Hass auf Pride-Tram in Dresden: «Ich fühle mich als Hetero diskriminiert!»
Im Netz geht es hoch her
Letzte Woche präsentierten die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) ihre erste regenbogenbunte Strassenbahn mit dem Slogan: «Wir bringen euch ans andere Ufer.» Der Hass blieb, wenig überraschend, nicht aus.
Damit wollen die DVB ein sichtbares Zeichen gegen bestehende Vorurteile setzen und zum Ausdruck bringen, dass Vielfalt eine Bereicherung sei (MANNSCHAFT berichtete). Das empfinden aber viele Menschen gar nicht so. Unser MANNSCHAFT-Post zu dem Thema wurde bei Facebook kommentiert mit Statements wie: «Ich bin vor Jahren das letzte mal mit der Bahn gefahren…ich laufe auch gerne.» Andere werden deutlicher: «Ekelhaft diese permanente, aufgezwungene Anbiederung an eine Minderheit.»
Wieder andere User*innen schreiben: «Widerliche Propaganda» oder «Und wann gibts dann eine Hetero-Bahn? Ich fühle mich als Hetero diskriminiert!» oder «Was für eine überflüssige Aktion. «Bürger mit diesem Homo Dreck zu penetrieren». Andere nennen die Tram sogar den «Affenpocken-Express».
Wir wollten wissen, welche Kommentare die Verkehrsbetriebe erhalten. Es gebe, so die Antwort, «sehr viele ,Meinungen’» zur Pride-Tram. «Aber genau aus diesem Grund haben wir die Bahn doch auf die Gleise gebracht, der Hass oder sagen wir mal, die kontroversen Meinungen sind ja der Grund, warum wir als DVB auch ein Zeichen setzen wollen und Beweis genug, dass es auch nach wie vor nötig ist dazu Stellung zu beziehen», so die Content Managerin Social Media bei den DVB, Caroline Lösche in einer schriftlichen Antwort an MANNSCHAFT.
Die meisten Reaktionen gebe es auf dem Facebook-Kanal. Mittlerweile hätten sich über 600 Kommentare (an diesem Dienstagmorgen sind 444 Kommentare zu sehen) unter verschiedenen Beiträgen angefunden, die man jedoch nicht alle aktiv korrigiere oder beantworte. «Und das hat einen guten Grund: Unsere Follower «erziehen» sich gegenseitig. Wir begrüssen den Austausch untereinander und sind froh, dass es so viele Fürsprecher gibt und die Blickwinkel untereinander ausgetauscht werden. Selbstverständlich behalte man die Kommentarspalte im Blick und reagiere, sollte etwas völlig schief laufen – etwa, wenn es zu Beleidigungen, Bedrohungen oder aussergewöhnlichen Hassbekundungen kommt – dann würden die Nutzer/Nachrichten gelöscht oder blockiert und gegebenenfalls per Direktnachrichten darauf angesprochen, so die DVB-Mitarbeiterin.
Zu den Statements, die von anderen User*innen korrigiert werden, gehört u.a. dieses: «Und wieder ein Statement gegen die normale Familie, gegen Normalität!!!! Diese Handlanger der ,Sorostherapie‘ (in Ungarn wird gerne eine Verschwörung durch den US-amerikanischen Investor und Philanthropen George Soros behauptet, Anm. d. Red.) an der Menschheit kotzen mich so dermassen an. Jeder kann in diesem Land sein, was er will, Leben wir er will, aber ich erwarte Dan mal von unserer Politik und den Politikern ein Statement für die Familie. Aber das ist wohl nicht gewollt. Das hier ist für mich gewollte Spaltung !!!!!» (sic!)
Eine der Antworten auf diesen Kommentar lautet: «wird die ,normale Familie‘ (was auch immer das bedeuten mag) denn diskriminiert, verprügelt oder abgestochen, weil sie ihre Liebe nicht verheimlichen? Was für ein Statement hättest Du denn gern, werd mal konkret.»
Anzeigen stelle man in Dresden nicht – oder zumindest bisher nicht, so Lösche. Bei Instagram hielten sich die Reaktionen sehr zurück bzw. seien ausschliesslich positiv. «Hier haben wir auch eher unsere Fahrzeug-Fans, welche sich einfach über ein neues Design freuen.»
Grundsätzlich sei das DVB-Statement klar und deutlich formuliert, auf Diskussionen lasse man sich nicht ein – hier müsse man auch einfach Sinn und Nutzen gegenüberstellen. Die meisten Kommentatoren liessen Dampf ab, aber würden sich durch unsere «Einmischung» nicht eines Besseren besinnen, sondern sich eher noch zusätzlich provoziert fühlen, glaubt Lösche. Offenbar reiche auch schon eine bunt beklebte Strassenbahn, um eine grössere Gemeinschaft zu provozieren.
«Wir werden durch unser Statement nicht die ganze Gesellschaft ändern, aber wir haben einen wichtigen Schritt getan und klar Stellung bezogen. Es ist aus unserer Sicht auch nicht nötig sich nun permanent für unsere Entscheidung zu rechtfertigen, sollte es doch ein Zeichen für Normalität und Gleichberechtigung sein, dass sich bei uns jede*r willkommen und sicher fühlen soll.»
Wir sehen den Regenbogen am Ende des Tunnels.
Die Pride-Tram zu beschädigen oder zu beschmieren, das habe bisher niemand gewagt. «Wir bleiben gespannt und freuen uns auf die Feierlichkeiten rund um die CSD-Woche in Dresden. Sicherlich wird der mediale Aufschrei noch ein wenig andauern, aber tatsächlich ist dies ja nicht das erste Rodeo – in den letzten zwei Jahren mussten wir auch zu anderen Themen (Maskenpflicht, 3G-Veranstaltungen usw.) um viel Toleranz und Akzeptanz bitten. Wir sehen also den Regenbogen am Ende des Tunnels.»
Das könnte dich auch interessieren
Fitness
Muskelsucht unter schwulen Männern: Wenn dich das Spiegelbild trügt
In den sozialen Medien präsentieren Männer ihre durchtrainierten Körper vor Millionen von Menschen. Um ihnen nachzueifern, greifen Follower sowohl zur Hantel als auch zu Steroiden. Mit gravierenden Konsequenzen für Körper und Psyche.
Von Greg Zwygart
Lifestyle
Sport
Soziale Medien
Schwul
Gesundheit
Interview
«Eine Unzufriedenheit mit dem Körper gehört zum Geschäftsmodell von Gyms»
Roland Müller ist Angebotsleiter für Muskel- und Fitnesssucht bei der Fachstelle Prävention Essstörungen Praxisnah (PEP) des Inselspitals Bern. Wir sprachen mit ihm über Dysmorphophobie.
Von Greg Zwygart
Lifestyle
Sport
Soziale Medien
Schwul
Gesundheit
News
Trump stellt schwulen US-Botschafter für Belgien ab
Der designierte Präsident Donald Trump hat einen neuen US-Botschafter in Belgien ernannt. Seine Wahl scheint auf den ersten Blick verwunderlich
Von Newsdesk Staff
News
FPÖ hetzt gegen trans-freundlichen Kindergarten
FPÖ und Queers – das passt selten zusammen. Einen neuesten Beleg lieferte die rechtspopulistische Partei nun, indem sie einer LGBTIQ-freundlichen Einrichtung das Geld streichen will.
Von Newsdesk Staff
TIN
Österreich
Bildung