Bittersüsses «Last Christmas»: Vor 5 Jahren starb George Michael
Erinnerungen an einen begnadeten Musiker
Er war der Posterboy der 80er, für den viele Mädchen und ein paar Jungs schwärmten, während er seine Homosexualität verbarg. Dann erfand sich George Michael neu. Den grossen Erfolgen standen allerdings private Tragödien gegenüber. Vor fünf Jahren starb der Sänger mit nur 53 Jahren. Von Philip Dethlefs.
Zu Weihnachten ist George Michael mit einem seiner absoluten Kultsongs wieder in aller Ohren. «Last Christmas», seine Hitsingle aus Wham!-Zeiten, ist jedes Jahr im Dezember einer der Dauerbrenner im Radio und in den Playlisten der Streamingdienste. Für Fans des britischen Popstars hat der Song etwas Bittersüsses. Denn am 1. Weihnachtstag jährt sich George Michaels Todestag zum fünften Mal.
Die Nachricht von seinem Tod sorgte nicht nur in der Musikbranche für Erschütterung. Mit nur 53 Jahren war Michael laut Gerichtsmedizinern eines natürlichen Todes gestorben. Sein Lebensgefährte Fadi Fawaz hatte ihn am 25. Dezember 2016 leblos im Bett gefunden. Michael litt unter einer Herzerkrankung und einer Fettleber. Von Drogenproblemen war gelegentlich auch die Rede. Auf Bildern, die kurz vor seinem Tod entstanden waren, wirkte der Popstar aufgedunsen und übergewichtig.
Doch in Erinnerung bleibt George Michael, der am 25. Juni 1963 als Georgios Kyriacos Panayiotou geboren wurde, als gutaussehender Posterboy der 80er Jahre, als genialer Songwriter, Romantiker und Poppoet, als vielseitiger Musiker, der sich immer wieder neu erfand – und allen voran als begnadeter Sänger mit einer fantastischen Stimme. Die blinde Soulikone Stevie Wonder scherzte über ihn: «Wollt ihr etwa sagen, dass George weiss ist, im Ernst? Oh, mein Gott!»
George Michael steht für viele unsterbliche Popklassiker besonders der 80er und 90er Jahre – gemeinsam mit Andrew Ridgeley als Wham! («Wake Me Up Before You Go-Go», «Careless Whisper»), als Solokünstler («Faith», «I Want Your Sex») und im Duett mit Superstars wie Aretha Franklin («I Knew You Were Waiting For Me») oder seinem Kumpel Elton John («Don’t Let The Sun Go Down On Me»).
Seinen wohl bekanntesten Live-Auftritt gab er mit der Band Queen nach dem Tod von Freddie Mercury beim Benefizkonzert im Wembley-Stadion (MANNSCHAFT berichtete). Die mitreissende Aufnahme «Somebody To Love» wurde sogar zur Single. Gesanglich gehörte George Michael in eine Liga mit Mercury, aber er kam mit dem Ruhm wohl nicht so gut zurecht wie der Queen-Frontmann.
In dem autobiographischen Dokumentarfilm «George Michael: Freedom», den er selbst bis kurz vor seinem Tod gedreht hatte, der aber erst posthum fertiggestellt wurde, sagt der Sänger: «Ich hoffe, dass die Leute mich als jemanden sehen, der gewisse Integrität hatte, und ich hoffe, dass sie mich so in Erinnerung behalten.» Doch im Nachsatz äussert er Zweifel. «Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Ich denke, es war alles eine Zeitverschwendung, vergebene Mühe.»
George Michael, den Familie und Freunde meist Yog nannten, litt unter Depressionen. Er hatte viele Schicksalsschläge verkraften müssen. 1993 starb sein Lebensgefährte Anselmo Feleppa mit 37 an den Folgen einer Aidserkrankung. Als Michael beim Freddie-Mercury-Tribute sang, wusste er schon, was Feleppa bevorstand. Von dem Verlust habe er sich nie erholt, sagt Michael in seinem Film. Auch der Krebstod seiner Mutter 1997 setzte ihm schwer zu (MANNSCHAFT berichtete).
Obendrein erlitt er in den 90ern eine schwere berufliche Niederlage, als er den Rechtsstreit gegen seine Plattenfirma Sony verlor. Er hatte sein Image als Sexsymbol ablegen wollen. Weder wollte er auf dem Cover seines 1990 veröffentlichten zweiten Soloalbums «Listen Without Prejudice Vol. 1» zu sehen sein, noch für Musikvideos vor die Kamera treten. Sony warf er vor, als Bestrafung dafür sein Album nicht gut vermarktet zu haben. Die Richter sahen das anders und bestätigten den Plattenvertrag, den der Sänger als «professionelle Sklaverei» bezeichnet hatte.
George Michaels turbulentes Jahrzehnt gipfelte 1998 in seinem etwas unfreiwilligen Coming-out, nachdem ihn die Polizei auf einem öffentlichen WC in Beverly Hills wegen «unsittlichen Verhaltens» festgenommen hatte. Daraufhin gab er dem Sender CNN ein Interview. «Ich finde nicht, dass ich es erzählen muss», sagte Michael. «Aber ich habe kein Problem damit, dass die Leute wissen, dass ich in einer Beziehung mit einem Mann bin.»
Den Vorfall mit der Polizei, der von Boulevardmedien genüsslich ausgeschlachtet wurde, verarbeitete der Sänger satirisch in seinem Musikvideo zur Single «Outside». Dass er privat darüber lachte, ist zweifelhaft, zumal er seine Homosexualität so lange verborgen hatte. Seine erste schwule Beziehung habe er mit 27 gehabt, so Michael.
Seinen früheren Wham!-Kollegen Andrew Ridgeley, mit dem er zeitlebens befreundet blieb, beneidete Michael, weil der weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwand und ein entspanntes Leben führen konnte. Für die Schlagzeilen sorgte Michael allerdings selbst – er fuhr unter Drogeneinfluss, schlief am Steuer ein und fiel einmal sogar aus einem fahrenden Auto. Da rückte die Musik zwangsläufig in den Hintergrund. 2011 hätte ihn eine Lungenentzündung fast das Leben gekostet.
Dass George Michael nur für seine Musik respektiert werden wollte, zeigt sich in gewisser Weise auch an seinem Engagement für wohltätige Zwecke. Das wurde nämlich erst bekannt, als die Empfänger nach Michaels Tod an die Öffentlichkeit gingen (MANNSCHAFT berichtete). Der Sänger hatte anonym Millionen gespendet, unter anderem an eine Kinderschutzorganisation, und sogar persönlich in einer Obdachlosen-Unterkunft ausgeholfen.
Die Popularität George Michaels und seiner Musik ist fünf Jahre nach seinem Tod und fast 40 Jahre nach der albernen Debütsingle «Wham Rap! (Enjoy What You Do)» ungebrochen. «Careless Whisper», «Faith» oder «Freedom! ’90» sind unsterbliche Popklassiker. Und natürlich hat es «Last Christmas» auch in diesem Jahr zur Weihnachtszeit wieder in die Top Ten der britischen und deutschen Charts geschafft.
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