Ehe für alle – Der Bundestag gibt sein Ja-Wort
Künftig dürfen nun auch schwule und lesbische Paare in Deutschland heiraten
Zuerst gab es die Ehe für alle auf europäischem Boden in den Niederlanden, das war 2001. Danach kam Belgien. Es folgten im Laufe der Zeit andere europäische Länder wie Spanien, Frankreich, England, Schottland und Irland im Jahr 2015. Künftig dürfen nun auch schwule und lesbische Paare in Deutschland heiraten.
Die Eheöffnung hat der Bundestag heute Morgen in freier Abstimmung beschlossen, also nach Gewissen, nicht nach Fraktionszugehörigkeit. 393 von 623 Abgeordneten stimmten dafür. Von der CDU votierten u.a. die Bundeskanzlerin und Bundestagspräsident Lammert dagegen.
Rund 300 Unterstützer der Eheöffnung hatten sich schon am frühen Morgen vor dem Bundeskanzleramt versammelt und die Entscheidung lautstark bejubelt. Der beschlossene Gesetzentwurf geht auf einen Vorstoß aus Rheinland-Pfalz zurück, der bereits Ende 2015 vom Bundesrat beschlossen wurde.
Homopaare bekommen damit alle Rechte und Pflichten einer Ehe zwischen Mann und Frau. Dazu wird das Bürgerliche Gesetzbuch geändert. Dort heißt es bislang: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.“ Künftig wird daraus: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“
Rechtlich sind homosexuelle und heterosexuelle Paare also endgültig gleichgestellt. Praktisch wirkt sich die Eheöffnung vor allem beim Adoptionsrecht aus – bislang mussten schwule und lesbische Paare den Umweg der Sukzessivadoption gehen. Künftig können Homopaare regulär Kinder adoptieren.
Berufliche Nachteile bei kirchlichen Arbeitgebern
Noch ein Punkt, an dem sich die Benachteiligung der bisherigen Zweiklassen-Ehe zeigt: der Familienstand eingetragener Lebenspartner. Wer diesen dem Arbeitgeber korrekt mitteile, machte klar: Ich bin schwul oder bisexuell oder lesbisch, und „das kann in manchen Situationen zu Nachteilen führen, nicht nur bei diskriminierenden Vorgesetzten“, wie Michael Kauch kürzlich dem Deutschlandfunk gegenüber erklärt hat. Er ist Vorsitzender des Völklinger Kreises (VK), dem Berufsverband schwuler Führungskräfte und Selbständiger.
„Vor allem kann es aber dazu führen, dass in Arbeitsverhältnissen bei kirchlichen Arbeitgebern beziehungsweise bei Sozialeinrichtungen, die der Kirche gehören, es echte berufliche Nachteile geben kann, bis theoretisch hin auch zum Verlust des Arbeitsplatzes. Und solange das so ist, kann man nicht jedem schwulen Mitarbeiter oder jeder lesbischen Mitarbeiterin empfehlen, die sexuelle Orientierung auch am Arbeitsplatz offen preiszugeben.“ Die Lebenspartnerschaft führte dazu, dass das zwangsweise passierte, so Kauch.
Keine Lebenspartnerschaft mehr ab Oktober Nach dem heutigen Beschluss geht erstmal alles bis zum 30. September weiter wie gehabt. Das Gesetz muss nächste Woche noch durch den Bundesrat, die Zustimmung gilt als sicher. Die geschlossenen Lebenspartnerschaften, schätzungsweise 50.000 Paare, können dann beim Standesamt rückwirkend in eine Ehe umgewandelt wird. Ab dem 1. Oktober können keine neuen Lebenspartnerschaften mehr geschlossen werden.
Die CDU, die im Kampf gegen die Eheöffnung heute Rot-Rot-Grün unterlegen ist, will noch nicht aufgeben. Eine Gruppe von Unionsabgeordneten prüfe rechtliche Schritte gegen das Gesetz, berichtete gestern der Tagesspiegel. Man wolle in Karlsruhe klären lassen, ob das Gesetz zur Ehe für alle mit Artikel 6 des Grundgesetzes vereinbar sei“, so der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Darin heißt es „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Von zwingend verschiedengeschlechtlichen Partnern steht dort nichts.
Viele in der Union fühlen sich vom Koalitionspartner und seinem Vorgehen in den vergangenen Tagen überrumpelt. Der offen schwule frühere Hamburger Bürgermeister Ole von Beust dagegen nannte es gegenüber der Zeit „inhaltlich und taktisch richtig, was da passiert ist“. Dennoch prophezeite er: „Die SPD mag sich im Moment vielleicht als Sieger fühlen. Aber unterm Strich ist für CDU/CSU gut, dass sie das Thema los sind. Bei der SPD wird die Freude nicht lange anhalten.“
Erstmal aber feiert nun die LGBTI-Community diesen wichtigen Sieg. Natürlich versuchen ihn alle politischen Kräfte für sich zu reklamieren. Auf die Frage, wer die Eheöffnung am ehesten für sich verbuchen könnte – Volker Beck (Grüne), Martin Schulz (SPD) oder Angela Merkel (CDU) -, sagte SPDqueer-Chefin Nowacki gegenüber MANNSCHAFT: „Alle, aber Merkel am wenigsten.“ Nowacki würdigte die Verdienste von Beck, wies aber daraufhin, dass sie bereits am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie, Parteichef Schulz die Zusage abgerungen habe, die Eheöffnung zur roten Linie bei künftigen Koalitionsverhandlungen zu erklären.
Volker Becks Verdienst sei es ganz bestimmt, findet Nowackis christdemokratischer Kollege, Alexander Vogt von der LSU (Lesben und Schwule in der Union). Vor der Arbeit des grünen Politikers habe er große Hochachtung. Bei Schulz und Merkel seien dagegen „ganz klar wahltaktische Erwägungen“ im Spiel gewesen.
83 % der Deutschen für die Eheöffnung Das schwule CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, der als Stargast beim LSU-Jahresempfang sprach, sagte, es habe zwar mit der Eheöffnung in Deutschland „zu lange gedauert“. Dafür könne man sich aber einer breiten Akzeptanz in der Gesellschaft sicher sein. Er erinnerte daran, dass in Frankreich nach der Öffnung der Ehe zehntausende Gegner bei Demos der Manif pur tous auf die Straße gegangen waren. Einer repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge sprechen sich 83 % der Deutschen für die Eheöffnung aus. Laut einer aktuellen FAZ- Umfrage sind selbst drei von vier Anhängern der Union dafür.
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