Letzter Akt oder Befreiungsschlag? Kevin Spacey wieder vor Gericht
Die ihm zur Last gelegten Sexualdelikte reichen von ungewollten Berührungen bis hin zu Nötigung zum Sex
Mehrere Männer in Grossbritannien werfen Schauspieler Kevin Spacey sexuelle Übergriffe vor. Der frühere Hollywood-Star gibt sich aber überzeugt, dass er bei dem Prozess in London seine Unschuld beweisen kann – und hofft darauf, wieder aus dem Karriereloch zu kommen.
Von Christoph Meyer, dpa
US-Hollywood-Schauspieler Kevin Spacey hat zum Auftakt des Strafprozesses gegen sich wegen mutmasslicher sexueller Übergriffe einen selbstbewussten Eindruck gemacht. Als er am Mittwoch beim Gerichtsgebäude in London eintraf, lächelte er und winkte der wartenden Presse. Dem 63 Jahre alten zweifachen Oscar-Gewinner («American Beauty», «Die üblichen Verdächtigen») werden sexuelle Straftaten gegen vier Männer vorgeworfen. Er streitet die Vorwürfe ab.
Spacey, der einen dunklen Anzug und eine rosafarbene Krawatte trug, nahm in dem schmucklosen Gerichtssaal 1 des Southwark Crown Court in einem Glaskasten für den Angeklagten Platz, bevor der Richter die Verhandlung eröffnete. Aufmerksam nahm Spacey die Jury-Mitglieder in Augenschein, als sie einzeln aufgerufen wurden und ihren Platz auf der Geschworenenbank einnahmen. Die Verlesung der Anklagepunkte verfolgte er weitgehend regungslos. Der erste Sitzungstag war nach wenigen Stunden schon wieder beendet. Die Verhandlung soll am Freitag fortgesetzt werden.
Die ihm zur Last gelegten Sexualdelikte reichen von ungewollten Berührungen bis hin zu Nötigung zum Geschlechtsverkehr und sollen sich zwischen 2001 und 2013 in London sowie in der Grafschaft Gloucestershire ereignet haben (MANNSCHAFT berichtete). Spacey war von 2004 bis 2015 künstlerischer Direktor am renommierten Londoner Theater Old Vic und lebte zeitweise in der britischen Hauptstadt.
Der frühere Star der Netflix-Serie «House of Cards» hatte in allen Fällen auf unschuldig plädiert und deutlich gemacht, dass er den Prozess als Gelegenheit betrachtet, seinen Namen reinzuwaschen. Ob es zum Befreiungsschlag kommt, oder ob der vierwöchige Prozess zum letzten Akt für den einst gefeierten Schauspieler wird, hängt nun von der Jury ab. Wird er schuldig gesprochen, könnte ihm eine Haftstrafe drohen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Schauspieler wegen angeblichen sexuellen Fehlverhaltens vor Gericht verantworten muss. Im vergangenen Jahr musste er sich einem Zivilprozess in den USA stellen. Der Schauspieler Anthony Rapp hatte Spacey vorgeworfen, im Jahr 1986 bei einer Party sexuell übergriffig geworden zu sein und ihn verletzt zu haben (MANNSCHAFT berichtete). Er forderte 40 Millionen Dollar Schadenersatz. Doch Spacey gewann den Prozess. Zwei weitere Zivilklagen in den USA wurden zurückgezogen.
Schuldig oder nicht – Spaceys Schauspielkarriere war mit Aufkommen der Vorwürfe vorläufig beendet. Die 2017 im Zuge der #MeToo-Debatte erstmals mit Nachdruck öffentlich gemachten Vorwürfe Rapps zogen viele weitere Anschuldigungen nach sich und brachten Spaceys damals erfolgreiche Karriere ins Wanken. Netflix beendete die Zusammenarbeit zur Erfolgsserie «House of Cards» und verklagte ihn auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Old Vic distanzierte sich ebenfalls von ihm – auch dort waren Vorwürfe laut geworden. Szenen mit ihm in dem Thriller «All The Money in the World» (Alles Geld der Welt) wurden sogar nachträglich entfernt.
Lange Zeit sehr medienscheu, öffnete sich Spacey dem Zeit-Magazin, das Mitte Juni einen ausführlichen Bericht über mehrere Gespräche mit dem früher so populären Hollywood-Star veröffentlichte. Die Zeit-Autorin besuchte Spacey unter anderem zuhause in Baltimore und traf ihn bei einer Preisverleihung in Turin. Sie war auch an einem Filmset in London, wo er an einem Low-Budget-Film mitwirkte – eine von wenigen Rollen, die er nach Aufkommen der Vorwürfe bekommen hatte.
Spacey zeigte sich darin nachdenklich wegen seines Auftretens gegenüber anderen in der Vergangenheit. «Ich glaube, ich habe wirklich sehr versucht, kein Arschloch zu sein. Aber ich denke, in einem gewissen Masse war ich ein Arschloch», sagte er dem Magazin im Hinblick auf seinen Umgang als Star mit anderen Menschen. Zu den Vorwürfen, die gegen ihn vorgebracht wurden, äußerte er sich nicht.
In Bezug auf den Prozess in London zeigte er sich zuversichtlich, dass die Vorwürfe in sich zusammenfallen werden. Das sei bei der Rapp-Klage so gewesen und werde auch jetzt wieder so sein, gab sich Spacey überzeugt. Sein Image in den Medien werde er aber wohl nicht mehr reparieren können. Trotzdem hoffe er darauf, dass nach einem Freispruch in London auch wieder Aufträge aus Hollywood kommen werden. In zehn Jahren, so Spacey, werde das alles vergessen sein. Sein Werk werde ihn überdauern, daran werde man sich erinnern.
«Die Maus» wirbt für Vielfalt und erinnert an die Stonewall Riots (MANNSCHAFT berichtete).
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