Viele Emotionen an der Generalversammlung der Zurich Pride
Die Mitglieder des Vereins Zurich Pride Festival wählten gestern eine neue Präsidentin und stimmten über eine Grundsatzfrage ab: Das Motto der Zurich Pride darf nicht an Geld gekoppelt werden.
Der Verein Zurich Pride Festival kann auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. An der diesjährigen Pride vom 9. und 10. Juni konnte der Vorstand nebst traumhaften Wetter einen neuen Besucherrekord, eine prominente Demonstrationsroute durch die Innenstadt und einen Reingewinn von über CHF 20’000 verbuchen. Darüber hinaus erhielt der Verein trotz anfänglicher Skepsis viel Zuspruch für sein Motto «No Fear To Be You». Der Fokus auf LGBTIQ-Geflüchtete, deren 50 auch den Demonstrationsumzug anführten, bescherte der Thematik wie vom Verein erhofft, eine grosse Medienaufmerksamkeit in Zeitungen, Radio und Fernsehen. Das SRF widmete der Zurich Pride gleich ein ganzes Wochenprogramm mit diversen LGBTIQ-Filmen.
Interne Reibereien Trotz allen Erfolgen soll es hinter den Kulissen mächtig gekracht haben und die dicke Luft war an der gestrigen Generalversammlung im Zürcher Kulturmarkt deutlich spürbar. Die abtretenden Vorstandsmitglieder Natascia Tuttobene und C. Baselgia betonten, wie sehr ihnen die Zurich Pride ans Herz gewachsen sei und dass sie stets mit Herzblut für eine erfolgreiche Umsetzung des Festivals gearbeitet haben. Dennoch habe sich die Stimmung im Vorstand in den vergangenen Monaten bis ins Unerträgliche verschlechtert. Das Ressort Festival hätte sein Engagement an Bedingungen geknüpft und somit Druck ausgeübt. Darauf sei gar die Auflösung des Vereins zur Debatte gestanden.
«Ich will mich nicht länger unter Druck setzen lassen von einer Machtposition des Festivals», sagte C. Baselgia, blickte aber in Hinsicht auf die neue Präsidentin Lea Herzig zuversichtlich in die Zukunft des Vereins. «Lea macht das gut.»
Ich wünsche mir mehr Frauen auf der Bühne.
Auch Natascia Tuttobene, die während fünf Jahren Finanzvorsteherin war, wünschte dem Verein alles Gute. Sie bemängelte jedoch die Dreierbesetzung des Ressorts Festival, die ein Ungleichgewicht gegenüber dem einzigen Politverantwortlichen darstelle und so massgebende Entscheidungen durchsetzen könne, während der Vorstand sie machen liesse. Alan David Sangines, der abtretende Politverantwortliche, warnte davor, den politischen Aspekt der Pride weniger zu gewichten als das Festival.
Des Weiteren kritisierte Tuttobene die grosse Männerpräsenz auf der Festivalbühne. «Seit ich im Vorstand bin, sind es fast nur Männer. Ich wünsche mir mehr Frauen auf der Bühne. Und es gibt Frauen, die auf die Bühne wollen. Ich weiss von mehreren Anfragen von Künstlerinnen, die unbeantwortet blieben.»
Marco Uhlig, der im Vorstand für das Booking zuständig ist, verwies auf die 50:50 Quote, die man bei der Festivalunterhaltung anstrebe, und dass bei der diesjährigen Austragung eine Künstlerin abgesagt habe.
«Es gab keine Intention, dass diese Situation zustande kommt», sagte Patrick Pöttschacher, einer der Festivalleiter. «Wir haben unsere Lehren daraus gezogen und schauen, dass es nicht mehr vorkommt. 2018 sind diese Dinge vergessen.»
Präsident David Reichlin machte die internen Auseinandersetzungen zu einem Teil für seinen Rücktritt verantwortlich. «Ich war nicht immer präsent, wie es notwendig war. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich nicht in Zürich wohne.» Mit Lea Herzig habe er eine Nachfolgerin gefunden, die den Laden kenne. «Wir sind auf gutem Weg.»
Natascia hat ihr Ressort mit einem Verlust von knapp 40’000 Franken übernommen. Das Wasser stand ihr nicht bis zum Hals, sondern bis zum Kopf.
«Natascia hat den Verein aus den tiefroten Zahlen geholt» Das langjährige Engagement von Baselgia und Tuttobene wurde vom abtretenden Präsidenten David Reichlin und dem ebenfalls zurücktretenden Politverantwortlichen Alan David Sangines gewürdigt. Als Leiter «Sponsoring/Marketing» habe C. Baselgia sowohl die Website des Vereins als auch die verschiedenen Marketingmaterialien auf den neusten Stand gebracht.
Auch für Tuttobene fand Sangines nur lobende Worte. Den Gewinn habe der Verein ihrer wirtschaftlichen Haushaltsführung zu verdanken. «Natascia hat ihr Ressort mit einem Verlust von knapp 40’000 Franken übernommen. Das Wasser stand ihr nicht bis zum Hals, sondern bis zum Kopf.» Um die Verluste wieder wettzumachen habe sich Tuttobene nicht nur der Buchhaltung angenommen, sondern der gesamten betriebswirtschaftlichen Führung des Vereins, darunter auch die Kostenkontrolle, die Neukalkulierung der Standpreise und das Aushandeln der Versicherungsverträge. Die Generalversammlung quittierte Tuttobenes Verdienst mit einem langanhaltenden Applaus.
Auch Alan David Sangines erhielt vom scheidenden Präsident viel Lob und Dankbarkeit. «Alan hat der politische Gehalt des Festivals mit viel Herzblut vorangetrieben. Das hat man am besten in diesem Jahr gesehen», so David Reichlin. «Er hat hart für die politische Präsenz gekämpft. Die erhöhte Wahrnehmung in der heterosexuellen Bevölkerung ist ihm zu verdanken.»
Die über fünfzig anwesenden Mitglieder, darunter auch mehrere LGBTIQ-Organisationen, genehmigten einstimmig den Jahresbericht und die Jahresrechnung sowie die Erhöhung des Budgets für Showacts um CHF 20’000. Ein Mitgliederantrag für die gleiche Erhöhung des Politbudgets wurde ebenfalls angenommen.
Kein Motto gegen Geld Rege diskutiert wurde der Vorschlag des Pharmaunternehmens «ViiV Healthcare», welches das Motto «Ending HIV» für die Zurich Pride 2018 vorgeschlagen hatte, der gemäss Lea Herzig an einen «namhaften Betrag» gekoppelt war.
Aus dem Plenum meldete sich Hannes Rudolph und bemerkte, dass HIV vor allem ein schwules Thema sei und andere Mitglieder der LGBTIQ-Community so in den Hintergrund rücken würden. «Lesben und trans Personen kämpfen seit Jahren für mehr Sichtbarkeit. Zudem finde ich schwierig, das Sponsoring und Motto miteinander verbunden werden.»
Jetzt sind politische Forderungen wie die Ehe für alle oder das Adoptionsrecht gefragt.
Auch Denis Kläfiger, der die Nachfolge von Alan David Sangines antritt, sprach sich gegen das Motto aus. «Jetzt sind politische Forderungen wie die Ehe für alle oder das Adoptionsrecht gefragt.» Sangines warnte grundsätzlich davor, das Motto an finanzielle Leistungen zu knüpfen.
Die Diskussion mündete in eine verbindliche Abstimmung über eine Grundsatzfrage des Vereins: Ob dem Vorstand verwehrt werden soll, vertragliche Verpflichtungen einzugehen, die das Motto an Geldzahlungen koppelt. Der entsprechende Antrag von Lucas Tschan wurde ohne Gegenstimme aber mit mehreren Enthaltungen angenommen.
Das Sponsoring-Angebot sei an der GV falsch verstanden worden, wie Damir Martic von «ViiV Healthcare» gegenüber der Mannschaft sagt. «Ich hatte lediglich den Vorschlag gemacht, dass HIV oder ‹Ending HIV› ein Motto sein könnte», sagt er. «Ich habe die Pride nie zwingen wollen, dass Sponsoring an das Motto zu binden.»
Würde sich das Motto um HIV drehen, hätte er ein Sponsoring prüfen können, nicht aber bei einem politischen Motto. «Eine Pharmafirma kann niemals ein Thema ‹Ehe für alle› oder sonstige gesellschaftliche Themen mitfinanzieren», so Martic.
Die über dreistündige Generalversammlung wurde mit der Wahl der neuen Vorstandsmitglieder beendet. Die neue Präsidentin Lea Herzig, die neue Budgetverantwortliche Corina Rieser und der neue Politverantwortliche Denis Kläfiger wurden einstimmig gewählt, Letzterer mit einer Enthaltung.
Nebst C. Baselgia, Alan David Sangines und Natascia Tuttobene sind Edvin Caminada, Mark Chapman, Michel Imhof und Sebastian Rüttimann aus dem Organisationskomitee ausgetreten.
Das Zurich Pride Festival 2018 findet vom 15. bis 17. Juni 2018 statt, die Demonstration am Samstag, 16. Juni.
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