Militär und schwul – natürlich geht das zusammen

Es sei ein Vorurteil, dass Schwule im Schweizer Militär nicht willkommen seien, meint Stefan Fritschi

Dominik Winter (links) leitet für die Schweizer Armee Ausbildungsmodule zum Thema Diversity. (Bild: zvg)
Dominik Winter (links) leitet für die Schweizer Armee Ausbildungsmodule zum Thema Diversity. (Bild: zvg)

Stefan Fritschi hat vor drei Jahren die Rekrutenschule absolviert und aus seinem Schwulsein nie einen Hehl gemacht und deswegen auch keine Nachteile erfahren. Dass sich das Militär der gesellschaftlichen Akzeptanz von Homosexualität anpasst, das ist für Dominik Winter von den QueerOfficers ganz selbstverständlich.

Dass Schwule im Schweizer Militär nicht willkommen seien, sei ein Vorurteil, meint Stefan Fritschi und fügt an: «Es ist wichtig, dass wir hingehen. Nur so kann das Militär auch ein Abbild der Gesellschaft sein.»

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Ein Abbild der Gesellschaft, das auf Zwang gegenüber Männern beruht? Ja, das finde er auch nicht in Ordnung. «Das System darf und muss hinterfragt werden», meint der 24-jährige Ostschweizer. «Wenn das Militär freiwillig gewesen wäre, wäre ich nicht gegangen», gibt er zu.

Doch der Zivildienst sei für ihn ebenso nicht in Frage gekommen, wie sich sonst irgendwie vor der Wehrpflicht zu drücken. «Viele meiner Freunde dachten nicht, dass ich das durchhalten würde – denen wollte ich das zeigen», lacht er.

Stefan ist 24 Jahre alt und arbeitet als Steuerberater in einer multinationalen Grossfirma. Er hat eine Lehre zum Kaufmann absolviert, arbeitet 70 % und studiert nebenbei an der ZHAW «Economics & Politics» im Bachelor. Seine Rekrutenschule hat er 2016 als Sanitäter in Airolo absolviert. Er war der älteste Rekrut an der Schule und zugleich der einzige offen schwule. Sein Coming-out im Militär verlief beiläufig: «Man spricht halt über die Freizeit und ob man eine Freundin hat und so. Da sagte ich halt, dass ich einen Freund habe. Fertig.»

Stefan Fritschi: «Viele meiner Freunde dachten nicht, dass ich das durchhalten würde.» (Bild: Stefan Fritschi)
Stefan Fritschi: «Viele meiner Freunde dachten nicht, dass ich das durchhalten würde.» (Bild: Stefan Fritschi)

Es habe weder Nachfragen noch Probleme oder sonst irgendwelche dummen Sprüche gegeben. «Kann sein», spekuliert er, «dass das mit den vielen Kantonsschulabgängern an der Sanitätsschule in Zusammenhang gestanden ist. Vielleicht wäre ein Coming-out in der Infanterie anders gewesen.» Gegenüber ihm als Schwulen habe man sich gutgesinnt verhalten. Ab und zu sei mal ein Spruch wie «das ist so schwul» gefallen. Obwohl die Verwendung von «schwul» als Schimpfwort heute als homophob gilt, habe sie ihn insofern nicht gestört, als sie nicht auf ihn bezogen gewesen sei. Es sei nicht in der Absicht seiner Kameraden gewesen, auf seine sexuelle Orientierung anzuspielen.

Mit Menschen aus anderen Kreisen in Kontakt treten «Je diverser ein Team ist, desto durchlässiger ist es», sagt Stefan. Und obschon seine Kompanie nur aus Männern bestand, hätten auch so interessante Diskussionen über unterschiedliche Meinungen stattgefunden, erinnert er sich. Doch anwesende Soldatinnen hätten bestimmt verhindert, dass beispielsweise misogyne Sprüche geklopft worden wären, und sie hätten im Allgemeinen für einen weniger rauen Umgangston untereinander gesorgt, zeigt sich Stefan überzeugt.

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Problemlos verlief auch der Besuchstag, als sein Freund ihn in Airolo besuchen kam, oder das Nacktsein zum Beispiel unter der Dusche: «In der RS ist man dermassen und jederzeit unter Zeitdruck, da hat man eh keine Musse, sich über irgendwas Gedanken zu machen.» In den Wiederholungskursen habe er schon mal gehört, dass ein Kamerad gesagt habe, dass er mit dem Duschen lieber zuwarte, bis Stefan fertig sei. Das wisse er aber nur vom Hörensagen und wisse nicht einmal, ob das überhaupt stimme.

Stefan empfand die Stimmung in der Sanitäterausbildung als aufgeschlossen. Seine offene Art und seine Anwesenheit hätten manchmal auch Gespräche ausgelöst, die klarmachten, dass viele junge Männer in ihrem Privatleben bislang keinen oder kaum Kontakt zu schwulen Männern gehabt hatten. Zusammenfassend sagt Stefan: «Das war definitiv eine gute Seite meiner Militärzeit: die Möglichkeit, mit Menschen aus ganz anderen Kreisen in Kontakt zu treten.»

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Öffnung per Volksabstimmung Doch ist Homosexualität in der Schweizer Armee wirklich kein Problem mehr? «Wer mit einer Person gleichen Geschlechts eine unzüchtige Handlung vornimmt» wurde gemäss Artikel 127 des Militärstrafgesetzes noch bis 1992 mit Gefängnis bestraft. In einer Volksabstimmung strichen die Schweizer Stimmberechtigten mit einer Dreiviertelmehrheit diesen Artikel dann aus dem Militärstrafgesetz.

Dominik Winter vertritt die Queer Officers auch im Ausland, hier an einer Veranstaltung der Arbeitskreises Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr in München. (Bild: zvg)
Dominik Winter vertritt die Queer Officers auch im Ausland, hier an einer Veranstaltung der Arbeitskreises Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr in München. (Bild: zvg)

Seither versucht das Militär, sein homophobes Image abzustreifen. Doch es dauerte nochmals 13 Jahre, bis sich eine Handvoll schwuler Offiziere zusammentat und den Verein «Queer Officers» gründete. Der heutige Präsident, Dominik Winter, sagt dazu: «Damals stand die Abstimmung über das Partnerschaftsgesetz an, und eine Gruppe schwuler Offiziere fand, es sei an der Zeit, sich zu positionieren und öffentlich für das Anliegen einzustehen.» Aus der Gruppe wurde ein Verein; ein mutiger Verein: Obwohl unüblich, schaltete er in der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift ASMZ» ein Inserat, in dem offen für das Partnerschaftsgesetz geworben wurde. «Die damals beteiligten Kameraden haben gemischte Reaktionen erlebt», sagt Dominik. Gut war, dass das Tabuthema damit bekannt wurde, andererseits gab es wohl auch Anfeindungen. «Diese waren nicht nur gegen uns als schwule Offiziere gerichtet, sondern auch darauf, dass Offiziere überhaupt öffentlich Position für etwas beziehen, das nur am Rande mit der Armee zu tun hat.»

Wir treffen regelmässig militärische Stellen, bis hin zum Chef der Armee. Wir sind offizieller Ansprechpartner der Armeeführung, wenn es um Diversity-Fragen geht

Aktiv im Diversity-Management Heute zählt der Verein 94 Mitglieder, hauptsächlich aus der Deutschschweiz. Mitglieder bei den Queer Officers können alle Angehörigen der Armee im Offiziersrang werden. Einfache Soldat*innen wie Stefan, Angehörige von Offizier*innen oder Allies – Verbündete – sind ebenfalls willkommen und werden als Sympathisant*innen ohne Stimmrecht aufgenommen. Der Verein ist nicht nur der Geselligkeit verpflichtet, sondern leistet einen Beitrag zum Diversity-Management in der Armee: «Wir treffen regelmässig militärische Stellen, bis hin zum Chef der Armee. Wir sind offizieller Ansprechpartner der Armeeführung, wenn es um Diversity-Fragen geht», sagt Dominik. «Wir verstehen uns als Impulsgeber und diskutieren auf Augenhöhe mit.» So sei es beispielsweise auch das Verdienst der Queer Officers, dass 2018 das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung offiziell Eingang ins Dienstreglement gefunden hat.

Weiter unterstützt der Verein die Armee aktiv in der Ausbildung: Bereits zum zweiten Mal fand Mitte Mai in der Logistikoffiziersschule ein von den QueerOfficers entwickeltes Ausbildungsmodul Anwendung. Mitten auf dem Schiessplatz Geissalp bei Schwarzsee im Kanton Freiburg unterwies Dominik die angehenden Offiziere im Umgang mit Diversity. Er erklärt: «In diesem Modul thematisieren wir neben der Homosexualität zum Beispiel auch den Rassismus gegenüber Soldat*innen mit Migrationshintergrund und das Mobbing gegenüber Soldat*innen aus einem anderen Landesteil mit einer anderen Muttersprache.» Dominik ist klar der Meinung, dass Diversity-Management Teil der Führungsausbildung im Militär sein muss. «Das Thema kommt an und stösst auf Interesse», sagt er. Das zeigten ihm die regen Diskussionen, die er mit seinen Ausführungen – für die er notabene seine Freizeit opfert – anstösst.

Der ausführliche Bericht ist in der Juli/August-Ausgabe Schweiz der MANNSCHAFT erschienen. Hier geht es zum Abo für die Schweiz oder für Deutschland.

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