#Actout – «Das Egal scheint noch nicht ganz egal zu sein»
Der schwule Schauspieler Bruno Cathomas kennt das Gefühl, keine Aufträge mehr zu bekommen
185 Schauspieler*innen fordern mehr Vielfalt in Film und Fernsehen, darunter auch der Schweizer Bruno Cathomas. In diesem Bereich könne der Film noch so einiges vom Theater lernen, sagt er.
Letzte Woche outeten sich 185 Schauspieler*innen im Rahmen der Kampagne #ActOut als schwul, lesbisch, bisexuell, queer, nicht-binär und trans (MANNSCHAFT berichtete) und forderten mehr Sichtbarkeit im Kulturschaffen. Darunter sind vier Schweizer*innen, einer von ihnen ist Bruno Cathomas. Die Nachrichten, die der 55-jährige Theater- und Filmschauspieler im Anschluss an die Aktion erhält, sind ironisch gemeint, denn Cathomas steht seit bald 20 Jahren offen zu seiner Sexualität.
«Aha, du bist schwul» oder «Oh, das wusste ich ja gar nicht» schreiben ihm Bekannte. Bereits 2003 zeigte sich der gebürtige Bündner gemeinsam mit seinem Lebenspartner in einer Homestory in der Schweizer Illustrierten.
Es sei ja auch nicht ganz richtig, die Kampagne im Magazin der Süddeutschen Zeitung als Coming-out zu bezeichnen, sagt Cathomas gegenüber MANNSCHAFT. «Der Titel sagt eigentlich alles: ‹Wir sind schon da›. Es soll keine Überraschung sein, dass wir existieren.» Einerseits geht es darum, dass die Sexualität und Geschlechtsidentität von Schauspieler*innen keine Rolle spielen soll. Andererseits fordern die 185 Unterzeichnenden mehr Diversität im Film und Fernsehen.
Premiere in der Vogue India: Queerness auf der Titelseite
Prominentes Beispiel der #ActOut-Kampagne ist «Tatort»-Star Ulrike Folkerts, die aufgrund ihres Lesbischsseins nicht als Mutter gecastet wurde. «Das Egal scheint noch nicht ganz egal zu sein», sagt Cathomas, der selbst immer wieder in «Tatort»-Folgen mitspielt und auch als Regisseur tätig ist, unter anderem für «Oscar Wilde – Ein Rausch» am Berliner Maxim-Gorki-Theater.
Für den gebürtigen Bündner und heutigen Wahlkölner war die eigene Sexualität jedoch auch nicht immer «egal». Als er 1998 für den Deutschen Filmpreis nominiert wurde, führte er mit seinem Agenten und seinem Partner immer wieder Gespräche darüber, wie viel er nun von seinem Privatleben preisgeben soll. «Was wir alles besprochen haben, weiss ich nicht mehr. Ich weiss nur noch, dass es extrem anstrengend war. Und alles nur aufgrund der Angst, dass man keine Aufträge mehr bekommt.»
Diese Erfahrung musste Cathomas schliesslich doch noch machen. Als er 2014 in den Schweizer Medien offen übers Fremdgehen und übers Koksen sprach, blieben die Drehaufträge aus der Schweiz drei Jahre lang aus. «Lag es nun an den Drogen oder am Fremdgehen – ich weiss es nicht», sagt er lachend. Eine ActOut-Aktion sei auch in der Schweiz nötig, sagte Schauspieler Jan Hutter gegenüber MANNSCHAFT.
Ob Cathomas aufgrund seiner Sexualität die eine oder andere Rolle durch die Lappen gegangen ist, kann er ebenso schwer beurteilen. «Das ist das Perfide daran. Vor fünfzig Jahren wusste man genau, wer etwas gegen dich hatte. Heute verschwindet alles unter dem Deckmantel der Toleranz», sagt er. «Ähnlich verhält es sich mit dem Übergewicht. Ich habe nie gehört, dass ich zu dick bin. Offiziell habe ich deswegen nie eine Filmrolle verloren. Für eine Absage gibt es immer andere Gründe.»
Überhaupt sei die Theaterwelt, in der Cathomas seine Wurzeln hat, aufgeschlossener und offener als die Film- und TV-Branche. «Welches Geschlecht man spielt, wie man aussieht, wie alt man ist – auf der Bühne wird ständig experimentiert», sagt er. Anders im deutschsprachigen Film, in dem ein starker Abgleich mit der Realität immer noch das grösste Ziel sei. «Handlung und Figuren müssen stets plausibel und logisch sein. Ein komischer Anspruch. Als würde man dem Publikum mit einem alternativen Erzählstrang zuviel zumuten. Beim Thema Vielfalt hinkt der Film dem Theater 20 Jahre hinterher.»
Schauspieler*innen wagen massenhaftes Coming-out: Wir sind queer!
In diesem Punkt habe Sandra Kegel die Aktion #ActOut missverstanden, als sie das Statement der 185 Schauspieler*innen in einem Kommentar in der FAZ kritisierte. «Womöglich sind ja die Türen, die sie ‹aufmachen wollen›, bereits sperrangelweit offen», schrieb sie.
«Wenn dem so wäre, dann wäre die Erzählweise in den Drehbüchern eine viel diversere und wir würden andere Filme sehen als das, was im deutschsprachigen Raum gerade erzählt wird», sagt Cathomas. Das Verständnis für queere Schauspieler*innen sei da, jedoch harze es bei Redaktionen und Entscheidungsträger*innen. «Es ist nicht so, dass man keine Diversität im Film einbauen will. Vielmehr geistert aus unerklärlichen Gründen die Angst herum, dass das Publikum dafür nicht bereit ist. Was überhaupt nicht stimmt.»
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