sein Debüt als Regisseur vorgelegt. In der Hauptrolle als junger Mann, der zur Miss France gewählt werden möchte, überzeugt Neuentdeckung Alex Wetter, der dafür promot für den französischen Filmpreis César nominiert wurde. Und in einer Nebenrolle ist übrigens niemand anderes als Amanda Lear zu sehen.
Monsieur Alves, ursprünglich hatten Sie mal geplant, einen Film über die Transition einer trans Frau zu drehen. Warum wurde «Miss Beautiful» nun letztlich doch die Geschichte eines cis Mannes, der alles daran setzt, an der Wahl zur Miss France teilzunehmen? Stimmt, mein ursprünglicher Plan war ein anderer, inspiriert von den Erfahrungen einer Freundin, die trans ist. Aber dann stiess ich auf Instagram auf Alexander Wetter, der nun mein Hauptdarsteller ist. Mich faszinierte die Freiheit, mit der er sein Leben lebt. Er interessiert sich für Labels kein bisschen, Konzepte wie trans und cis sind ihm vollkommen egal. Er ist ein Mann, aber wenn er Lust darauf hat, ist er auch eine Frau. Aber eben auch nicht als reine Drag-Performance, sondern wirklich durch ein Ausleben seiner Weiblichkeit.
Noch vor einigen Jahren wäre sowas ziemlich undenkbar gewesen, aber die Generation, die heute Mitte 20 und jünger ist, ist diesbezüglich wahnsinnig offen. Über die Transition von trans Frauen gibt es schon tolle Filme, aber über Gender-Fluidität und Nichtbinäre kaum. Deswegen fand ich das Thema für meinen Film noch spannender, neuer und zeitgemässer.
Und wie kamen Sie dann darauf, ausgerechnet eine so überholte Institution wie den Miss-France-Wettbewerb zum Zentrum der Geschichte zu machen? Mir war es wirklich wichtig, einen Film für ein möglichst breites Publikum zu machen und das Themenfeld der nichtbinären Geschlechteridentität gerade solchen Zuschauer*innen nahe zu bringen, die noch gar nichts damit anfangen können. Dafür fand ich eine der normative, ganz klar kodierte Veranstaltung wie diesen Schönheitswettbewerb ein ideales Vehikel. Denn mein Protagonist ist in jeder Hinsicht so ziemlich das Gegenteil dessen, wofür Miss France steht – und durch diesen Gegensatz wird seine Identität leichter greifbar.
Haben Sie mit den echten Veranstalter*innen des Wettbewerbs Kontakt gehabt? Oh ja, das war natürlich wichtig. Als ich ihnen erzählte, dass ich einen Film über einen jungen Mann drehen möchte, der Miss France werden will, war erst einmal vier Sekunden Schweigen angesagt. Aber sie erwiesen sich dann als ausgesprochen offen meiner Idee gegenüber und gewährten mir wahnsinnig viele Einblicke in den Betrieb, was für den Film natürlich sehr hilfreich war. Ich will sowieso eigentlich gar nichts auf Miss France kommen lassen. Klar sind solche Veranstaltungen total altmodisch und restriktiv. Aber ähnlich wie andere überholte Einrichtungen wie etwa der Militärdienst stehen sie eben auch für die Vermittlung von Selbstbewusstsein und ein paar klassischen Werten, die jungen Leuten heute nicht zwingend schaden würden. Und sei es auch nur, um sich daran abzuarbeiten.
Auch Filme können Werte vermitteln oder eben in Frage stellen. Wie würden Sie zusammenfassen, worum es Ihnen mit «Miss Beautiful» ging? Zunächst einmal wollte ich ganz einfach eine Geschichte darüber erzählen, dass es sich lohnt, für seine Träume zu kämpfen, weil tatsächlich alles möglich ist, wenn wir ans uns selbst glauben. Es ist ein Film über den Mut, man selbst zu sein, was eine Sache ist, die auch mir in meinem Leben nicht immer leicht gefallen ist. Und ich wollte irgendwie auch zeigen, dass nicht immer alles nur entweder oder sein muss. Mich nervt, dass heutzutage alle zu Schwarz/Weiss-Denken neigen, gerade in den sozialen Netzwerken. Es gibt immer nur richtig oder falsch, gut oder böse. Dabei ist das Leben selten so eindeutig.
Dazu passt Ihr Film auch stilistisch, schliesslich ist er weder eine reine Komödie noch ein echtes Drama! Eben. Auch das entspricht ja dem Leben. Ich hatte schon den Eindruck, dass es eine gewisse Erwartung in Frankreich gab, aus dieser Geschichte eine waschechte Komödie zu machen. Aber das interessierte mich nicht. Genauso wie ich keine Tragödie wollte, denn mein Protagonist und seine Wahlfamilie sind viel zu starke Persönlichkeiten, als dass sie sich von den tragischen Ereignissen dauerhaft herunterziehen lassen würden. Deswegen habe ich mich an Vorbildern wie Pedro Almodóvar orientiert, in dessen Filmen man ja auch immer weinen und lachen muss.
«Miss Beautiful» ist jetzt als DVD, Blu-ray & VoD erhältlich.
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